Brzezinski: Kalter Krieger auf Friedenskurs
von Horst Stuckmann, Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V., Frankfurt am Main
Man ist fast versucht - mit biblischen Anklängen
- zu sagen: es geschehen noch
Zeichen und Wunder. Da wandelt sich
Brzezinski, über Jahrzehnte als Hardliner
und Kalter Krieger bekannt, zum Mahner
vor politischen und militärischen Abenteuern.
In verschiedenen Interviews und Zeitungsartikeln,
schließlich bei einer Anhörung
vor dem Auswärtigen Ausschuss des US-Senats,
ist er in den letzten Wochen mit Bush
und dessen Administration hart ins Gericht
gegangen. Seine Darlegungen sind die
bisher profiliertesten Anklagen eines USPolitikers
gegen die offizielle US-Politik. Die
Wirkung seiner Aussagen dürfte aber eher
gering sein. Denn Brzezinski hat kein politisches
Amt mehr, auch keine politische
pressure group, die Einfluß nehmen könnte.
Er ist heute Professor für Amerikanische
Außenpolitik in Baltimore und wird gelegentlich
von Instituten und auch Unternehmen
als Berater gefragt. Seine Meinung ist sicher
interessant und fundiert, denn seine
strategische Weitsicht dürfte unstrittig sein.
Außerdem ist er nicht der erste prominente
US-Politiker, der nach Ende seiner Karriere
einen Meinungswechsel vollzieht. Es sei
an Mc Namara erinnert. Als Verteidigungsminister
war er mitverantwortlich für die
Aggression gegen Vietnam, auf dem Altenteil
bekannte er später, dass der US-Krieg
gegen Vietnam ein großer Fehler gewesen
sei und schlug Friedenstöne an.
Brzezinzkis „Verdienste“
Es soll hier keine moralische Wertung getroffen
werden. Wichtig ist die aktuelle Position
Brzezinskis, die sich eben deutlich von
der Bush-Administration abhebt. Um den
nunmehr öffentlich gemachten Meinungswandel
richtig einordnen zu können, sei
ein kurzer Rückblick auf Brzezinskis frühere
politische Haltungen und Handlungen
erlaubt. - Er hat nie einen Hehl daraus gemacht,
dass er ein überzeugter Antikommunist
ist. Sein erstes wichtiges Amt war
die von ihm 1961 übernommene Leitung
des damals gerade neu gegründeten „Institutes
für Kommunistische Angelegenheiten“
an der Columbia University. Von dieser
Zeit an stieg er zum Berater verschiedener
US-Regierungen auf, übrigens ausschließlich
von Demokraten geführten. Seine
nächste politische Aufgabe war schon
von transnationaler Bedeutung. 1973 avancierte
er zum ersten Direktor der sogenannten
Trilateralen Kommission. Sie war eine
Art Denkfabrik von Wissenschaftlern und
Politikern aus den USA, aus Westeuropa
und Japan, als Gruppe aus drei Kontinenten
auch abgekürzt Tricon genannt.
Sie war ein subversives Instrument der
US-Politik, auch wenn sie sich einen seriösen
Anstrich gab. Sie sollte den damaligen
Ostblock ideologisch aufweichen, zu diesem
Zweck die richtigen Einflußmöglichkeiten
ergründen und umsetzbar machen. Für
den notorischen Antikommunisten
Brzezinski eine maßgeschneiderte Funktion.
Präsident Carter holte ihn 1977 als Sicherheitsberater
in seine Administration.
Damit hatte er den Gipfel seiner Macht und
seines Einflusses erreicht. Entsprechend
handelte er in den folgenden Jahren. Er
brachte die USA auf harten Konfrontationskurs
gegenüber der Sowjetunion. Er setzte
auf westlich-moralische Maßstäbe,
instrumentalisierte die Menschenrechte zu
Waffen gegen den Kommunismus und versuchte
stärker und bewusster als alle Vorgänger
in der US-Politik über die Medien
in die sozialistischen Staaten hineinzuwirken.
Man sprach vom „elektronischen
Krieg“. Doch er blieb nicht bei nur medialer
Agitation. Er ließ die CIA weltweit operieren,
um 1980 vor allem in Afghanistan. Über
Pakistan wurden die fundamentalistischen
Kräfte gegen die Sowjetunion und die damalige
afghanische Regierung unterstützt.
Pearl Harbour als „Vorbild“
Nach dem Verschwinden der Sowjetunion
und ihrer Verbündeten ließ sich Brzezinski
1997 wieder vernehmen. Er publizierte ein
Buch mit dem Titel „Die einzige Weltmacht.
Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ (Original:
„The Grand Chessboard“). Der Titel
schon ist Programm. Besonderes Augenmerk
richtete er auf Zentralasien. Um diesen
Bereich unter US-Dominanz zu bringen
plädierte er für ein „neues Pearl
Harbour“, um damit die Zustimmung der
US-Bevölkerung propagandistisch zu erreichen.
Auf diese Weise sollten die
Rohstoffresourcen vom Kaspischen Meer
über Afghanistan bis zum Indischen Ozean
für die USA gesichert werden.
Heute nun warnt derselbe Brzezinski vor
eben einem solchen Manöver. Er wirft Bush
und seiner Adminstration vor, sie suchten
nach einem Vorwand für einen Krieg gegen
den Iran. Nach seiner Meinung könne
dies ein neuerlicher Terroranschlg oder ein
vergleichbarer Anlass sein. Brzenzki verwies
selbst auf den offiziellen Anlass für den
Vietnam-Krieg - den inszenierten Angriff auf
ein US-Kriegsschiff im Golf von Tonking.
Brzezinski vertraut nicht darauf, dass Bush
zur Vernunft kommen könne. Er hält ihn und
seine Politik für im höchsten Maße irrational.
Doch auf diese Weise führe er unweigerlich
die USA weltweit in die Isolierung,
denn kein anderer Staat könne und würde
dieser Irrationalität folgen.
Brzezinski nimmt für sich die Vernunft in
Anspruch. Er plädiert für eine realistische
Sicht auf die Weltsituation. So ist er der Überzeugung,
dass selbst ein atomar gerüsteter
Iran nicht gefährlicher als gegenwärtig sei.
Er weist darauf hin, dass in der Nah- und
Mittelost-Region um den Iran herum schon
andere Atommächte wie Israel, Pakistan und
Indien seien, der Iran deshalb ein gewisses
Interesse zur Selbstbehauptung, eventuell
mit Atomwaffen, habe, allein schon darum,
um seine Verhandlungsposition zu stärken.
Natürlich lehnt Brzezinski Atomwaffen
in den Händen des Iran ab. Aber er
präferiert den Weg der Verhandlungen und
der Interessenbalance. So unterstützt er
eine atomwaffenfreie Zone im Nahen und
Mittleren Osten.
Plädoyer für Schadensbegrenzung
Ein weiteres Argument, das gegen einen
Angriff auf den Iran spricht, ist nach seiner
Auffassung die Gefahr, dass sich in einem
solchen Fall im Iran Fundamentalismus und
Natonalismus verschmelzen würden. Dies
trifft seiner Meinung nach auch schon bei
Sanktionen zu, wie sie jetzt der UNO-Sicherheitsrat
auf Druck der USA beschlossen
hat. Manches spricht für die Richtigkeit
dieser Analyse. So meinen manche Beobachter, dass sich im Falle der 15 britischen
Marinesoldaten der iranische Präsident als
Nationalist gegen die Fundamentalisten
durchgesetzt habe.
Brzezinski schlägt des weiteren im Blick
auf eine künftige nichtkriegerische Entwicklung
in der Nah- und Mittelostregion einen
Abzug der US-Truppen aus dem Irak vor.
Um dadurch nicht das propagandistisch
beschworene Chaos entstehen zu lassen,
sollten irakische Politiker, die nicht als Marionetten
in der von US-Soldaten bewachten
„Grünen Zone“ residieren, sondern
wirklich Einfluss unter den Irakern hätten
und als deren authentische Vertreter betrachtet
würden, herangezogen werden.
So auch nur könne das notwendige Einvernehmen
mit den Nachbarn, eben auch
mit dem Iran, erzielt werden. Darüber hinaus
sei es unumgänglich, endlich zu einem
israelisch-palästinensischen Frieden zu
gelangen, der diesen Namen auch zu
Recht verdiene. Insgesamt geht Brzezinski
mit seinen Warnungen und Vorschlägen
weiter als auch die Demokraten mit ihrer
Mehrheit im Kongress. Natürlich will er die
Stellung der USA in der Welt nicht schwächen,
wie ihm sicher Bush und seinesgleichen
vorhalten werden. Ganz im Gegenteil:
Brzezinski sieht die Position der USA
weltweit durch die gegenwärtige Politik bedroht.
Er hält den Irakkrieg für „eine historische,
strategische und moralische Katastrophe“.
Dadurch verlören die USA ihre globale
Legitimität, ihre moralische Reputation
und zugleich ihren inneren Zusammenhalt.
Der von Bush ausgerufene Krieg gegen
den Terrorismus habe die US-Gesellschaft
tief gespalten. Die US-Bürger seien einer
sich steigernden Panik ausgesetzt, die
schließlich nur zu einem Ziel hinführe, zu
einer „Kultur der Angst“. In ihr gingen jede
Toleranz und jedes Rechtsempfinden unter.
In immer mehr Bereichen der Gesellschaft
herrsche Demagogie.
Brzezinskis Kritik ist harsch und beschwört einen prinzipiellen
Richtungswechsel in der US-Politik.
Im Grunde zielt sie, vermutlich gegen
den Willen ihres Urhebers, auf einen gesellschaftlichen
Umschwung, der künftig
jede militärische Option und jede als Kolonialismus
konzipierte Vorherrschaft ausschließt.
Skepsis ist allerdings bei der Frage
angebracht, inwieweit sich die Kräfteverhältnisse
in den USA entsprechend verändern
lassen. Vorläufig bleibt jedenfalls für
die weltweite Friedensbewegung die Mobilisierung
gegen die US-Kriegspolitik die
Hauptaufgabe.
* Dieser Beitrag erschien in: FriedensJournal, Nr. 3, Mai 2007
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