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Gallup-Umfrage: Zwei von drei Menschen mögen die USA nicht

US-Diplomatin macht sich Sorgen um das Ansehen der USA in der Welt

Der nachfolgende Text ist typisch für die Unbeholfenheit, mit der die US-Diplomatie auf die zunehmende Kritik an der US-Politik reagieren. Da bringt eine breit angelegte Gallup-Umfrage an den Tag, dass in den islamischen Ländern zwei von drei Einwohnern ein ausgesprochen negatives Verhältnis zu den USA haben. Reaktion in Washington: Das kann nur an der unzureichenden "Kommunikation", an Fehlern in der weltweiten Werbung für den amerikanischen way of life liegen. Auf die Idee, dass der Grund für die Kritik und Feindschaft in diesen Ländern auch etwas mit der Politik der Vereinigten Staaten zu tun haben könnte, mit ihrem arroganten Auftreten und mit ihren militärischen Drohungen, auf die Idee scheint niemand zu kommen. Wie auch? Die USA als die Führungsnation der freien Welt stehen für alle guten Werte und Tugenden, für "Frieden, Akzeptanz, Glaube und Liebe für die Familie". Das einzige Problem liegt darin, dass der Rest der Welt dies nicht begriffen hat. Dem soll nachgeholfen werden mit verstärkten Anstrengungen auf dem Gebiet der Auklärung, Propaganda, Werbung und psychologischen Beeinflussung. - Doch lesen Sie selbst, was einer leitenden Beamtin des diplomatischen Dienstes der US-Administration hierzu im Juni 2002 einfällt.


USA müssen ihre Werte besser vermitteln

Rede von Abteilungsleiterin Charlotte Beers


Anhörung der Abteilungsleiterin für öffentliche Diplomatie, Charlotte Beers, vor dem auswärtigen Ausschuss des Senats vom 11. Juni 2002.

Herr Vorsitzender Biden, verehrte Ausschussmitglieder,
vielen Dank für die Gelegenheit zu der heutigen Anhörung. Wie Sie alle sehr gut wissen, sind heute neun Monate seit dem 11. September vergangen - einem Tag, der uns allen die Augen für die grauenhaften Konsequenzen des Hasses öffnete, den manche Gruppen für unser Land empfinden, einen in Ignoranz, Fehleinschätzungen und falschen Darstellungen wurzelnden Hass. Wir lernen immer noch viel von jenem Tag, und das Wichtigste ist zweifelsohne, dass wir mehr tun können und sollten, um die Einstellung des ausländischen Publikums gegenüber unserem Land positiv zu beeinflussen. Es ist nicht länger tragbar, andere die Vereinigten Staaten, ihre Überzeugungen, Dogmen und Werte definieren zu lassen. Es liegt in unserem kollektiven nationalen Sicherheitsinteresse, uns selbst gegenüber der Welt besser zu definieren. Das ist unsere Aufgabe in der Welt nach dem 11. September, und es ist eine Aufgabe, die Erfolg haben muss.

Ende Februar führte Gallup eine Meinungsumfrage unter nahezu 10.000 Personen in neun vorwiegend muslimischen Ländern durch und stellte fest, dass die Einwohner dieser Nationen im Verhältnis 2:1 eine negative Meinung von den Vereinigten Staaten hatten. Einige der konkreten Ergebnisse der Umfrage überraschten in Ländern wie dem Iran nicht, aber in Kuwait hatten beispielsweise nur 28 Prozent der befragten Einwohner eine positive Meinung von den Vereinigten Staaten und das in einem Land, das erst vor einem Jahrzehnt von den Vereinigten Staaten und ihren Bündnispartnern befreit wurde. In Marokko hatten nur 22 Prozent eine positive Meinung von den Vereinigten Staaten, und in Saudi-Arabien, einem unserer stärksten Verbündeten in der Region, brachten nur 18 Prozent eine positive Meinung von den Vereinigten Staaten zum Ausdruck.

Diese Zahlen decken sich ungefähr mit anderen Ergebnissen externer und interner Meinungsumfragen in der Region. Sie veranschaulichen die vor uns liegende Herausforderung - eine Herausforderung, unsere Maßnahmen und Werte der Welt gegenüber effektiver zu vermitteln. In einigen Regionen, wie den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Gebieten im Nahen Osten und in Südasien beispielsweise, ist die Herausforderung offensichtlich größer. An diesen Orten ist es unerlässlich, dass wir auf die Bevölkerung zugehen, sie informieren, ausbilden und überzeugen, dass wir eine Gesellschaft sind, die auf bestimmten Werten gründet - Werten, die in der muslimischen Welt widerhallen, Werten wie Frieden, Akzeptanz, Glaube und Liebe für die Familie.

Um dies zu tun, müssen wir unsere herkömmlichen Programme für öffentliche Diplomatie wie die internationalen Informationsaktivitäten, die akademischen und kulturellen Austauschprogramme sowie internationale Rundfunk- und Fernsehsendungen fortsetzen. Wir müssen diese Aktivitäten jedoch auf breitere und jüngere Bevölkerungsschichten konzentrieren und sie gleichzeitig erweitern, um unser gewünschtes Publikum schneller und effektiver zu erreichen. Seit dem 11. September und seit meiner Bestätigung im Amt im Oktober haben wir genau das angestrebt. Das zeigt sich an Initiativen wie "Das Netzwerk des Terrorismus", einer Broschüre, die das am weitesten verbreitete Dokument öffentlicher Diplomatie geworden ist, das je von der amerikanischen Regierung herausgegeben wurde. Die Publikation zeigt dramatische Bilder, darunter eine Landkarte mit den 81 Ländern, die im World Trade Center Staatsbürger verloren haben. Seit seiner Veröffentlichung im November letzten Jahres wurde "Das Netzwerk" in 36 Sprachen übersetzt, und wir haben über 1,3 Millionen Exemplare herausgegeben. "Das Netzwerk" wurde als Beilage zu der arabischen Ausgabe von Newsweek verteilt, und in anderen arabischen und internationalen Publikationen erschienen wesentliche Auszüge. Seit der Veröffentlichung haben wir auch eine ständig aktualisierte Internetversion ins Netz gestellt.

Zusätzlich zu der Broschüre "Das Netzwerk" hatten wir Erfolg mit unseren Fernsehkooperativen, mit denen wir die Besuche ausländischer Produktionsteams in den Vereinigten Staaten fördern. Seit dem 11. September wurden 21 Fernsehprogramme ausgestrahlt, die sich mit der islamischen Gemeinde in den Vereinigten Staaten sowie dem Feldzug gegen den Terrorismus befassen.

Unsere Ausstellung der beeindruckenden Fotografien von Joel Meyerowitz, eine Darstellung der menschlichen und materiellen Dimensionen von Ground Zero, wurde jetzt in 32 Ländern eröffnet und wird bis Ende des Jahres in 10 weiteren Ländern gezeigt - sie erreicht Hunderttausende.

Unsere Websites über den Nahen Osten stehen seit dem 11. September konstant an der Spitze der Internetsuchmaschinen, und dank unserer mehrsprachigen Anzeigen hat unser Programm "Belohnung für Gerechtigkeit" seit den Anschlägen rund 30.000 Informationen erhalten. Wir haben "This is Islam in America" herausgegeben, eine Publikation, die bei einer Konferenz im April an 500 Imame aus dem Nahen Osten verteilt wurde sowie "Islam in America", die über unser Netzwerk American Corners in ganz Russland und über unsere Botschaften in Almaty, Aschgabat, Baku, Bischkek, Duschanbe und Taschkent verteilt wurde.

Diese Initiativen heben einige unserer Erfolge hervor, aber es gibt eindeutig noch Raum für Verbesserungen unsererseits, mehr zu tun, sehr viel mehr. Zurzeit werden der Nahe Osten und die islamische Welt mit neuen Medien, neuen Ideen und Ideologien überflutet. Wir müssen auf einem überfüllten Gelände um die Aufmerksamkeit dieses Publikums konkurrieren. Gouverneur Norm Pattiz wird über den Erfolg von Radio Sawa sprechen, aber es ist offensichtlich, dass wir unsere Fernsehdienste effektiver und relevanter gestalten müssen. Das Fernsehen ist das Medium von heute und morgen, wie sich aus der Erweiterung und dem Einfluss des Fernsehsatelliten für den Nahen Osten und den regelmäßigen Fernsehsendungen ersehen lässt. Die bestehenden Kanäle hungern nach Programmen, und wir benötigen direkte Ressourcen für die Produktion, Beschaffung und Verteilung von fesselnden, qualitativ hochwertigen Programmen. Ich zögere, das Konzept einer stark erweiterten direkten Übertragungskapazität zu unterstützen, bis sehr viel besser erforscht ist, wie dieser Markt am besten erschlossen werden kann. Dies gilt insbesondere angesichts der Erfahrung der BBC mit ihrem teuren Experiment im arabischen Fernsehen.

Es gibt Raum für Dialog und Austausch, aber liegt an uns, unserer Stimme Gehör zu verschaffen. Es gibt gemeinsames Terrain, auf dem wir die Grundlage für diesen Dialog schaffen können. Ich möchte dies durch die Geschichte einer jungen arabischen Frau veranschaulichen. Sie ist ein Konglomerat arabischer Frauen, die ich vor kurzem getroffen habe. Ich war in einer arabischen Hauptstadt, und diese Frau erzählte mir von dem Ärger und der Frustration, die sie und andere über unsere Nahostpolitik empfinden. Sie ist Professorin, aber nicht an der Amerikanischen Universität, deren Name für sie ihrer Ansicht nach ein Stigma wäre. Ihr Ärger war so groß, dass sie anfänglich Zweifel über bin Ladens Rolle als Initiator der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon äußerte. Wir verbrachten mehr Zeit miteinander, und sie begann mich nach der ihres Wissens schlechten Behandlung der Muslime in den Vereinigten Staaten zu fragen. Ich konnte ihr sagen, dass es in unserem Land drei bis sechs Millionen Muslime gibt, die in mehr als 1.200 Moscheen ungehindert ihre Religion ausüben und deren Kinder muslimische Schulen besuchen können. Ich habe ihr von dem Nobelpreisträger erzählt, der Muslim ist, dem Fußballspieler, unserem Basketballstar, dessen Vater ein Imam ist, den Lehrern und selbst Präsident Bushs neuem Direktor der National Institutes of Health (NIH). Damit öffnete sich eine Tür zwischen uns. Schließlich räumte sie ein, sie sei zwar davon überzeugt, dass bin Laden hinter den Anschlägen vom 11. September stehe, könne diese Überzeugung gegenüber ihren Kollegen jedoch nicht vertreten. Am Ende unserer Unterhaltung fragte sie, ob ihre Universität ein Amerikanistikprogramm einführen und ob sie mit einer Gruppe von Lehrern in die Vereinigten Staaten reisen könne, um Wissenschaft und Technologie zu studieren.

Dann gibt es noch die Geschichte eines ehemaligen Fulbrightstipendiaten, der Leiter der Muhammadiyah ist, der zweitgrößten, 30 bis 40 Millionen Mitglieder zählenden islamischen Organisation Indonesiens. Er erklärte vor kurzem gegenüber der Jakarta Post, dass seine Ausbildung in den Vereinigten Staaten ihn von der Gründung eines islamischen Staats in Indonesien abgehalten hätte. Er führte seinen akademischen Grad in Studien des Islam von der University of Chicago als ein Instrument an, das ihm geholfen habe, zu einem besseren Verständnis religiöser Lehren zu gelangen. Er bekräftige auch, dass "immer weniger Muslime einen islamischen Staat gründen möchten".

Auf diese Art von "Geistesverwandtschaft" arbeiten wir hin. Gemeinsame Ideen und Werte sind die Bausteine zu besserem Verständnis, besseren Beziehungen und gutem Willen in der islamischen Welt. Um zum gezielten Einsatz unserer Bestrebungen im Bereich der öffentlichen Diplomatie beizutragen und unsere Fähigkeit zur Bewältigung der vor uns liegenden Herausforderung zu verbessern, haben wir drei strategische Themen erarbeitet, an denen wir unsere Aktivitäten und Bestrebungen ausrichten werden. Unter der Führung von Präsident Bush und Außenminister Powell setzen wir uns mit folgenden umfassenden Bereichen in der öffentlichen Diplomatie auseinander:
  • Das erste Thema sind gemeinsame Werte. In vielen Ländern, vor allem denen mit einer mehrheitlich muslimischen Bevölkerung, haben die Menschen ein verzerrtes und negatives Bild der amerikanischen Werte. Sie glauben, wir seien ein ungläubiges und dekadentes Land. Um diesen falschen Eindruck zu beheben, konzentrieren wir uns auf Religionsfreiheit und Toleranz, wie man am Beispiel der von Muslimen in Amerika gemachten Erfahrungen sehen kann. Wir haben bereits eine Website eingerichtet und entwickeln Videoprodukte und Rednerprogramme, um diese Botschaft im Ausland zu verbreiten.
  • Das zweite Thema ist die Chance zu Demokratisierung. Meiner Ansicht nach ist die Demokratie der beste Weg zu dauerhaftem Frieden und Wohlstand. Wo es gute Regierungsführung und offene Chancen gibt, gibt es Erfolgsgeschichten von Unternehmern und freien Märkten im Überfluss. Viele Programme der amerikanischen Regierung und des Privatsektors sprechen dieses Ziel bereits an, und wir müssen ihre Bestrebungen besser hervorheben. Wir müssen auch diejenigen ermutigen, die offenere Gesellschaften, Wirtschaftschancen durch offene Märkte und die Chance zur Erlangung von Wohlstand im einzigartigen Kontext ihrer eigenen kulturellen und historischen Erfahrungen anstreben.
  • Das dritte Thema ist Bildung im Rahmen einer "Partnerschaft zum Lernen" genannten Initiative. Ein universeller Wert ist, dass wir alle unsere Kinder lieben und uns eine bessere Zukunft für sie wünschen. Wir wissen auch, dass der Mangel an sozialen und wirtschaftlichen Chancen einer der Hauptfaktoren für die Anwerbung von Terroristen ist. Bereits eingeleitete amerikanische Bildungs- und andere Unterstützungsprogramme zielen darauf ab, Kindern auf der ganzen Welt die für die effektive Beteiligung am modernen Leben erforderlichen Instrumente an die Hand zu geben. Dank dieser Zielsetzung können wir neue Partnerschaften mit dem Privatsektor aufbauen und die für die Bildung von Kindern bestimmten Ressourcen in Ländern mit begrenzten Optionen drastisch erhöhen.
Diese drei Themen bilden den Grundstock, auf dem unsere Programme für öffentliche Diplomatie Gestalt annehmen dank der kreativen und engagierten Bestrebungen der Mitarbeiter im Bereich öffentliche Diplomatie im Büro für bildungspolitische und kulturelle Angelegenheiten, dem Büro für öffentliche Angelegenheiten, dem Büro für internationale Informationsprogramme sowie unseren regionalen und nach Funktionen aufgeteilten Büros und unseren Büros vor Ort.

Wir arbeiten auch auf die Einbeziehung des Privatsektors hin, der unser natürlicher Verbündeter in diesem Kampf ist, die Menschen auf der ganzen Welt zu informieren und positiv zu beeinflussen. Diese Unternehmen mit großer internationaler Präsenz können in vielen Fällen besser auf bestimmte Länder und Bevölkerungsschichten zugehen als wir. Wir möchten mit ihnen zusammenarbeiten, um Partnerschaften aufzubauen, die unseren gegenseitigen Interessen dienen. Der Privatsektor seinerseits ist mehr als je zuvor bereit, unsere Bestrebungen im Bereich der öffentlichen Diplomatie zu unterstützen. Wir müssen uns weiterhin aktiv um seine Unterstützung für unsere übergreifenden Strategien bemühen, seinen kreativen kollektiven Willen nutzen und ihn bitten, sich für Aktionen zu organisieren.

Die öffentliche Diplomatie steht mehr als je zuvor im Rampenlicht, ebenso wie unsere Fähigkeit und unser Geschick zur Kommunikation mit den Menschen auf der Welt. Ich danke dem Ausschuss für seine kontinuierliche Unterstützung der öffentlichen Diplomatie und dafür, dass ich heute vor Ihnen eine Rede halten durfte.

Originaltext: State Dept. Official Says U.S. Must Communicate Values Better


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