"Neben militärischer Macht bringen wir diplomatische und entwicklungspolitische Instrumente zum Einsatz"
US-Außenministerin Hillary Rodham Clinton erläutert dem Auswärtigen Ausschuss des US-Repräsentantenhauses die Grundzüge ihrer Außenpolitik
Im Folgenden dokumentieren wir die Erklärung von US-Außenministerin Hillary Rodham Clinton vor dem Auswärtigen Ausschuss des US-Repräsentantenhauses vom 22. April 2009. Das Original haben wir bereits früher veröffentlicht: Remarks of Hillary Rodham Clinton
Neuanfänge: Außenpolitische Prioritäten der Regierung Obama
Erklärung der Außenministerin Hillary Rodham Clinton *
Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Vielen Dank, Frau Ros-Lehtinen. Sehr verehrte Freunde und ehemalige Kollegen, ich freue mich, heute bei Ihnen zu sein. Dieser Ausschuss war oft Quelle vieler Fortschritte in der Außenpolitik unseres Landes und ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammen diese Tradition fortzusetzen.
Als ich vor dem Senat erschien - der anderen Körperschaft auf der anderen Seite des Kapitols - sprach ich in meiner Anhörung vor meiner Bestätigung als Außenministerin von meiner Entschlossenheit, eine Politik zu verfolgen, die die Sicherheit unseres Landes erhöhen, unseren Interessen dienen und unsere Werte bekräftigen würde. Heute, nahezu 100 Tage später, freue ich mich berichten zu können, dass wir auf dem Weg zu diesem Ziel die ersten Fortschritte erzielt haben.
Ich möchte zunächst den Frauen und Männern des US-Amts für internationale Entwicklung (USAID) danken, die unserem Land rund um die Uhr überall auf der Welt dienen. Ich bin sehr stolz auf ihre Arbeit. Mit ihren Fähigkeiten und unter der Führung von Präsident Obama haben wir eine neue Diplomatie entwickelt, die auf Partnerschaft, Pragmatismus und Prinzipientreue beruht.
Unsere Prioritäten sind klar: Neben militärischer Macht bringen wir diplomatische und entwicklungspolitische Instrumente zum Einsatz. Wir stärken historische Bündnisse, arbeiten mit aufstrebenden regionalen Mächten zusammen und suchen nach neuen Formen des Engagements. Wir stellen uns den bestehenden und sich abzeichnenden Herausforderungen, die unser Jahrhundert prägen werden: Klimawandel, schwache Staaten, Schurkenstaaten, kriminelle Kartelle, die Weiterverbreitung von Atomwaffen, Terrorismus, Armut und Krankheit. Wir fördern unsere Werte und Interessen, indem wir uns für Menschenrechte einsetzen und Bedingungen begünstigen, die es jedem Menschen ermöglichen, sein gottgegebenes Potenzial auszuschöpfen.
Ich weiß, dass sich viele Ihrer Fragen heute auf seit Langem bestehende Bedenken beziehen werden: Afghanistan und Pakistan, Irak, Iran, mit Sicherheit auf den Nahen Osten, auf die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise. Ich werde diese Themen kurz ansprechen, und beantworte später gerne alle Fragen, die Sie möglicherweise haben.
Wie Sie wissen, hat der Präsident für Afghanistan und Pakistan eine Strategie beschrieben, die an einem grundlegenden Ziel ausgerichtet ist: die Al Kaida zu behindern, zu zerschlagen und zu besiegen und ihre sichere Rückkehr in Zufluchtsorte in Afghanistan oder Pakistan zu verhindern. Wir haben unsere strategische Überprüfung mit intensiven diplomatischen Bestrebungen kombiniert, und Länder überall auf der Welt unterstützen unsere Maßnahmen. Mehr als 80 Länder und Organisationen nahmen an der internationalen Konferenz in Den Haag teil, und auf einer Geberkonferenz, die gerade in Tokio stattfand, wurden mehr als 5 Milliarden US-Dollar bereitgestellt.
Im Irak arbeiten wir auf die verantwortungsvolle Neustationierung unserer Truppen und den Übergang zu einer Partnerschaft hin, die auf diplomatischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit gründet. Wir gehen die von Iran ausgehende Bedrohung anders um und wir tun das mit offenen Augen und ohne Illusionen. Wir wissen, dass es zwingend nötig ist, Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu erlangen. Nach Jahren, in denen die Vereinigten Staaten sprichwörtlich am Spielfeldrand standen, sind wir jetzt ein vollwertiger Partner in den P5+1-Gesprächen.
Im Nahen Osten haben wir uns sofort engagiert, um die Parteien zusammenzubringen, damit sie wieder darüber sprechen, was getan werden kann, um eine Zweistaatenlösung zu erreichen. Wir behalten unser unerschütterliches, grundlegendes Engagement für die Sicherheit Israels bei, indem wir wirtschaftliche Unterstützung sowie Hilfe im Sicherheitsbereich leisten, und wir tun auch was wir können, um die Palästinenserbehörde zu stärken und die humanitäre Krise im Gazastreifen zu lindern.
Allgemeiner betrachtet arbeiten wird daran, die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise einzudämmen. Unsere Bestrebungen bei den G20 konzentrierten sich auf groß angelegte Maßnahmen für die ärmsten und schwächsten Länder. Wir müssen den Internationalen Währungsfonds unterstützen. Wir müssen Länder wie Haiti, wo ich vergangene Woche war, direkt unterstützen. Die von uns bereitgestellten Ressourcen werden demokratischen, verantwortungsbewussten Regierungen helfen, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen, und politische Instabilität mit weiteren Auswirkungen zu verhindern.
Diese Herausforderungen benötigen dringend unsere Aufmerksamkeit, aber sie dürfen uns nicht von ebenso wichtigen, aber manchmal weniger fesselnden oder weniger offensichtlichen Bedrohungen ablenken - wie etwa Klimawandel, Krankheiten, kriminelle Kartelle oder Nichtverbreitung.
In der heutigen Welt sind wir mit Herausforderungen konfrontiert, die keine Grenzen achten. Keine dieser Herausforderungen kann von den Vereinigten Staaten allein gelöst werden. Genauso kann aber auch keine von ihnen gelöst werden, ohne dass wir dabei eine Führungsrolle übernehmen. Alle werden gravierende Auswirkungen auf die Zukunft unserer Kinder haben. So erschreckend diese Herausforderungen auch sind, bieten sie uns auch neue Foren für globale Zusammenarbeit. Wir unternehmen Schritte, um diese Chancen zu ergreifen.
Zunächst verfolgen wir eine umfassende diplomatische Agenda, die voraussetzt, dass wir unsere Bündnisse mit demokratischen Partnern in Europa, Asien, Afrika und in unserer eigenen Hemisphäre stärken. Wir bauen Partnerschaften mit wichtigen regionalen Ländern auf. Wir fördern konstruktive Beziehungen zu großen Nationen, die in Zukunft viel dabei zu sagen haben werden, was auf der Welt geschieht - zu China, Russland und Indien.
Wir arbeiten mit langjährigen Verbündeten wie Japan und Südkorea zusammen - nicht nur, um regionale Anliegen, sondern auch eine Vielzahl globaler Themen anzusprechen. Zu Asien möchte ich noch etwas Konkretes sagen. Wie Sie wissen, sind unsere Beziehungen zu Indien von großer Bedeutung - und ich weiß, dass der Vorsitzende, Frau Ros-Lehtinen und andere dies bereits erwähnt haben. Indien ist die größte Demokratie der Welt. Das Land ist bei zahlreichen Bestrebungen ein wichtiger Verbündeter. Ich habe meine erste Auslandsreise als Außenministerin nach Asien gemacht, als Signal dafür, dass wir nicht nur ein transatlantisches Land sind, sondern auch ein transpazifisches Land, und dass Asien in den kommenden Jahren ein unentbehrlicher Partner sein wird.
Aber wir haben unsere traditionellen Verbündeten nicht vergessen. Wir haben intensiv mit der Europäischen Union und der NATO zusammengearbeitet. Vor ein paar Tagen waren wir in Lateinamerika, um Länder zu besuchen, die eine gemeinsame Hoffnung, eine gemeinsame Hemisphäre, ein gemeinsames Erbe und eine gemeinsame Zukunft haben. Wir sprachen über neue Partnerschaften im Energiebereich, im Kampf gegen den Drogenhandel und die Drogenkartelle, die Konsolidierung demokratischer Fortschritte und vieles weitere.
Wir bauen auch engere Beziehungen zu wichtigen regionalen Mächten auf, darunter Brasilien, Indonesien und die Türkei. Diese Länder sind nicht nur Partner, sondern sie können bei verschiedenen Themen, von Entwaldung bis Demokratie, eine Führungsrolle einnehmen. Wir werden, wo immer möglich, mit China und Russland zusammenarbeiten, und wir werden Themen, bei denen wir nicht einer Meinung sind, ehrlich ansprechen. Wir werden in Kürze einen strategischen und wirtschaftlichen Dialog mit China beginnen. Wir werden mit China daran arbeiten, Technologien zu entwickeln, die die Abhängigkeit der Welt von fossilen Brennstoffen verringern. Wir haben uns auch dazu verpflichtet, mit Russland zusammenzuarbeiten, um ein Nachfolgeabkommen zum START-Vertrag zu finden.
Aber wir wissen auch, dass eine Neudefinierung diplomatischen Engagements nicht nur zwischen Regierungen stattfindet. Politische Kurse und Politiker wechseln im Lauf der Zeit. Aber Verbindungen zwischen Bürgern, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen und Universitäten bestehen weiter. Dabei handelt es sich um sehr wirksame diplomatische Instrumente, und wir sind fest entschlossen, mit diesen Gruppen einen Dialog zu führen.
Schließlich werden wir uns dafür einsetzen, Chancen zu mehren und die Menschenrechte zu schützen, die Zivilgesellschaft zu stärken, den Idealen zu entsprechen, die unsere Nation ausmachen, uns für Bildung und Gesundheitsfürsorge, Rechtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung einzusetzen, gegen Korruption vorzugehen sowie mehr Chancen für Frauen und Mädchen und für Menschen am Rand der Gesellschaft zu schaffen.
Während wir im Ausland verantwortungsvolle Regierungsführung fördern, müssen wir im Inland mehr in unsere eigenen Instrumente investieren. Wie der Vorsitzende bereits sagte, setze ich mich dafür ein, ein agileres, effektiveres Ministerium zu schaffen, das die richtige Personalausstattung und die richtigen Ressourcen hat, um die Agenda des Präsidenten umzusetzen. Aus diesem Grund habe ich zum ersten Mal die Position des Stellvertretenden Außenministers für Management und Ressourcen besetzt.
Ich habe das Ministerium auch angewiesen, Reformen und Innovationen umzusetzen und Steuergelder zu sparen. Wir machen unsere Botschafter zu Geschäftsführern vor Ort, die für die in ihrem Land umgesetzten Programme zuständig und verantwortlich sind. Wir konsolidieren IT-Dienstleistungen, die Einsparungen in Höhe von Millionen von Dollar zur Folge haben werden. Wir setzen neue Medien und Technologien ein, um unsere Botschaften wirksamer zu transportieren.
Und ich bin fest entschlossen dafür zu sorgen, dass die Aus- und Inlandsbeamte das auswärtigen Dienstes die Ressourcen erhalten, die sie benötigen, um ihre Arbeit sicher und effektiv zu tun. Sogar Minister Gates hat darauf hingewiesen, dass unser Land zu wenig in Diplomatie investiert hat. Das muss aufhören. Genauso wie wir amerikanischen Truppen, die aufs Schlachtfeld ziehen, nie Munition verweigern würden, können wir unsere Diplomaten in der heutigen Welt mit all ihren Bedrohungen, die zu jeder Stunde und an jedem Tag bestehen, nicht ohne die erforderlichen Instrumente entsenden. Wenn wir nicht in Diplomatie und Entwicklung investieren, werden wir viel mehr für Konflikte und all das bezahlen, das folgen wird.
Herr Vorsitzender, wir verfolgen diese Politik also, weil sie richtig sind. Wir sind der Meinung, dass kein Land mehr als die Vereinigten Staaten profitiert, wenn es auf der Welt mehr Sicherheit, Demokratie und Chancen gibt. Unsere Volkswirtschaft wächst, wenn unsere Verbündeten gestärkt werden und es den Menschen gut geht. Kein Land trägt eine schwerere Last, wenn die Dinge schlecht laufen. Jedes Jahr geben wir Milliarden von Dollar aus, um uns der Folgen von Krieg, Krankheit, gewaltsamen Ideologien und scheußlichen Diktaturen anzunehmen.
Lassen Sie uns also in die Art Welt investieren, die wir wollen. Es besteht kein Mangel an Herausforderungen oder Chancen. Die Welt wartet auf jemanden, der die Führungsrolle übernimmt, und will sehen, wie diese neue Regierung sich in diesem Augenblick verhält. Ich denke, dass wir erfolgreich sein können, wenn wir uns an unseren Plänen und Prinzipien orientieren. Wir können eine Führungsrolle auf der Welt einnehmen, wenn wir ein Jahrhundert prägen, auf das unsere Kinder stolz sein können, ein Jahrhundert des Fortschritts und des Wohlstands für die ganze Welt, aber vor allem für unser geliebtes Land.
Aber um diese Ziele zu erreichen, brauchen wir Ihre Hilfe, Ihren Rat, und wir benötigen Ihre Unterstützung. Ich freue mich nicht nur auf die heutige offizielle Anhörung sondern auch auf den informellen, andauernden Dialog, den ich mit einigen von Ihnen begonnen habe, und den ich gerne mit allen von Ihnen führen würde. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Wir müssen zum Wohle unseres Landes und unserer Kinder in dieselbe Richtung rudern.
Vielen Dank, Herr Vorsitzender.
Herausgeber: US-Botschaft Berlin, Abteilung für öffentliche Angelegenheiten
* Originaltext: Secretary of State Hillary Rodham Clinton - Congressional Testimony House Foreign Affairs Committee; siehe:
www.
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