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Streiks und Betriebsbesetzungen

Britische Gewerkschaften machen mobil gegen Regierungspläne

Von Christian Bunke *

Britische Gewerkschaften planen erneut eine große Streikaktion im öffentlichen Dienst. Sie wollen gegen die Rentenkürzungspläne der Regierung protestieren. In der größten Gewerkschaft des Sektors brodelt es. Die UNISON hat ein Stillhalteabkommen mit der Regierung abgeschlossen. Auch in der Wirtschaft steigt die Schlagzahl im Arbeitskampf.

Der Kampf geht weiter. Mit einem gemeinsamen Streiktag am 28. März wollen britische Gewerkschaften einen nächsten Höhepunkt im Kampf gegen die von der Regierung geplanten Rentenkürzungen im öffentlichen Dienst setzen. Es wird mit rund 600 000 Beteiligten gerechnet. Für diesen Streik halten die Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS, die Lehrergewerkschaft NUT und die Gewerkschaft für Lehrende an Colleges und Universitäten UCU derzeit Umfragen an der Basis ab. Außerdem wollen sich die in Nordirland aktive Gewerkschaft NIPSA und die Feuerwehrgewerkschaft FBU an dem Streik beteiligen.

Aber dieser wird Streik kleiner als der vom 30. November, das scheint schon jetzt klar. Denn UNISON, die größte Gewerkschaft im öffentlichen Dienst, will nicht mitmachen, weil sie ein Rahmenabkommen mit der Regierung unterschrieben hat. Dieses sieht Verhandlungen im Austausch für das Stillhalten der Gewerkschaft vor. In dem Abkommen ist auch abgesteckt, über was die Regierung reden will.

Hier liegt die Kritik der anderen Gewerkschaften: Sie sehen in dem Rahmenabkommen keinerlei Verbesserungen. Beschäftigte im öffentlichen Dienst sollen laut diesem Abkommen bis zum 68. Lebensalter oder noch länger arbeiten. Außerdem sollen sie bis zu 50 Prozent mehr als bisher in die Rentenfonds einzahlen, am Ende aber weniger Rente als bislang erhalten.

Der Streikbeschluss kommt in einem Klima wachsender Arbeitskämpfe. Unter anderem kam es am Samstag in Bootle bei Liverpool zu einer Fabrikbesetzung bei einer Druckerei des österreichischen Mayr Melhof Konzerns. Die Beschäftigten wehrten sich damit gegen Verschlechterungen eines ursprünglich mit dem Unternehmen ausgehandelten Sozialplans. 49 Beschäftigte sollen ihren Job verlieren, die Firma will ihnen nicht das zuvor ausgehandelte Geld auszahlen.

Bei anderen Arbeitskämpfen mussten die Unternehmer auch einstecken. So zum Beispiel in der Bauindustrie. Hier wollten die acht größten Bauunternehmer Lohnkürzungen von 30 Prozent bei Elektrikern durchsetzen. In den vergangenen Monaten gab es deshalb eine von unten organisierte Lawine von Protesten, Baustellenblockaden und anderen Aktionen. Dadurch sah sich die für die Elektriker zuständige Gewerkschaft UNITE schließlich gezwungen, eine Urabstimmung für einen Streik beim Balfour Beatty Konzern einzuleiten. Das Unternehmen zog gegen das Streikvorhaben vor Gericht, musste sich aber in zweiter Instanz geschlagen geben - und zog sich ganz vom Lohnkürzungsvorhaben zurück. Von den ursprünglich acht Firmen sind nur noch sechs übrig. Sie beraten derzeit über einen geordneten Rückzug. Das Lohnkürzungsprogramm könnte scheitern.

Diese Entwicklungen springen auch auf die Studierenden über. Am 14. März organisiert die NUS, die britische Studierendenvertretung, einen landesweiten Studierendenstreik gegen die Sparpläne der britischen Regierung im Bildungsbereich. Es ist das erste Mal in ihrer 90-jährigen Geschichte, dass die NUS zu einer solchen Aktion aufruft. Das hängt damit zusammen, dass die NUS bislang als Kaderschmiede für die verschiedenen britischen Parteien gegolten hat. Viele führende Politiker Großbritanniens begannen ihre Karriere in der NUS. Dass sie nun einen landesweiten Streik organisiert, ist Ausdruck des wachsenden gesamtgesellschaftlichen Drucks gegen das Spar- und Belastungsprogramm der Regierung.

Der nächste Höhepunkt dieser entstehenden Bewegung wird aber der 28. März sein. Damit hoffen die daran beteiligten Gewerkschaften, auch den Druck auf die UNISON Gewerkschaft wieder erhöhen zu können. In UNISON selber organisieren oppositionelle Aktivisten derzeit eine Kampagne, um den Gewerkschaftstag neu einzuberufen. Damit soll innerhalb der Gewerkschaft eine Debatte über das weitere Vorgehen gegen das Sparpaket und die Rentenkürzungen erreicht werden.

* Aus: neues deutschland, 24. Februar 2012


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