Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kampf um die Krieger

Bericht einer konservativen Stiftung zeigt, wie die rassistische British National Party ihren Einfluß auf die Streitkräfte ausdehnen will

Von Christian Bunke *

Der Auftritt sorgte für Empörung. Vergangene Woche nahm der Vorsitzende der extrem rechten British National Party (BNP), Nick Griffin, an der Diskus­sionssendung Question Time der britischen BBC teil. Griffin ist seit den Europawahlen im Juni einer von zwei BNP-Europaabgeordneten in Strasbourg und darf daher aus Sicht der BBC vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht boykottiert werden. Nicht alle sahen das so. Vor dem Gebäude des staatlich finanzierten Senders in London protestierten Hunderte Demonstranten gegen die Einladung an den Neonazi. Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Im Studio beschränkte man sich auf die verbale Auseinandersetzungen. »Unser Land hat im Zweiten Weltkrieg für Demokratie und gegen Faschismus gekämpft«, betonte Justizminister Jack Straw. Doch Griffin konterte trocken: Sein Vater habe gegen die Nazis gekämpft, während Straws Vater, zu der Zeit als Kriegsverweigerer im Gefängnis gesessen habe. Der Zweite Weltkrieg ist eines der wichtigsten Themen für die BNP. Die Partei führte ihren Europawahlkampf unter dem Slogan »Battle for Britain«. Auf Plakaten war darunter ein Spitfire-Jagdflugzeug abgebildet -- eine Anspielung auf den Kampf gegen die faschistische deutsche Luftwaffe, die ab dem Sommer 1940 einen brutalen Bombenkrieg führte, der sich vor allem gegen die britische Zivilbevölkerung richtete.

Doch die Faszination für das britischen Militär beschränkt sich bei der BNP nicht auf die Verwendung martialischer Symbolik. Das wird in dem kürzlich erschienenen Bericht »Stolen Valour« deutlich. Herausgegeben wurde das Papier von der Gruppe »Nothing British about the BNP«, ein Zusammenschluß einflußreicher Personen aus dem Umfeld der britischen Konservativen. Zu denen zählt auch Tim Montgomerie. Der Redakteur leitet die Webseite »Conservative Home« und war früher führender Mitarbeiter von Ian Duncan Smith, dem ehemaligen Vorsitzenden der Konservativen Partei.

Rechtsextreme Parteien und faschistische Organisationen würden überall in Europa versuchen, Kontakte mit dem Militär herzustellen, heißt es unter anderem in dem 34 Seiten langen Bericht. So seien acht belgische Soldaten aus dem Militär ausgeschlossen worden, weil sie dem neofaschistischen Netzwerk »Blood and Honour« (Blut und Ehre) angehört haben. Bei den Soldaten seien außerdem Bombenmaterial und weitere Waffen gefunden worden. Andere faschistische Organisationen -- als Beispiele werden Gruppen in Ungarn und Rußland genannt -- würden sogar eigene Milizen aufbauen.

In Großbritannien versuche die BNP unter anderem, von der wachsenden Unzufriedenheit mit den Kriegen im Irak und Afghanistan zu profitieren. Zudem habe die Partei Frontorganisationen gegründet, um Kriegsveteranen anzuwerben. Dazu gehört die »Soldiers Off Our Streets«, eine auf den ersten Blick karitative Organisation. Viele britische Kriegsveteranen landen nach ihrer Heimkehr in der Obdachlosigkeit. Dies liegt unter anderem an unzureichender Sozialhilfe und mangelnder psychologischer Betreuung. Kriegsheimkehrer wie Mike Mosely bemängeln auf BNP-Veranstaltungen regelmäßig die schlechte Behandlung von Veteranen durch die Regierung. Die BNP habe, so der Bericht, einen kleinen Kader ehemaliger Soldaten der sich ganz der Rekrutierung von Soldaten widmet. So organisiert die BNP gezielt Flugblattaktionen vor britischen Kasernen. Über ihre Frontorganisationen versucht die Partei, Kontakt mit anerkannten Hilfsorganisationen aufzubauen.

Die Armeeführung, kritisieren die Autoren der Studie, habe sich dem Problem bislang nicht gestellt. Die Verfasser sehen darin vor allem ein militärisch-strategisches Problem. Zehn Prozent des britischen Soldaten kämen aus dem Commonwealth, also den ehemaligen britischen Kolonien. Würde sich der Rassismus der BNP durchsetzen, sei die britische Armee nicht mehr kriegsfähig, befürchtet »Nothing British about the BNP«.

Doch nicht nur das Militär ist anfällig für die Parolen der BNP. In erstaunlicher Offenheit warnt der Bericht der Konservativen vor der wachsenden sozialen Krise in Großbritannien. Die BNP hoffe, so heißt es, in naher Zukunft auf den »perfekten Sturm«, der die von Verarmung, Erwerbslosigkeit und Zukunftsängste bedrohten Bevölkerungsschichten in ihre Arme treiben würde. Die extreme Rechte könne auch von der Desillusionierung der Arbeiterklasse mit dem politischen Establishment in Westminster profitieren. Denn die politische Klasse, heißt es, habe sich mehr und mehr von der Bevölkerung entfernt.

* Aus: junge Welt, 4. November 2009


Zurück zur Großbritannien-Seite

Zur Seite "Rassismus, Rechtsradikalismus, Neofaschismus"

Zurück zur Homepage