Gebündelte Kriegsmacht
Großbritannien und Frankreich vereinbaren "strategische Partnerschaft"
Von Rainer Rupp *
In den höchsten Positionen des US-Militärs, in der Obama-Administration
und im US-Kongreß sind viele der Meinung, daß die britischen
Streitkräfte weder im Irak noch in Afghanistan Erfolg haben können.« Das
erklärte Professor Julian Lindley-French von der Denkfabrik des
britischen Außenministeriums Chatham House am Dienstag im
Nachrichtensender Channel 4 News. Die britischen Truppen seien
»technisch zwar sehr fähig«, aber ihnen fehle ganz einfach »die
kritische Masse und die Technologie, um den Raum zu dominieren, in dem
sie ihre Operationen durchführen«. Das aber könne sich jetzt ändern,
erklärte der Professor: »Eine wirklich strategische Partnerschaft
zwischen der fünft- und sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt, zwischen
Frankreich und Großbritannien, die zugleich zu den Ländern gehören, die
für Sicherheit und Verteidigung am meisten ausgeben, könnte endlich den
europäischen Gegenpol schaffen, der das müde transatlantische Verhältnis
in bezug auf Sicherheit und Verteidigung wiederbelebt und neu
ausbalanciert«.
Offensichtlich spricht der Professor das aus, wonach sich die elitären
Vertreter des britischen und französischen Kapitals schon lange sehnen,
nämlich eine gleichberechtigtere Partnerschaft und somit mehr
Mitspracherecht bei zukünftigen imperialen Raubzügen unter Führung der
USA. Um das und nichts anderes geht es bei der am Dienstag vereinbarten
»strategischen Partnerschaft« zwischen den beiden Ländern, die u. a.
eine bisher nie dagewesene gemeinsame Nutzung militärischer Ressourcen
und Waffensysteme wie z.B. Flugzeugträger vorsieht. Der »Vertrag zur
Verteidigungs- und Sicherheitskooperation« wurde von Frankreichs
Staatspräsident Nicolas Sarkozy und dem britischen Premier David Cameron
in London unterzeichnet.
Man könne »Probleme des 21. Jahrhunderts nicht mehr mit den Mitteln des
20. lösen«, und »gemeinsame Werte lassen sich besser gemeinsam
verteidigen«, meinte Sarkozy, womit er auch die auf 50 Jahre angelegte
Kooperation zum Erhalt, Testen und zur Modernisierung des teuren
Atomwaffenarsenals beider Länder anspieltte. Die britischen und
französischen Forschungs- und Testzentren in Aldermaston, Berkshire
sowie im »Zentrum für nukleare Forschungen« im ostfranzösischen Valduc
sollen daher in Zukunft noch enger zusammenarbeiten, während die
Regierungen beider Länder anderen Staaten weiterhin die Verwerflichkeit
von Atomwaffen predigen werden. Auf konventioneller Ebene ist als erstes
die Schaffung einer franco-britischen schnellen Eingreifbrigade in
Stärke von 5000 Mann vorgesehen, die unter wechselndem Kommando
operieren soll. Bei der gemeinsamen Nutzung von Flugzeugträgern soll
jederzeit wenigstens einer der schwimmenden Flugplätze beiden
Militärkräften zur Verfügung stehen. Dafür muß Großbritannien seine
beiden Flugzeugträger, die für den Senkrechtstarter Harrier gebaut
wurden, erst für die französischen Mirage-Kampfbomber umrüsten.
* Aus: junge Welt, 5. November 2010
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