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Tuvalu - Kleinstaat im Pazifik

Als 189. Staat in die UNO aufgenommen

Anlässlich der Aufnahme Tuvalus in die UNO (als 189. Staat) während des Millennium-Gipfels im September 2000 rückte der Pazifik-Zwergstaat in das Licht der Öffentlichkeit. Wahrscheinlich nur für kurze Zeit. Doch interessant ist Tuvalu auf jeden Fall: Der Staat verzichtet auf ein Militär und sorgt ich um die Umwelt!

In der Südsee werden Träume wahr - zum Beispiel für die Bewohner von Tuvalu. 22 Jahre nach der Unabhängigkeit von Großbritannien hat der Inselstaat im Südpazifik nun auch weltpolitisch Fuß gefasst: Als 189. Mitglied wurde er auf der Millenniums-Konferenz in die Vereinten Nationen aufgenommen und vom UN-Generalsekretär mit Vorschusslorbeer empfangen. "Tuvalu mag eines der kleinsten Mitgliedsländer sein", sagte Kofi Annan, "aber es ist auch eines der friedlichsten." Tatsächlich leisten sich die 9000 Tuvaluer kein Militär, und die Geschicke des Landes werden von zwölf Abgeordneten sowie einer fünfköpfigen Regierung bestimmt. Staatsoberhaupt allerdings war, ist und bleibt Königin Elisabeth II. Mit einer Fläche von 1,3 Millionen Quadratkilometern ist Tuvalu viermal so groß wie Deutschland, wobei aber nur neun Atolle mit insgesamt 26 Quadratkilometern mannshoch aus den Weiten des Pazifiks herausragen. Bodenschätze sind daher abgesehen von Korallenkalk rar, man lebt vom Fischfang und von der bedrohten Spezies der Philatelisten. Doch dem Internet sei Dank - Tuvalu könnte reich werden: Die zugeteilte Internet-Domain "tv" wurde für 20 Millionen Dollar an eine kanadische Marketingfirma weitergereicht. Nun wird das Kürzel weltweit Fernsehstationen für ihre Netzauftritte angeboten, und das könnte jährlich traumhafte 60 Millionen Dollar einbringen.
Aus: Süddeutsche Zeitung, 08.09.2000

Für Quizfragen war das Land schon immer gut, auch für Kreuzworträtsel: Inselgruppe im Pazifischen Ozean mit T. Doch der allgemeine Bekanntheitsgrad des Kleinstaates Tuvalu dürfte sich künftig erhöhen. Immerhin wird er an diesem Dienstag zum Auftakt der 55. UNO-Vollversammlung offiziell als 189. Mitgliedsstaat in die Organisation der Vereinten Nationen aufgenommen.

Zum ersten Mal wird vor dem UNO-Sitz in New York die Flagge Tuvalus aufgezogen - mit dem Union Jack als Zeichen der Zugehörigkeit zum britischen Commonwealth in der linken Ecke und den Umrissen der neun Tuvalu-Inseln auf blauem Grund im Hauptteil. Gerade weil ihr Land mit 26 Quadratkilometern Bodenfläche zu den allerkleinsten der Erde gehört, sollen die knapp 11.000 Inselbewohner nach dem Willen ihrer insgesamt zwölf Parlaments- und fünf Regierungsmitglieder künftig in der Weltorganisation eine Stimme haben.

Internationale Umweltpolitik

Vor allem will sich Tuvalu in der internationalen Umweltpolitik engagieren. Große Sorgen bereitet der hauptsächlich polynesisch-stämmigen Bevölkerung die anhaltende Erwärmung der Erde. Durch das Abschmelzen von Eisschichten auf den Polkappen steigt der Meeresspiegel. Zwar wurden um die Tuvalu-Inseln herum nur ein jährlicher Anstieg von zwei bis drei Millimetern gemessen. Doch in einem Land, das im Durchschnitt nur vier Meter über dem Wasser und ansonsten schutzlos in den riesigen Weiten des Pazifik liegt, löst allein die Möglichkeit einer vielleicht noch rascheren Erderwärmung Existenzängste aus.

"Wir haben uns vor allem im Interesse künftiger Generationen zum Antrag auf Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen entschlossen", sagte Ministerpräsident Bikenibeu Paeinu. Gemeinsam mit Inselstaaten in ähnlicher Lage will Tuvalu sich für internationale Abkommen über die weltweite Reduzierung der so genannten Treibhausgase, die zur Erderwärmung beitragen, stark machen.

20 Millionen für ".tv"

Dafür will der Kleinstaat auch einen Teil jenes Geldsegens einsetzen, der kürzlich auf Tuvalu regnete wie auf Deutschland die UMTS-Lizenzmilliarden. Für 20 Millionen Dollar (22,5 Mill. Euro) verkaufte die Regierung im Hauptdorf Vaiaku die Rechte an dem Tuvalu zustehenden nationalen Internet-Kürzel ".tv". Die kanadische Marketing-Firma Information.ca verpflichtete sich zugleich, Tuvalu an den Einnahmen aus dem Vertrieb des "Punkt-TV-Anhangs" für Internet-Adressen zu beteiligen. Nach Schätzungen könnte das jährlich bis zu 60 Millionen Dollar in die ansonsten häufig fast leere Staatskasse der Inselrepublik spülen.

Vor allem Fernsehsender stünden bereits Schlange, um sich mit Tuvalus Kürzel einen einprägsamen Internetnamen zuzulegen, hieß es bei der kanadischen Firma. "RTL.tv", zum Beispiel, klingt einfach besser als "RTL.com". Sollte das Ganze nicht auf Inselsand gebaut sein, könnten die Bewohner der Tuvalu-Atolle in absehbarer Zeit zu einem gewissen Wohlstand kommen.

Bis jetzt leben die weitaus meisten von ihnen noch in sehr ärmlichen Verhältnissen vom einfachen Fischfang. Ohne die regelmäßigen Finanzspritzen aus Australien, Neuseeland und von der einstigen Kolonialmacht Großbritannien hätte Tuvalus Regierung nicht einmal die Flugtickets ihrer Delegation für die Reise zu den UNO nach New York bezahlen können.

Mit dem Internet-Geld, so hofft man, könnte eines Tages sogar der kühnste Inseltraum finanziert werden - der Ausbau des Tourismus. Obwohl fast 4.000 Kilometer von Australien und Neuseeland entfernt, könnte die Inselgruppe zu einem Magnet für gut betuchte Urlauber werden. Den vergleichsweise wenigen Europäern, die Tuvalu einen Besuch abgestattet haben, erschienen die unberührten weißen Sandstrände am türkisfarbenen Ozean wie das Paradies auf Erden.
Aus: Der Standard, 05.09.2000

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