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Turkmenbaschis schwieriges Erbe

Der künftige turkmenische Präsident wird viele Fragen beantworten müssen

Von Vougar Aslanov *

An diesem Sonntag (11. Februar 2007) finden in Turkmenistan außerordentliche Präsidentschaftswahlen statt. Gewählt wird der Nachfolger des im Dezember verstorbenen »Vaters der Turkmenen« Saparmurad Nijasow, der das Land 21 Jahre lang beherrscht hatte.

Immerhin sechs Kandidaten stellen sich zur Wahl. Allerdings sind darunter nur zwei landesweit bekannte Politiker: Übergangspräsident Gurbanguly Berdymucham-medow, früher Gesundheitsminister, und der Chef des Öl- und Gaskomplexes Ischanguly Nuryjew. Die anderen vier sind Provinzgrößen: Amanniyaz Atadschikow ist Vizechef der Provinz Dashhowuz, Orasmurad Karadschajew Bürgermeister von Abadan, Muchammadnasar Kurbanow Oberhaupt des Kreises Karabekaul und Aschirnijas Pomanow, Bürgermeister von Turkmenbaschi.

Ungewöhnlich für Turkmenistan: Schon vor Wochen hatten alle Kandidaten Gelegenheit gehabt, ihre Wahlkonzepte im staatlichen Fernsehen darzulegen. Auch wurde die Bevölkerung ausführlich über Formalitäten und Ablauf der Wahl instruiert. Erstmals lud die turkmenische Regierung sogar eine OSZE-Mission zur Beobachtung der Wahlen ein. Die Organisation erklärte allerdings, zur Entsendung einer ordentlichen Beobachtermission sei die Zeit zu knapp. Zwar werde eine Expertengruppe ins Land reisen, doch werde sie die Abstimmung nicht offiziell beurteilen. Sei es wie es sei: Zum ersten Mal erlebt Turkmenistan Wahlen in Anwesenheit eines internationalen Expertengremiums.

Tempo und Art der Inthronisierung Gurbanguly Berdymuchammedows nach dem Tod Nijasows lassen indes niemanden am Sieg des 49-Jährigen zweifeln. Der hat versprochen, den politischen Kurs des »Turkmenbaschi« fortzuführen. Heißt das, dass er den diktatorischen Regierungsstil seines Vorgängers beibehält? Dass er internationale Organisationen weiterhin ignoriert und das Land unter dem Aushängeschild der »Neutralität« vom Rest der Welt isoliert? Und was wird aus den zahlreichen politischen Gefangenen und den politischen Exilanten Turkmenis-tans? Bekommt die turkmenische Opposition eine Chance?

Berdymuchammedow und seine Anhänger sind sich wahrscheinlich dessen bewusst, dass sie Turkmenistan nicht wie der »Vater der Turkmenen« regieren können. Einen radikalen Bruch mit dem Herrschaftssystem Nijasows können sie sich andererseits auch nicht leisten: Sie liefen Gefahr, Macht und Einfluss zu verlieren. Stattdessen könnte Berdymuchammedow die politische Isolierung ein wenig lockern, in Sachen politischer Gefangener ein wenig Milde zeigen, einige kleine wirtschaftliche Reformen einleiten. Wie die russische Informationsagentur Fergana.Ru mitteilte, denkt man in Aschchabad daran, das Gefängnis »Ovadan Depe« aufzulösen, in dem unter anderen politischen Gefangenen die frühere Staatsanwältin Gurbanbibi Atadschanowa sitzt. Berdymuchammedow wird der Kritik und dem politischen Druck der USA, der EU und internationaler Organisationen aus dem Weg gehen wollen. Die Zügel der Macht und die Verfügungsgewalt über die Schätze Turkmenistans wird er jedoch in der Hand behalten wollen. Deshalb wird auch in Zukunft das Verhältnis der Opposition zur neuen Macht in Aschchabad äußerst angespannt bleiben.

Die Opposition ihrerseits – insbesondere die im Exil – hofft, durch Unterstützung der USA und der EU an die Macht zu kommen. Der Exil-Politiker Chudojberdy Orasow, der sich als Führer der vereinigten turkmenischen Opposition bezeichnet, erklärte von Deutschland aus in einer Videokonferenz mit US-amerikanischen Zentralasienspezialisten, der grausame Diktator Nijasow habe sich mit den Mächtigen der Welt arrangiert gehabt und mit ihnen gemeinsam die Reichtümer Turkmenistans geplündert. Nach seinem Tod habe in Aschchabad eine »Junta« die Macht erobert. Die USA und die EU müssten dieser »Junta« gegenüber ähnliche Härte zeigen, wie sie der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko zu spüren bekomme. Auf keinen Fall dürfe man das neue Regime in Aschchabad wegen des billigen turkmenischen Erdgases anerkennen. Erst wenn die Opposition an die Macht komme, werde sie der Demokratie im Lande Raum schaffen, dafür brauche sie jedoch die Unterstützung der US-Amerikaner.

Trotz solcher vollmundigen Erklärungen ist es der Opposition nicht gelungen, einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl zu küren, der auch von offizieller Seite anerkannt würde. In Aschchabad hat man durchaus verstanden, dass die Wahlen nach einigermaßen demokratischen Spielregeln ablaufen müssen. Das erhöht die Chancen des neuen Präsidenten, auch im Westen anerkannt zu werden. Das Verlangen nach Zugang zu den reichen turkmenischen Erdgaslagerstätten wird dazu ein Übriges beitragen.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Februar 2007


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