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Spannungen am Kaspischen Meer

Turkmenistan will Marinebasis errichten

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Turkmenische Pläne zum Bau einer Marinebasis an der Kaspi-See, die dieser Tage publik wurden, sorgten am anderen Ufer für helle Aufregung. Aserbaidshan fühlt sich bedroht.

Turkmenistans Präsident Kurbanguly Berdymuhamedow begründete das Vorhaben, eine Marinebasis am Ufer der Kaspischen Meeres zu bauen, vor allem mit dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Zugleich kündigte er jedoch eine umfassende Modernisierung der turkmenischen Seekriegsflotte an. Die besteht bisher vor allem aus Küstenwachschiffen und Patrouillenbooten aus dem Erbe der UdSSR, soll jedoch spätestens 2015 über modernste Technik verfügen. Entsprechende Kaufverträge sind laut Berdymuhamedow bereits abgeschlossen. Geplant ist die Anschaffung von Kampfschiffen, die mit Raketen bestückt werden können. Sie sollen auf der neuen Basis bei Turkmenbaschi - früher Krasnowodsk - stationiert werden und regelmäßig zu Übungen auslaufen, bei denen auch der Schutz wirtschaftlicher Interessen trainiert würde.

Gemeint sind damit vor allem drei große Öl- und Gasfelder, die von Turkmenistan wie von Aserbaidshan beansprucht werden. Denn der Verlauf der Grenzen auf dem größten Binnengewässer der Erde ist immer noch ungeklärt. Russland, Kasachstan und Aserbaidshan favorisieren das »Mittellinien-Prinzip« - eine Grenzziehung im gleichen Abstand zu den jeweiligen Küstenlinien - und haben entsprechende Abkommen bereits unterzeichnet. In Kraft treten sie jedoch erst nach Ratifizierung durch alle fünf Anlieger. Turkmenistan und Iran aber wollen die See in gleich große Sektoren aufteilen: 20 Prozent pro Land.

Alarmglocken klingelten auch in Brüssel: Spitzt sich der Streit zwischen Turkmenistan und Aserbaidshan zu, ist auch das Projekt der Gasleitung Nabucco hochgradig gefährdet. Denn rentabel wird die Leitung nur, wenn sie jährlich 31 Millionen Kubikmeter gen Westen pumpt. Wo die herkommen sollen, ist momentan noch unklar.

Zwar kürzte Russland im April den Kauf turkmenischen Gases wegen sinkender Nachfrage drastisch. Davon könnte Nabucco profitieren, denn Turkmenistans Staatshaushalt ist auf Erlöse aus dem Gasgeschäft angewiesen. Vor allem deshalb hatte Turkmenistan, obwohl es dem Nabucco-Vertrag im Juli nicht beitrat, ausgerechnet mit RWE ein Abkommen zur gemeinsamen Erschließung seiner Vorkommen in der Kaspi-See unterzeichnet. RWE vertritt Deutschland im Nabucco-Konsortium.

Für die Gasdurchleitung braucht Turkmenistan jedoch die Einwilligung Aserbaidshans. Dort sieht man turkmenischen Ansprüchen auf die strittigen Vorkommen zwar mit Gelassenheit entgegen: Bis zur einvernehmlichen Teilung der Kaspi-See gelten die Demarkationslinien zwischen den ehemaligen Sowjetrepubliken, und demzufolge gehören die strittigen Felder Aserbaidshan. Experten fürchten aber, Baku könnte den Streit eskalieren lassen, um die Durchleitung turkmenischen Gases verweigern zu können. In der Hoffnung, Russland, das sich an Turkmenistan für dessen Flirt mit dem Westen rächen will, werde sich dafür im Streit um Berg-Karabach zwischen Armenien und Aserbaidshan definitiv auf Bakus Seite schlagen.

* Aus: Neues Deutschland, 7. September 2009


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