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Erdogan bestätigt Nutzungserlaubnis von Luftwaffenbasis

Polizei erschießt Mitglied der marxistischen DHKP-C / Großrazzia gegen IS und PKK / Türkei greift IS-Stellungen in Syrien an / Grünenpolitiker Özdemir begrüßt türkische Luftangriffe, Linke Dagdelen befürchtet ein Täuschungsmanöver *


Update 15.35 Uhr: Von der Leyen begrüßt Militäreinsatz gegen IS-Dschihadisten
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Militäreinsatz der Türkei gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien begrüßt. »Es ist wichtig, dass sich auch die Staaten der Region gegen den IS-Terror engagieren und sich über Religionsgrenzen hinweg gegen diesen barbarischen Terror stellen«, sagte von der Leyen der »Bild«-Zeitung (Samstagsausgabe). »Dieser Kampf ist sehr ernst und wird uns lange beschäftigen.«

Dass durch den Konflikt auch die im südtürkischen Kahramanmaras stationierten Bundeswehrsoldaten gefährdet werden, schloss von der Leyen dem »Bild«-Bericht zufolge nicht aus. »Unsere Soldaten mit dem Raketenabwehrsystem Patriot im türkischen Kahramanmaras waren in der letzten Nacht nicht betroffen«, sagte sie. »Dennoch beobachten wir die Entwicklung vor Ort sehr genau.«

Update 15.20 Uhr: Erdogan bestätigt Nutzungserlaubnis von Luftwaffenbasis für US-Armee
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Erlaubnis zur Nutzung der südtürkischen Luftwaffenbasis Incirlik für US-Luftschläge gegen die IS-Terrormiliz bestätigt. Auf eine Frage, ob eine solche Erlaubnis erteilt worden sei, antwortete Erdogan laut Nachrichtenagentur DHA am Freitag: »In einem gewissen Rahmen«.

Damit gab die Türkei dem jahrelangen Drängen der USA nach. Die Türkei ist zwar Teil der US-geführten Allianz gegen den IS, hat sich aber bisher sehr im Hintergrund gehalten. Statt dessen forderte Ankara, der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad müsse Vorrang haben.

Die Nutzung von Incirlik ermöglicht es den USA, die IS-Hochburgen im Norden Syriens wesentlich schneller und effektiver anzugreifen, als bisher von Jordanien, vom Irak oder von den Golfstaaten aus. Sie könnten außerdem Kampfhubschrauber einsetzen.

Update 14.20 Uhr: Türkei droht dem IS weitere Angriffe an
Die Türkei hat der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) weitere Angriffe angedroht. »Die Türkei wird gegen jede auch nur kleinste bedrohliche Bewegung aufs Härteste reagieren«, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu am Freitag in Ankara. Er äußerte sich damit erstmals persönlich zu den türkischen Luftschlägen in Syrien vom frühen Freitagmorgen.

Die Türkei sei »entschlossen«, alle Vorkehrungen zur Verteidigung der nationalen Sicherheit zu treffen, erklärte die Regierung. Die Luftschläge seien Teil eines fortlaufenden »Prozesses«, sagte Davutoglu weiter und betonte, die Türkei werde trotz der Luftangriffe nicht Teil des Bürgerkriegs in Syrien.

Mit Blick auf die in der Türkei verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK warnte er, sein Land werde gegen jede Art von Terrororganisation vorgehen. Insgesamt wurden 297 Menschen wegen Terrorvorwürfen festgenommen, darunter 37 Ausländer.

Update 12.00 Uhr: Polizei erschießt Mitglied der marxistischen DHKP-C
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu ist im Zuge der Razzien ein weibliches Mitglied der marxistischen DHKP-C getötet worden. Die Frau starb den Angaben zufolge im Bezirk Bagcilar in Istanbul. Angaben der Polizei zufolge soll sie Gegenwehr geleistet haben, der Anwaltsverband Halkin Hukuk Bürosu spricht von einer »Hinrichtung«.

Update 11.50 Uhr: Reaktionen der Opposition auf türkische Offensive unterschiedlich
Deutsche Politiker bewerten die Angriffe der türkischen Regierung auf Stellungen des IS unterschiedlich. Der Parteivorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, begüßte die Kehrtwende der türkischen Regierung im Konflikt mit der Terrormiliz Islamischer Staat. Die Entscheidung komme aber reichlich spät, sagte Özdemir am Freitag dem rbb-Inforadio. Die Türkei habe den Kampf gegen den IS lange erschwert, kritisierte er.

Skeptisch äußert sich Sevim Dagdelen, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE für Internationale Beziehungen: »Vieles deutet darauf hin, dass die türkischen Bombardierungen von Stellungen des IS keinen grundlegenden Wandel in der verheerenden Syrienpolitik Ankaras darstellen. Die jetzt geforderte Flugverbotszone kann sich nur gegen Syrien richten, da der IS gar keine Luftwaffe besitzt. Zudem ist zu befürchten, dass es sich bei den Bombardierungen um ein Täuschungsmanöver handelt mit dem Ziel, die kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen zurückzudrängen«, sagte Dagdelen, die auch Vizevorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe ist.

Update 10.40: Großrazzia gegen mutmaßliche Mitglieder des IS sowie der PKK
Bei einer großangelegten Polizeiaktion gegen mutmaßliche Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK sind in der Türkei 251 Verdächtige festgenommen worden. Die Regierung erklärte, die Razzia habe am Freitag in 13 Provinzen stattgefunden. Unklar blieb, wie viele der Festgenommenen mutmaßlich dem IS und wie viele der PKK angehören.

Bisher unbestätigten Angaben zufolge soll bei der Razzia eine »junge Frau« von der Polizei erschossen worden sein.

In der Erklärung machte die Regierung den IS erstmals offiziell für den Anschlag in Suruc am Montag mit 32 Toten verantwortlich. Zuvor hatte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu lediglich von ersten Hinweisen auf einen IS-Selbstmordattentäter gesprochen. Nach türkischen Medienberichten handelte es sich dabei um einen 20-jährigen Kurden türkischer Staatsbürgerschaft. Der IS selbst bekannte sich nicht zu dem Anschlag.

Türkei greift IS-Stellungen in Syrien an

Berlin. Türkische Kampfjets haben am Freitag Stellungen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien angegriffen. Bei den Bombardements am frühen Morgen seien zwei Hauptquartiere und ein Sammelpunkt der Extremisten getroffen worden, erklärte Regierungschef Ahmet Davutoglu. Die drei Kampfflugzeuge seien dann in die Basis Diyarbakir im Südosten der Türkei zurückgekehrt.

Der Nachrichtenagentur Dogan zufolge lagen die IS-Ziele rund um das Dorf Hawar unweit der südlichen türkischen Provinz Kilis. Die Türkei sei »entschlossen«, alle Vorkehrungen zu treffen, um die nationale Sicherheit zu verteidigen, hieß es in der Erklärung aus Ankara weiter. Demnach fiel die Entscheidung zu Luftangriffen bei einem Sicherheitstreffen am Abend zuvor.

Bereits am Donnerstag hatten türkische Panzer Stellungen der Dschihadisten im Nachbarland beschossen. Zuvor war ein türkischer Soldat durch Schüsse aus Syrien getötet worden.

Zuvor hatte Ankara nach langem Zögern dem NATO-Partner USA erlaubt, den strategisch wichtigen Stützpunkt Incirlik für Luftangriffe auf die Terrormiliz zu nutzen. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in der Nacht auf Freitag von einem Vertreter des US-Verteidigungsministeriums. Die Zeitung »New York Times« berichtete, Präsident Barack Obama habe sich mit dem türkischen Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan auf die Nutzung Incirliks verständigt.

Die Türkei gehört zwar dem US-geführten Bündnis gegen den IS an, hat aber die Nutzung Incirliks für Luftangriffe gegen die Dschihadisten bislang verweigert. Die Regierung in Ankara hatte gefordert, den Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zum Teil der Strategie des Bündnisses im Nachbarland zu machen.

Die Basis liegt in der Nähe der südosttürkischen Stadt Adana, etwa gut 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Von Incirlik aus könnten die USA nicht nur mit Flugzeugen, sondern auch mit Kampfhubschraubern im Norden Syriens eingreifen. Die Basis liegt außerdem näher an der nordirakischen Grenze als Stützpunkte in den Golfstaaten, von denen aus die Allianz Angriffe gegen IS-Stellungen fliegt.

Der IS beherrscht große Teile der Nachbarländer Irak und Syrien. Ankara hatte die Terrormiliz als Nachbar lange geduldet. Sowohl im In- als auch im Ausland wurde Ankara eine zu passive Haltung vorgeworfen.

Grund für das Umdenken der türkischen Regierung dürfte der verheerende Bombenanschlag in der Stadt Suruc sein, bei dem zu Wochenbeginn 32 Menschen getötet worden waren. Ankara sprach jedoch von Hinweisen auf einen IS-Täter. Drei Tage nach dem Anschlag wurden bei Gefechten im türkisch-syrischen Grenzgebiet zudem ein türkischer Soldat und mindestens ein IS-Kämpfer getötet. Das gaben die Streitkräfte der Türkei am Donnerstag bekannt.

Über das Suruc-Attentat hatten Obama und Erdogan am Mittwoch bei einem Telefonat gesprochen. Dabei sei es um eine Vertiefung der Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS sowie um gemeinsame Anstrengungen gegangen, teilte ein Sprecher des Weißen Hauses anschließend mit.

Obamas Sprecher Josh Earnest hatte auf Journalistenfragen zum Stützpunkt Incirlik am Donnerstag zunächst ausweichend geantwortet. Laut »New York Times« gilt die neue Nutzungsvereinbarung auch für die osttürkische Kurdenmetropole Diyarbakir. Die Pentagon-Quelle bestätigte nicht, dass die Übereinkunft auch eine zweite Basis betreffe.

* Aus: neues deutschland (online), Freitag, 24. Juli 2015


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