Obama mahnte Türkei zu Reformen
Rede des US-Präsidenten in Ankara / Unterstützung für EU-Beitritt / Armenierfrage angesprochen
Von Jan Keetman, Istanbul *
Mit einer Rede vor dem türkischen Parlament hat Barack Obama noch einmal die Bedeutung unterstrichen, die seine Regierung der Türkei beimisst. Damit wollte Obama auch den psychologischen Graben überwinden, der sich zwischen beiden Staaten insbesondere während der Regierung George W. Bush aufgetan hatte.
Die auflagenstärkste türkische Zeitung »Hürriyet« schrieb am Montag über ihre Titelseite: »Welcome Mr. President«. Doch gleich darunter folgte in roten Lettern die Mahnung: »Sie sind in ein Land gekommen, das ein Freund der USA ist, aber in den vergangenen acht Jahren wurde unser Herz gebrochen …« Wie ein Damoklesschwert hing über der Reise aber auch Obamas Wahlversprechen, den Völkermord an den Armeniern 1915 anzuerkennen. Der Zeitpunkt, an dem sich Obama äußern sollte, ist der Jahrestag der Deportation der armenischen Intellektuellen aus Istanbul am 24. April.
Bei einer Pressekonferenz darauf angesprochen, ob er auch als Präsident von einem Völkermord an den Armeniern sprechen werde, meinte Obama, er habe seine Meinung nicht geändert, aber er wolle auch nicht die Gespräche Armenien–Türkei stören. Anschließend forderte er in seiner Rede im Parlament die Türkei auf, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. Das Parlament solle über die Ereignisse des Jahres 1915 diskutieren. Schließlich hätten sich auch die USA damit auseinandersetzen müssen, dass es bis Abraham Lincoln Sklaverei gegeben habe.
Obama erneuerte seine Unterstützung für den EU-Beitritt der Türkei, verlangte aber zugleich eine Fortführung der türkischen Reformen. Demokratie könne nicht stehen bleiben, sondern müsse immer weitergehen.
Aus dem Parlament in Ankara wandte sich Obama auch an das Nachbarland Iran und forderte die Islamische Republik auf, von ihrem Streben nach Atomwaffen abzulassen. Die iranische Führung habe die Wahl, sich für Frieden und Wohlstand für ihr Volk oder für neue Waffen zu entscheiden. Es war keine Drohung, aber auch mehr als eine höfliche Bitte.
Die Abgeordneten und einige Generale, die man erst in letzter Minute geladen hatte, blickten die meiste Zeit ernst, fast finster vor sich hin. Beifall für Obama kam erst auf, als er die Angriffe der PKK auf die Türkei verurteilte. Noch größer war der Applaus, als Obama sagte, dass er aus einer muslimischen Familie stamme. »Lasst mich das so klar wie nur möglich sagen, die USA sind nicht in einem Krieg mit dem Islam und werden es nie sein«, erklärte Obama.
Am Abend reiste Obama nach Istanbul, wo er am zweiten Forum für ein Bündnis der Zivilisationen teilnehmen wird. Das Forum unter der Schirmherrschaft der UNO hatte bereits am Montag begonnen. Zu den prominenten Teilnehmen gehörte am ersten Tag auch der gegen starke türkische Bedenken zum neuen Generalsekretär der NATO erkorene Däne Anders Fogh Rasmussen. Bei einem kurzen Zusammentreffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan wirkten sowohl Rasmussen als auch Erdogan entspannt. Rasmussen, der unter anderem wegen der in Dänemark veröffentlichten Mohammed-Karikaturen von Erdogan zunächst abgelehnt worden war, soll versprochen haben, als NATO-Generalsekretär auf die religiöse Empfindlichkeit der Muslime zu achten.
* Aus: Neues Deutschland, 7. April 2009
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