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Obama will Neustart in Türkei-Politik

USA-Präsident plant Besuch in Ankara

Von Jan Keetman, Istanbul *

Die heftigen Schelte des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan gegen Israel während des Weltwirtschaftsforums in Davos haben zwar in den USA für Befremden gesorgt, die Beziehungen aber nicht dauerhaft belastet. Dass Barack Obama im April die Türkei besuchen will, kann als Zeichen dafür gesehen werden, dass die neue USA-Regierung die Beziehungen zu Ankara für sehr wichtig hält.

Beobachter erwarten nicht, dass es bei Obamas Besuch in der Türkei in erster Linie um eine Geste gegenüber der islamischen Welt geht, doch eine Rolle mag auch dies spielen. Andererseits ist man in Washington sehr darauf bedacht, nicht die Außenpolitik von George W. Bush fortzusetzen. Die Türkei wird nicht mehr als Muster für einen »gemäßigten Islam« gepriesen. Außenministerin Hillary Clinton vermied bei ihrem Besuch in Ankara am vergangenen Sonnabend diesen Begriff.

Die Bedeutung der Türkei für die USA hat viel mit Geografie zu tun. Die Mehrzahl der außenpolitischen Brennpunkte Washingtons - vom Kaukasus über Iran, Afghanistan, Irak bis zu Israel und Palästina - liegen rund um die Türkei. Außerdem hat es die türkische Führung verstanden, in den letzten Jahren eine recht konstruktive Außenpolitik in diesem Raum zu spielen. Zu nennen wären insbesondere ihre Vermittlungsbemühungen zwischen Israel und Syrien und zwischen Aserbaidshan und Armenien. Zwar hat nichts davon bis heute Früchte getragen, doch wenigstens herrscht Bewegung.

Das Verhältnis der Türkei zu Israel verbessert man ohnehin nicht, indem man Ankara abstraft. Hillary Clinton ließ es bei ihrem Besuch mit einer kurzen Ermahnung bewenden. Schließlich ist auch Israel bemüht, die Schäden von Davos zu reparieren. Zudem waren die verbalen Attacken Erdogans zwar heftig, doch nicht zuletzt für das heimische Publikum im Kommunalwahlkampf bestimmt. Praktische Konsequenzen, etwa bei der militärischen Zusammenarbeit und in den Wirtschaftsbeziehungen, hatte dies jedoch nicht. Der Experte für türkische Außenpolitik Cengiz Candar meint gar, die Kritik an Israel habe die Beziehungen der Türkei zu den USA verbessert. Dies sei Wasser auf die Mühlen jener amerikanischen Kreise gewesen, die Israel nicht bedingungslos unterstützen wollten.

Indes gibt es ein anderes Problem zwischen Ankara und der Regierung Obama. Im Washingtoner Kongress steht wieder eine Resolution zur Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern im Ersten Weltkrieg an. Die Türkei will, dass Obama sich gegen die Resolution stellt. Damit würde der Präsident aber ein Wahlkampfversprechen brechen. Von Hillary Clinton war auch keine Zusage in dieser Richtung zu erhalten. Andererseits hält sich die Türkei mit Zusagen in Bezug auf Afghanistan zurück. Insbesondere will Ankara keine Kampftruppen an den Hindukusch entsenden. Allerdings hat der türkische Außenminister Ali Babacan zugesagt, die Türkei werde den Rückzug von USA-Truppen aus Irak über ihr Territorium sicherlich erlauben. Wie sicher diese Zusage auch in dem Fall ist, dass der Kongress den Völkermord an den Armeniern anerkennt, ist allerdings ungewiss.

* Aus: Neues Deutschland, 11. März 2009


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