Erdogan hofiert Ahmadinedschad
Der türkische Regierungschef will Beziehungen zu Iran vertiefen
Von Jan Keetman, Istanbul *
Die Türkei strebt zwar nach wie vor einen Beitritt in die Europäische Union an. Von einer engen
Zusammenarbeit mit Iran hält sie das freilich nicht ab.
Während zumindest die westliche Welt wegen der Atomkrise mit Iran den Atem anhält, reist Recep
Tayyip Erdogan für drei Tage nach Teheran und verkündet unter anderem den Plan zu einer Art von
Währungsunion mit dem islamischen Nachbarland. Erdogan hatte sich bei seinen Gastgebern in
Teheran mit neuerlicher heftiger Kritik an Israel und der Ausladung der Israelis von einem NATO-Manöver
in der Türkei gut eingeführt. Das Lob des iranischen Präsidenten Mahmud
Ahmadinedschad war ihm gewiss. Erdogan tat ein Übriges und pries das iranische Atomprogramm
als friedlichen und humanen Zwecken dienend. In einem Interview mit dem britischen »Guardian«
vor seiner Abreise nach Pakistan und Iran tat Erdogan die Befürchtungen des Westens, das
iranische Atomprogramm diene dem Bau einer Bombe, als »Gerede« ab.
Erdogan mag eine besondere Sympathie für Mahmud Ahmadinedschad empfinden. Die
Lebenswege beider Politiker haben einige gemeinsame Punkte. Beide stammen aus relativ
einfachen Verhältnissen. Erdogan ist zwar kein religiöser Eiferer vom Schlage Ahmadinedschads,
aber immerhin der Absolvent einer Predigerschule, der in islamistischen Parteien Karriere gemacht
hat. Ahmadinedschad ist im Westen ein rotes Tuch, genauso wie Erdogan bei den Kemalisten im
eigenen Land. Beide Politiker treten als Anwalt des kleinen Mannes und konservativ-religiöser Werte
auf. Kommt als letzter Punkt hinzu, dass beide Politiker ein Problem mit Israel haben, auch wenn
Erdogan weit davon entfernt ist, die Existenz Israels in Frage zu stellen. Die Kritik an Israel scheint
für Erdogan den Kampf für das Kopftuch als Markenzeichen für seine Wähler abgelöst zu haben. Außenpolitische Rendite in einer Reihe von Nachbarländern wirft der Streit mit Israel außerdem ab.
Indessen dürfte Erdogans Reise nach Teheran auch stark von ökonomischen Motiven geleitet
gewesen sein. Obwohl Erdogan wirtschaftliche Probleme öffentlich abstreitet, kann es auch ihm
nicht verborgen geblieben sein, dass die Wirtschaftskrise sein Land besonders hart getroffen hat.
Wie sein einstiger Ziehvater Necmettin Erbakan versuchte, die Krise in den 70er Jahren durch
engere Beziehungen zu Saudi-Arabien zu überwinden, so blickt auch Erdogan nun nach Osten. Das
Handelsvolumen mit Iran, das im Vorjahr erstmals 10 Milliarden Dollar erreichte, in diesem Jahr aber
weit bescheidener ausfallen wird, soll in zwei Jahren auf 20 Milliarden steigen. Ahmadinedschad hat
Erdogan dabei sogar noch widersprochen: Es sollen 30 Milliarden werden.
Der Löwenanteil des Handels besteht aus türkischen Erdgasimporten. Die türkische TPAO soll nun
auch das iranische Erdgasfeld Pars Süd untersuchen und dann dort fördern. Vor zwei Jahren wurde
bereits ein Protokoll unterschrieben, doch seither ist bei der 4 Milliarden Dollar schweren Investition
nichts geschehen. Der Grund hierfür ist wohl Druck aus den USA.
Ein anderes Vorhaben könnte ebenfalls auf Schwierigkeiten stoßen: die Senkung der Zollschranken
zwischen beiden Ländern. Hier ist der Spielraum der Türkei durch die Zollunion mit der EU
eingeschränkt. Keine politischen Schwierigkeiten gibt es bei dem Vorhaben, den Handel zwischen
beiden Staaten auf Türkische Lira und Iranische Rial abzustellen. Dasselbe praktiziert die Türkei
auch mit Russland und eine entsprechende Vereinbarung mit China ist geplant.
Der politische Schaden von Erdogans Reise nach Teheran liegt zunächst auf der Seite der USA und
Europas. Mitten in einer kritischen Verhandlungsphase mit Iran waren es diesmal weder Russland
noch China, sondern ein NATO-Staat und EU-Beitrittskandidat, der vorgeprescht ist und alles was in
seiner Macht stand, getan hat, um den politischen Druck auf Teheran zu mindern.
* Aus: Neues Deutschland, 29. Oktober 2009
Zurück zur Türkei-Seite
Zur Iran-Seite
Zurück zur Homepage