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Türkei setzt auf Iran

Gemeinsame Kraftwerke und Entwicklung eines Gasfeldes im Nachbarland: Energieproduktion ist Ankara wichtiger als die türkisch-amerikanische Freundschaft

Von Rainer Rupp *

Der türkische Ministerpräsident Recep Erdogan hat am Sonntag vor dem Zentralkomitee seiner Regierungspartei erklärt, Washington habe Ankara aufgefordert, das am letzten Donnerstag abgeschlossene iranisch-türkische Energiegeschäft zu annullieren. Erdogan unterstrich, daß er diese Forderung zurückgewiesen habe. Dies meldete die türkische Tageszeitung Aksham am Montag, wobei das Blatt hervorhob, daß die Türkei gutnachbarschaftliche Beziehungen zu Iran pflege, einem wichtigen Handelspartner.

Strom aus Verbund

Bei dem Energiegeschäft zwischen den beiden Nachbarländern handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt für den Bau von drei Heizkraftwerken die in einem grenzübergreifenden Stromverbund integriert werden sollen. Anläßlich der Unterzeichnungszeremonie, die trotz des massiven Drucks der USA zur Isolierung Irans vergangene Woche stattgefunden hatte, überging der türkische Energieminister Hilmi Güler ganz einfach die US-amerikanischen Einwände gegen die blühende Zusammenarbeit des NATO-Mitgliedes Türkei mit Iran. Statt dessen kündigte er für die kommenden Tage weitere Abkommen mit dem Nachbarland an. »Unsere gemeinsamen Bemühungen werden weitergehen«, unterstrich Güler bei der Pressekonferenz mit seinem iranischen Amtskollegen Parvis Fattah, der ebenfalls die zunehmende Stärkung der türkisch-iranischen Wirtschaftszusammenarbeit lobte. Als Seitenhieb gegen Washington sagte Fattah: «Unsere besseren Beziehungen mögen gewisse Kreise verärgern, aber die werden das akzeptieren müssen.«

Das jüngste Abkommen sieht sowohl den Bau der Heizkraftwerke vor – zwei im Iran, eins in der Türkei – als auch die Errichtung mehrerer Wasserkraftwerke im Iran mit einer Gesamtkapazität von 10000 Megawatt vor. Parallel dazu soll innerhalb eines Jahres das Hochspannungsnetz zwischen den beiden Ländern zu einem Verbundnetz ausgebaut werden, aus dem jedes Land soviel Strom nimmt, wie es gerade braucht, sagte Minister Güler weiter. Im Falle eines US-Angriffs auf Iran wäre bei dem danach zu erwartenden Stromausfall die Türkei direkt von der US-Aggression betroffen.

Statt die von Washington geforderte Verurteilung des »Schurkenstaates« Iran ernst zu nehmen, hat Ankara in letzter Zeit seine Beziehungen zu Teheran kräftig ausgebaut. So war bereits Ende Juli 2007 zwischen beiden Staaten ein Memorandum of Understanding (Absichtsabkommen) über iranische Gasexporte über die Türkei in die Europäische Union und von Turkmenistan über Iran in die Türkei unterzeichnet worden.

Sanktionen ignoriert

Im Rahmen dieses Abkommens hat Teheran den Türken das Recht eingeräumt, eigenständig drei Abschnitte des gigantischen iranischen South Pars Gasfeldes zu entwickeln. Nach Rußland besitzt Iran die weltgrößten Erdgasreserven. Dieses Vorhaben dürfte die Türken aber schon bald in Konflikt mit den US-amerikanischen Gesetzen bringen. Diese verbieten auch nicht-US-amerikanischen Unternehmen, mehr als 20 Millionen Dollar in die iranische Öl- und Gasindustrie zu investieren. Unternehmen, die diese einseitigen Sanktionen mißachten, droht als Strafe der Ausschluß von allen Geschäften und finanziellen Transaktionen jeglicher Art in den USA oder mit US-amerikanischen Firmen. Aber allein in das South-Pars-Feld will die Türkei an nächstem Jahr 3,5 Milliarden Dollar investieren.

Bereits Mitte September dieses Jahres hatte der Unterstaatssekretär im US-Außenministerium Nicholas Burns bei seinem Besuch in Ankara die Türkei aufgefordert, ihre Geschäftsbeziehungen mit Iran den politischen Zielen Washingtons zu opfern. Bereits damals hatte Ministerpräsident Erdogan klargemacht, daß das niemand von seinem Land verlangen könnte, denn die Türkei produziere 52 Prozent ihrer Elektrizität auf der Basis von Erdgas.

* Aus: junge Welt, 27. November 2007


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