Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Eskalierender Konflikt

PKK-Bilanz der Kämpfe zwischen Guerilla und türkischer Armee

Von Nick Brauns *

Eine blutige Bilanz der Kämpfe zwischen der türkischen Armee und kurdischen Guerillakämpfern im Monat Oktober hat das Hauptquartier der zur Arbeiterpartei Kurdistans PKK gehörenden Volksverteidigungskräfte HPG vorgelegt. Demnach fanden im Oktober 43 Gefechte statt, und es kam zu 40 Vergeltungsaktionen der Guerilla. Dabei starben nach Angaben der HPG 138 türkische Soldaten, Offiziere und Polizisten, während die Guerilla ihre eigenen Verluste auf lediglich sechs Menschen beziffert.

Die in den letzten Tagen von türkischen Medien verbreitete Meldung über Verluste der Guerilla in Tuncely (Dersim) ist von den HPG dementiert worden. Es sei zu heftigen Gefechten gekommen, aber es entspreche nicht der Wahrheit, daß dabei 15 Guerillakämpfer zu Tode gekommen seien.

Die Leichname von zwei HPG-Angehörigen, die bei den Gefechten am 21. und 22. Oktober in Hakkari-Oremar ums Leben gekommen sind, wurden nach Aussagen von Dorfbewohnern gegenüber der kurdischen Presseagentur ANF von Soldaten der türkischen Armee geschändet. »Die Soldaten haben die Leichname mit Krücken unter den Armen aufrecht gestellt, sie beschossen und mit Dreck beworfen ... Ein Soldat sagte, sie würden die Leichname verbrennen.«

Fast überall in den kurdischen Provinzen der Türkei finden momentan Militäroperationen und Gefechte statt. In den türkisch-irakischen Grenzgebieten Sirnak und Hakkari, aber auch in Tunceli, Diyarbakir, Bingöl und Erzurum hat die türkische Armee nach Angaben der kurdischen Guerilla Verluste erlitten.

Die Soldaten Ankaras haben in den letzten Tagen erneut Dörfer in der Umgebung von Zaxo und Amediye in der Föderalen Region Kurdistan im Nordirak beschossen. Über Tote oder Verletzte ist nichts bekannt, allerdings sei für die Bauern großer Sachschaden entstanden, weil ihre Felder und Viehherden getroffen worden seien. Ein Dorfbewohner erklärte gegenüber ANF, Ziel dieser Angriffe sei die Entvölkerung der Grenzsiedlungen: »Aber was auch immer die Türkei macht, wir werden unser Dorf nicht verlassen.«

* Aus: junge Welt, 2. November 2007

Friedensplan der PKK-Guerilla *

Kurdische Rebellen fordern von der Türkei Lösungsvorschläge zur Beendigung der militärischen Konfrontation. US-Außenministerin in Ankara erwartet Einen Tag vor der Irak-Konferenz in Istanbul hat die kurdische Guerilla Ankara zur Vorlage eines Friedensplans aufgefordert, der ein Ende des bewaffneten Kampfes ermöglichen soll. »Ich rufe die Türkei auf, den Mut zu haben, einen Friedensplan zur Lösung des Problems vorzulegen«, sagte Abdurrahman Cadirci, Sprecher der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) am Donnerstag im nordirakischen Kandil. Er forderte die Anerkennung der nationalen Rechte der Kurden sowie ihrer Kultur, Sprache und Meinungsfreiheit. Zudem gab Cadirci an, daß die PKK alle politischen und militärischen Maßnahmen ergriffen habe und sich auf einen möglichen Einmarsch der türkischen Armee vorbereite. Die Türkei werde sich auf internationaler Ebene isolieren, sollte sie den Nordirak angreifen. Ein Einsatz dort sei zudem dem Scheitern geweiht.

Ankara konterte den Vorschlag der Guerilla mit der Ankündigung, Sanktionen gegen die PKK und ihre Unterstützer zu verhängen. »Wir haben eine Liste mit Wirtschaftsmaßnahmen vorbereitet, die auf die finanziellen Mittel der terroristischen Organisation und ihrer Unterstützer zielen«, sagte Außenminister Ali Babacan. Einige der Maßnahmen seien bereits in Kraft. Genauere Angaben machte er nicht. Premierminister Recep Tayyip Erdogan wies allerdings Berichte des türkischen Nachrichtensenders NTV zurück, wonach die Regierung den Luftraum für Zivilflüge in den Nord­irak gesperrt haben soll. »Es gibt eine solche Entscheidung nicht«, zitierte die Nachrichtenagentur Anadolu den Ministerpräsidenten. Babacan sagte, es habe in der Vergangenheit »aus technischen Gründen« Beschränkungen gegeben; dies könne auch in Zukunft der Fall sein.

Über die zunehmenden Spannungen zwischen Ankara und Bagdad will auch US-Außenministerin Condoleezza Rice am heutigen Freitag mit der türkischen Regierung sprechen. Am kommenden Montag trifft Erdogan dann in Washington US-Präsident George W. Bush. »Unsere Kontakte mit den USA werden über die nächsten Schritte der Türkei entscheiden«, sagte Babacan im Vorfeld des Treffens. Rice will am Freitag abend und Samstag auch an der Irak-Konferenz in Istanbul teilnehmen. Bei dem Treffen wollen die Außenminister der Nachbarstaaten des Irak sowie der G-8-Länder und der fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat über die »Stabilität des Irak« sprechen. (AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 2. November 2007




Zurück zur Türkei-Seite

Zur Irak-Seite

Zurück zur Homepage