Neues Denken ist angesagt
von Andreas Buro *
Die Lage im türkisch-kurdischen Konflikt ist widersprüchlich und
verwirrend. Da erklärt der Präsident der Türkei Abdullah Gül, es
sei die vordringlichste Aufgabe der Türkei, diesen Konflikt zu
lösen. Die Regierungspartei AKP, der auch der Präsident
angehört, läßt nach den Kommunalwalen 2009 hunderte
kurdischer Persönlichkeiten, die gewählt wurden oder einer
legalen kurdischen Partei angehören, verhaften und stellt sie in
Massenprozessen vor Gericht. Selbst Mitglieder von
Friedensgruppen, von der PKK entsandt, werden verhaftet,
während andere sich wieder in die „Berge“ zurückziehen
müssen. Jüngst hört man von Abdullah Öcalan, Vertreter der
Regierung führten mit ihm auf Imrali Gespräche, die
möglicherweise schon fast in Verhandlungen über gingen. Am
31. Oktober 2010 verübten vermutlich die kurdischen
‚Freiheitsfalken‘ (FR 5.11.2010) in Istanbul ein
Selbstmordattentat, bei dem 32 Menschen verletzt wurden. Etwa
zur gleichen Zeit fordern europäische Juristen die Streichung der
PKK von der EU-Terrorliste.
Ich versuche das Knäuel zu entwirren. Die Aussage von
Präsident Gül ist wohl sehr ernst zu nehmen. Die Gespräche in
Imrali unterstreichen das. Aber Priorität hat bei allen Parteien die
Sicherung der Macht. Das ist der AKP bei den Kommunalwahlen
schlecht gelungen. Sie hat daraufhin den großen und bis heute
nicht korrigierten Fehler gemacht, auf die kurdischen Eliten
einzuschlagen, die eigentlich ihre Partner bei der Lösung des
Konflikts sein müßten. Dieses Verhalten hat selbstverständlich
auf der kurdischen Seite große Empörung ausgelöst und die
Tendenz bei Splittergruppen verstärkt, durch Terrorakte Rache
zu nehmen. Das ist eine große Gefahr für die kurdische Seite,
weil dadurch angesichts der bestehenden Medienlandschaft ihre
Glaubwürdigkeit, eine friedliche Lösung anzustreben, in Frage
gestellt wird. Die europäischen Juristen aber auch
Friedensorganisationen werden es deshalb sehr schwer haben,
ihr Anliegen, die PKK von der EU-Terrorliste zu streichen,
wirkungsvoll zu vertreten. Ohne diese Streichung werden sich
die EU-Staaten und vermutlich auch die USA nicht wirklich für
eine friedliche, politische Lösung des Konflikts einsetzen.
Was ist in dieser verfahrenen Situation zu lernen? Wenn es auch
AKP und PKK schwer fallen wird, sie müssen begreifen, dass sie
Partner bei der Lösung dieses Konflikts sind. Denn die
Fortführung des militärischen Kampfes ist in jeder Hinsicht nicht
nur aussichtslos, sondern auch konterproduktiv. Sie können also
den Konflikt nicht gegeneinander sondern nur miteinander lösen.
Welche anderen politischen Kräfte in der Türkei könnten denn an
die Stelle der AKP treten? Die Generäle? Die kemalistische
Partei CHP? Oder gar die rechte MHP? Ich sehe keinen anderen
Partner für die Kurden als die AKP. Wenn also AKP und PKK de
facto politische Partner bei der Lösung dieser Frage sind – was
beide vermutlich in der Öffentlichkeit vehement dementieren
würden – so müssen sie überlegen, welche legitimen Interessen
der jeweils andere hat, die zu berücksichtigen sind. Meiner
Einschätzung nach ist dies bei der AKP zu allererst die
Sicherung der Macht bei den Wahlen im kommenden Jahr. Die
AKP wird voraussichtlich von der CHP unter ihrer neuer Führung
sehr bedrängt werden. Die AKP hat nach wie vor die Generäle
und große Teile der Justiz gegen sich. Auch ist es für die
kurdische Seite völlig legitim, sich konsequent um Stimmen für
ihre eigene Partei zu bemühen, die dann der AKP fehlen werden.
Das war bereits bei den Kommunalwahlen der Fall. Ist es nicht
dann für beide Seiten vernünftig, schon heute eine Art
potentieller Koalition für die Zeit nach der Wahl zu vereinbaren?
Zu verabreden wären die Ziele, die gemeinsam verfolgt werden
sollten. Dazu gehören selbstverständlich die Schritte zur Lösung
der kurdischen Frage im kulturellen Bereich. Vermutlich könnte
auch die Förderung des „anatolischen Projekts“, die
wirtschaftliche, infrastrukturelle und soziale Entwicklung im Osten
und Südosten, dazu gehören, was sowohl den Kurden wie auch
der AKP nützen würde. In das Paket müßte ohne Zweifel auch
eine Amnestie für alle Verbrechen der Vergangenheit und
politischen Verurteilungen, wie ein endgültiges Ende des
kurdischen Guerilla-Kampfes und der Angriffe des türkischen
Militärs und der Sondermilizen gepackt werden. Wäre es nicht
auch klug von Seiten der AKP, die 10% Wahlhürde auf 5% zu
senken, was die kurdische legale politische Vertretung
stabilisierte? Vielleicht wird über solche Fragen in Imrali bereits
gesprochen.
An dieser Stelle breche ich ab, weitere Vorschläge für das Paket
vorzutragen. Doch etwas anderes ist noch von größter
Wichtigkeit. Beide Seiten müssen sich aktiv darum bemühen, die
gegenseitigen Feindbilder abzubauen. Die giftige Polemik hat
sich tief in das Bewusstsein der Gefolgsleute auf beiden Seiten
eingegraben. Die Schuld wird nur jeweils auf der anderen Seite
gesehen, statt selbstkritisch das eigene Verhalten zu überprüfen.
Das ist keine Aufforderung zur Nestbeschmutzung, sondern dient
der Überprüfung der eigenen Politik in Hinblick auf die Förderung
einer friedlichen Lösung. Hier und da ist ein Verständnis für die
schwierigen Probleme der jeweils anderen Seite zu entwickeln.
Wäre es nicht sinnvoll auch anzuerkennen, was die andere Seite
geleistet hat, auch wenn man sich mehr wünscht? Das wird den
jeweiligen Repräsentanten schwer fallen. Wäre es nicht eine
wichtige Aufgabe der Zivilgesellschaft solches neue Bewusstsein
zu entfalten und damit die Voraussetzungen für eine Politik der
Aussöhnung und Durchsetzung einer friedlichen, politischen
Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts zu schaffen?
* Aus: Nützliche Nachrichten, 10/2010
Ereignis-Kalender
Öcalan: Dialogphase entwickelt sich zur Verhandlungsphase
Die Co-Vorsitzende des Demokratischen
Gesellschaftskongresses DTK, Aysel Tugluk, erklärte nach ihrem
Besuch auf Imrali bei Abdullah Öcalan am 1. November, dass die
Gespräche zwischen Öcalan und dem Staat fortgeführt werden.
Öcalan habe bei dem Gespräch erklärt, dass sich die
Dialogphase in eine Verhandlungsphase entwickele.
Tugluk erklärte zu ihrem Gespräch: „Die Staatsbediensteten
hatten ein wichtiges und ernst zu nehmendes Gespräch mit
Öcalan. Man sei von einer Dialogphase in eine Art
Verhandlungsphase übergegangen.“ Demzufolge sei der Staat
an einer friedlichen Lösung interessiert. Die Politik jedoch stelle
ein Hindernis hierfür dar. Die Parteien AKP, CHP und MHP
werden ihrer Verantwortung für eine friedliche Phase nicht
gerecht, so Öcalan. Die politischen Parteien seien hinter
kurzfristigen Zielen her und vertreten nur ihre eigenen
Interessen, was der Türkei großen Schaden zufüge. Öcalan
machte nochmals deutlich, dass sein Lösungsmodell keinerlei
eigenen Staat vorsehe.
Zu dem Anschlag am 31. Oktober auf dem Taksim-Platz in
Istanbul erneuerte Öcalan seinen Vorschlag, eine
Wahrheitsfindungskommission ins Leben zu rufen. Dies sei
Aufgabe des Parlaments. Öcalan erklärte, dass man den
Anschlag auf dem Taksim-Platz im Kontext mit der
Mienenanschlag auf die Zivilbevölkerung in Colemêrg (Hakkari)
und der Tötung der neun Guerilleros ebenfalls in Colemêrg
(Hakkari) betrachten müsse. Es sei lebensnotwendig, die
Drahtzieher dieser Angriffe ausfindig zu machen. In diesem
Sinne müsse eine Wahrheitsfindungskommission unmittelbar ins
Leben gerufen werden.
(ANF, APA und AFP, 1.11.10, ISKU)
PKK verlängert Waffenruhe bis zum Sommer 2011
Die Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) hat ihre Waffenruhe in der
Türkei bis zu den Parlamentswahlen im Juni kommenden Jahres
verlängert. Das meldete die pro-kurdische Nachrichtenagentur
ANF am 1- November. Seit Mitte August seien bei rund 80
Militäroperationen gegen die PKK-Guerilla 29 Kämpfer getötet
worden, teilte die PKK in einer Bilanz des Waffenstillstands mit.
Zudem seien 125mal Ziele in Kurdistan/Irak beschossen und fast
900 kurdische Aktivisten in der Türkei festgenommen worden.
(ANF, AFP und Der Stern 1. 11.10; junge Welt, 2.11.10)
Roj-TV siegt vor Gericht - Beschlagnahmung illegal
Ein Kopenhagener Gericht hat die Beschlagnahme von Geldern
des kurdischen Exil-Senders Roj TV für unzulässig erklärt.
Die dänische Polizei hatte 327.000 Kronen (44.000 Euro) auf
verschiedenen Konten gesperrt, nachdem die Staatsanwaltschaft
in Kopenhagen Anklage gegen die über Europa sendende
Station wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten erhoben
hatte.
Die türkische Regierung verlangt seit mehreren Jahren von
Dänemark, Roj TV die Sendeerlaubnis zu entziehen. Dabei geht
es vor allem um den Vorwurf, der Sender sei ein verlängerter
Arm der von der EU als terroristisch eingestuften kurdischen
Organisation PKK.
Die Polizei begründete die Beschlagnahme der Gelder damit,
dass damit die Begleichung von Verfahrenskosten und
möglichen Bußgeldern gesichert werden solle. Roj TV klagte und
machte erfolgreich geltend, dass in Wirklichkeit der
Betriebsfähigkeit des Senders noch vor gerichtlichen
Entscheidungen eingeschränkt worden sei. Die
Staatsanwaltschaft legte Berufung ein.
Roj TV hat sein Programm auch nach der Anklageerhebung in
Kopenhagen unverändert weiter ausgestrahlt. Während der
Gerichtsverhandlung demonstrierten Kurden auf dem
Kopenhagener Rathausplatz für den Sender. Der Sender
verbreitet seine Programme seit 2004 mit einer dänischen Lizenz
weltweit und gilt als wichtige Informationsquelle für Millionen
Kurden.
In Deutschland hatte das Leipziger Bundesverwaltungsgericht
Anfang des Jahres den Streit um ein Sendeverbot durch den
damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble an den
Europäischen Gerichtshof verwiesen.
(satundkabel.de, 19.10.10)
Massenprozess gegen kurdische Politiker
Am 18. Oktober 2010 begann in Amed/Diyarbakir ein
Strafprozess gegen 152 kurdische Politiker, denen Verbindungen
zur Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans, KCK (Koma
Civakên Kurdistan), sprich PKK vorgeworfen werden. Zu den
Angeklagten zählen 12 gewählte Bürgermeister, unter ihnen
auch der in der kurdischen Bevölkerung populäre
Oberbürgermeister von Diyarbakir, Osman Baydemir. Nach den
für die kurdischen Parteien siegreich ausgegangenen
Lokalwahlen im Frühjahr 2009 wurden bis heute insgesamt mehr
als 1.800 kurdische Politiker und Aktivisten festgenommen.
Neben Baydemir sind elf weitere Bürgermeister,
Vorstandsmitglieder der mittlerweile verbotenen Partei für eine
demokratische Gesellschaft (DTP), der Vorsitzende des
Menschenrechtsvereins von Diyarbakir, Muharrem Erbey,
Aktivistinnen der Frauenbewegung, Journalisten, Anwälte und
Gewerkschafter angeklagt. Sie sollen mit ihren legalen
kommunalpolitischen und Menschenrechtsaktivitäten die
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterstützt haben. Im Falle einer
Verurteilung drohen den Angeklagten, von denen viele bereits
seit 18 Monaten im Gefängnis sitzen, Haftstrafen zwischen 15
Jahren und lebenslänglich. Vertreten werden sie von rund 300
Rechtsanwälten, Dutzende im Gerichtssaal aufmarschierte
bewaffnete Militärpolizisten wecken Erinnerungen an die
Massenprozesse gegen kurdische und linke Oppositionelle, die
nach dem Militärputsch von 1980 am selben Ort stattgefunden
hatten.
Vor dem Gerichtsgebäude versammeln sich täglich Tausende
KurdInnen. Trotz eines Großaufgebots der mit Wasserwerfern
und Räumpanzern aufgefahrenen Polizei wurden
Straßenschilder mit PKK-Symbolen überklebt, Jugendliche
sangen Guerillalieder. »Wenn die Europäer nicht hier wären,
würde die Polizei schießen«, meinte ein Verkäufer dazu. Über
100 Parlamentarier und Menschenrechtsaktivisten aus dem
Ausland, unter anderem von der deutschen Linkspartei, waren
als Beobachter zum Prozeßauftakt angereist.
»Die Angeklagten repräsentieren das Volk«, erklärte der
ehemalige Parlamentsabgeordnete Hatip Dicle in einer kurzen
Prozeßerklärung am 18. Oktober. Im Mittelpunkt dieses
Verfahrens stehe die kurdische Frage: »Zu einem Zeitpunkt, an
dem über eine Niederlegung der Waffen [der PKK] diskutiert und
intensiv nach einer demokratischen Lösung dieses Problems
gesucht wird, dürfte ein solcher Prozeß nie stattfinden.« In
diesem Zusammenhang kündigte er auch an, daß sich die
Angeklagten gemeinsam in kurdischer Sprache verteidigen
würden. Dieses Ansinnen wies die Kammer jedoch zurück. »Der
soziale und Bildungsstand der Angeklagten zeigt, daß sie
Türkisch beherrschen«, begründete das Gericht diese
Entscheidung. Die Angeklagten gaben ihre Personalien dennoch
in kurdischer Sprache an. Dabei wurden sie bereits nach den
ersten zwei Worten »navê/namê min« – »ich heiße« –
unterbrochen, und der Richter verlass die Daten anschließend in
türkischer Sprache.
Während Übersetzer in den Augen des Gerichts die
Verhandlungsdauer unnötig verlängern würden, soll der Prozeß
mit der Verlesung der 7578 Seiten umfassenden Anklageschrift
fortgesetzt werden. Vorgesehen sind vorerst 20
Verhandlungstage bis zum 12. November. Deshalb wünscht sich
die Vorbereitungsgruppe für die Delegationsreise nach Amed,
dass weiterhin Delegationen dorthin reisen und ihre Solidarität
mit den politischen Gefangenen zeigen.
Wer an einer möglichen Delegationsreise teilnehmen möchte,
kann sich unter der folgenden e-mail Adresse an die
Vorbereitungsgruppe wenden: soli.delegation@googlemail.com
(NZZ Online und Kurier, 18.10.10; Der Standard, Kurier und
Neues Deutschland, 19.10.10; junge Welt, 20.10.10)
Repressive Praktiken des türkischen Staates an der Tagesordnung
„Zwischen dem 21. Und 23. Oktober besuchte unsere Delegation
die Provinz Hakkari. Hier hielten wir uns in den Städten
Semzinan (Semdinli), Gever (Yüksekova) und Colemerg
(Hakkari) auf. Während die türkische Regierung der AKP von
einer Neuauflage einer „demokratischen Öffnung“ spricht und
von ihrem Interesse an einer friedlichen Lösung der kurdischen
Frage, zeigen die Zeichen nicht nur in der Provinz Hakkari auf
Eskalation.
Nachdem in der Provinz Hakkari der durch die kurdische
Bewegung ausgerufene Boykott des
Verfassungsänderungsreferendums mit sehr großem Erfolg von
oft über 90% bestritten worden war, verschärfte sich die Gangart
der AKP Administration gegen diese Region. Sie wurde u.a. vom
Ministerpräsidenten offiziell als feindliches Gebiet bezeichnet,
das „befreit“ werden müsse. Die Region erlebt eine
Militarisierung neuer Dimension und auch die schmutzigen
Praktiken des Terrors parastaatlicher und staatlicher Kräfte sind
an der Tagesordnung. Der türkische Staat nutzt die Waffenruhe
der kurdischen Guerilla aus, um den Versuch zu unternehmen
die kurdische Freiheitsbewegung zu vernichten. Entlang der
Grenze werden 141 neue Militärstützpunkte errichtet. Große
Soldatenkontingente werden zu den, sich vor Einbruch des
Winters weiter verschärfenden, Militäroperation hinzugezogen.
Die Anzahl der Kontrollpunkte, sowie des schikanösen Handelns
der Soldaten gegenüber der Bevölkerung haben ebenso
zugenommen wie oft tödliche Übergriffe durch Sicherheitskräfte.
Besonders hoch ist hier die Anzahl der inhaftierten und
gefolterten Kinder und Jugendlichen. So soll ein Klima der
Einschüchterung über die Region verhängt und die Menschen
dazu gezwungen werden, das Gebiet zu verlassen oder sich
bedingungslos unterzuordnen. Allein die Stadt Colemerg
(Hakkari) verließen in den letzten 2 Monaten mehr als 87
Familien aufgrund dieser Lage. (...)
Als Fazit müssen wir leider Feststellen, dass das Vorgehen
staatlicher türkischer Kräfte in der Provinz Hakkari zeigt, dass die
türkische Regierung entgegen anderer Bekundungen kein
Interesse an einem Frieden hat. Im Gegenteil, wie dargestellt,
werden sowohl Methoden des offenen Krieges als auch
schmutzige Praxen der 90er Jahre wie Bombenanschläge auf
ZivilistInnen und Parteibüros und militärische Angriffe auf die
Zivilbevölkerung mit systematischer Regelmäßigkeit
durchgeführt. Die Defensivposition der Guerilla soll ausgenutzt
werden, um möglichst viele KämpferInnen mit allen Mitteln zu
töten. Durch die Anwendung sog. Geheimhaltungsverfügungen,
verschärft sich das Klima der Rechtlosigkeit. Weder der Grund
des Verfahrens oder Inhaftierung, noch die Dauer sind den
Opfern dieser Praxis bekannt. Damit beugt die türkische Justiz
das Recht massiv und macht sich zum Werkzeug von
Einschüchterung und Unterdrückung.
Die Herstellung internationaler Öffentlichkeit wird in der
gesamten Provinz Hakkari mit Sanktionen von Repression bis
hin zu lebensbedrohenden Vorgehensweisen quittiert. Das ist
nicht hinnehmbar. Wir fordern die unmittelbare Freilassung der
Gefangenen, insbesondere von Bülent Armut und der
engagierten Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Hamdiye
Ciftci!“
(Menschenrechtsdelegation aus Hamburg, Berlin und Celle, ISKU, 25.10.10)
Anschlag in Istanbul mit 32 Verletzten
Die Führung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat am 1.
November erklärt, sie habe nichts mit der Gewalttat zu tun, bei
der am 31. Oktober 32 Personen Menschen verletzt worden
waren. Weder die Führung noch eine Unterorganisation der PKK
seien am Anschlag beteiligt gewesen, erklärte die PKK laut der
pro-kurdischen Nachrichtenagentur ANF. Bei dem Anschlag war
der Selbstmordattentäter getötet worden, 15 Polizisten und 17
Zivilisten wurden verletzt. Die PKK verwies erneut darauf, dass
sie Zivilisten schonen wolle. Zu dem Anschlag bekannte sich
zunächst niemand. Nach Meldung der FR vom 5. November
haben sich inzwischen die ‚Freiheitsfalken Kurdistan (TAK)‘ auf
ihrer Web-Seite zu dem Anschlag bekannt.
Der türkische Innenminister Besir Atalay sagte, die Behörden
wollten sich noch mit Aussagen über mögliche Hintermänner des
Anschlags zurückhalten. Ministerpräsident Recep Tayyip
Erdogan jedoch deutete in mehreren Äusserungen an, dass er
die PKK für die Bluttat verantwortlich mache.
Einen Tag nach dem Selbstmordanschlag von Istanbul hat der
türkische Ministerpräsident Erdogan europäischen Staaten
vorgeworfen, den gegen die Türkei gerichteten Terror zu
unterstützen. «Wir werden nicht vergessen, dass wir allein
gelassen wurden,» sagte Erdogan am 1.November in einer Rede
in Istanbul.
Erdogan verwies darauf, dass Gliederungen der Arbeiterpartei
Kurdistans in europäischen Ländern unter dem Deckmantel von
Stiftungen oder Medien aktiv seien. Trotz aller Warnungen und
Forderungen der Türkei unterstützten einige europäische Länder
den Terror «direkt oder indirekt», sagte Erdogan.
Namen solcher Länder nannte er nicht, aber er dürfte unter
anderem Deutschland und Dänemark gemeint haben. Einige
PKK-nahe Medien haben ihren Sitz in Deutschland, während der
Satellitensender Roj-TV von Dänemark aus sendet.
Nach dem Selbstmordanschlag von Istanbul mit 32 Verletzten
haben die Sicherheitsbehörden bei der Suche nach den
Hintermännern der Gewalttat offenbar noch keine konkrete Spur.
(NZZ Online, ANF, Die Presse und Der Standard, 1.11.10)
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