Grenze zu Armenien bleibt geschlossen
Türkische Regierung sieht sich in der Klemme
Von Jan Keetman, Istanbul *
Als USA-Präsident Barack Obama Anfang April die Türkei besuchte, sah es so aus, als stünde die
von Obama erneut und von der EU seit Langem geforderte Aufhebung des seit 1993 bestehenden
türkischen Embargos gegen Armenien unmittelbar bevor. Doch die Erwartung erfüllte sich nicht.
Für die Hoffnung gab es einen konkreten Grund: Der 24. April ist in den USA ein Tag des
Gedenkens an die Verfolgung der Armenier im Osmanischen Reich, insbesondere während des
Ersten Weltkrieges. Barack Obama könnte an diesem Tage allgemein von den Leiden der Armenier
sprechen, er könnte aber auch das Wort »Völkermord« in den Mund nehmen. Das hatte er im
Wahlkampf versprochen. Inzwischen ist jedoch ziemlich sicher, dass der Präsident das in der Türkei
gefürchtete Wort nicht aussprechen wird – mit Rücksicht auf die Beziehungen zu Ankara.
Als eine Art Gegenleistung konnte man erwarten, dass die Türkei die Grenze zu Armenien öffnet. In
der US-amerikanischen Presse wurde sogar schon ein Datum für diesen Akt genannt: der 16. April.
Das war vorgestern – doch nichts geschah.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte schon wenige Tage nach Obamas
Abreise klar gemacht, dass ein derartiger Schritt nicht in Frage komme, solange der armenisch-aserbaidshanische
Konflikt um Bergkarabach nicht gelöst ist. Sein Außenminister Ali Babacan flog
darauf in die armenische Hauptstadt Jerewan, allerdings nicht wegen zweiseitiger Angelegenheiten,
sondern weil dort ein Außenministertreffen der Staaten der Schwarzmeerregion stattfand. Babacan
kleidete die türkische Haltung dort in die Formel, seine Regierung strebe eine umfassende Lösung
an, bei der jede Seite gewinnen werde. Mit anderen Worten: Vorher kein Schritt! Gefragt, worin denn
die großen Fortschritte bestünden, von denen das türkische Außenministerium immer spricht,
entgegnete Babacan nur: »Kein Kommentar.«
Viele Beobachter sind der Auffassung, irgendein Kaninchen müsse die Türkei vor dem 24. April noch
aus dem Hut zaubern, nachdem die Erwartungen des Publikums derart gereizt wurden. Eröffnet sie
vielleicht eine Botschaft in Jerewan?
Ob die Regierung Erdogan eine rasche Öffnung der türkisch-armenischen Grenze je erwogen hat,
steht dahin. Festgelegt hat sie sich zu keiner Zeit. Nicht zuletzt weil sie sich unter dem Druck zweier
Seiten sieht: Im eigenen Land wird die Regierung bereits heftig attackiert. Die Opposition wirft ihr
vor, eilfertig den Wünschen der USA und der EU nachzukommen. Und von außen macht
Aserbaidshan Druck.
Das öl- und gasreiche Land ist für Wirtschaft und Politik der Türkei ein Sprungbrett nach
Zentralasien. Seit Aserbaidshan Anfang der 90er Jahre den Krieg um die armenisch besiedelte
Enklave Bergkarabach verlor, sind 14 Prozent des aserbaidshanischen Staatsgebiets von Armeniern
besetzt. Zwar hat sich Aserbaidshan dank seiner Öleinnahmen für eine Rückeroberung gerüstet,
doch die militärische »Lösung« birgt viele Risiken. Das stärkste Druckmittel gegen Armenien ist
daher die türkische Blockade. Höbe die Türkei diese Blockade einseitig auf, verspielte sie sich die
Freundschaft der Aserbaidshaner und müsste einen hohen Preis bezahlen – außen- und
innenpolitisch. Unmut in Washington und Brüssel ist dagegen leichter zu ertragen.
* Aus: Neues Deutschland, 18. April 2009
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