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EU-Einsatzgebiet unter Beschuß

Tschad: Friedensabkommen mit schweren Kämpfen zwischen Rebellen und Armee gebrochen

Von Raoul Wilsterer *

Das Friedensabkommen zwischen der Regierung des Tschad und vier Rebellengruppen hielt nur einen Monat. Nach Meldungen des britischen Rundfunksenders BBC von Dienstag kam es am Montag (25. Nov.) im Osten des zentralafrikanischen Landes grenznah zur westsudanesischen Krisenregion Darfur zu stundenlangen Gefechten zwischen Armee und Aufständischen der UFDD (Vereinte Kräfte für Demokratie und Entwicklung). Beide Seiten hatten sich am 25. Oktober während der Darfur-Verhandlungen in der libyschen Hafenstadt Sirte zur Waffenruhe verpflichtet. Und der von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich gestützte Präsident Idriss Déby hatte vollmundig erklärt: »Ich hoffe, daß dies der letzte Schritt des Friedensprozesses im Tschad ist, und ich garantiere, daß sich alle Vertragsparteien an das Abkommen halten werden.«

Die aktuelle Lage stellte sich widersprüchlich dar. Am Dienstag (26. Nov.) behauptete die tschadische Armeeführung, Hunderte Rebellen getötet und mehr als 50 ihrer Fahrzeuge erbeutet zu haben. Der Generalsekretär der UFDD, Abakar Tollimi, widersprach den Angaben. Seine bewaffneten Kräfte hätten 17 Kämpfer verloren, während etwa 200 Regierungssoldaten gefallen seien. Darunter seien mit Divisionsgeneral Dirmi Haroun und Oberst Guende Abramane auch zwei hohe Offiziere. Die Armee hätte zuerst angegriffen, so Tollimi. Der französische Rundfunksender RFI berichtete, in der Provinzhauptstadt Abéché sei in einer französischen Militärbasis ein Lazarett eingerichtet worden, in dem Dutzende schwer verwundete Soldaten behandelt würden.

Das jetzige Kampfgebiet soll mit Billigung des UN-Sicherheitsrats in den kommenden Wochen zur Einsatzregion einer EU-Truppe unter französischem Kommando werden. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben dort etwa 236000 Menschen aus Darfur sowie 173000 Bürger aus anderen Gegenden des Tschad Zuflucht gesucht. Offiziell besteht die Aufgabe der 3500 Soldaten darin, für den Schutz von Flüchtlingslagern zu sorgen. Allerdings würde der militärische Einsatz in dem rohstoffreichen Wüstengebiet die Möglichkeiten der Beteiligten erweitern, insbesondere ihren politschen Einfluß auf das geostrategisch wie wirtschaftlich bedeutende Länderdreieck Sudan-Tschad-Zentralafrikanische Republik zu erweitern und auf Dauer zu sichern.

* Aus: junge Welt, 28. November 2007


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