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Für Idriss Déby wird es enger

Oppositionsbewegungen in Tschad wollen Zersplitterung überwinden

Von Anton Holberg *

Kämpfe zwischen arabischen und nichtarabischen Volksgruppen, die bereits 220 Tote forderten, richten wieder die Aufmerksamkeit auf Tschad. Doch auch die Auseinandersetzungen zwischen Opposition und Regierung verschärfen sich. Für Präsident Idriss Déby wird es enger.

Débys Regime war im April nur knapp und nicht zuletzt dank französischer militärischer Unterstützung dem Sturz durch die von der sudanesischen Grenze her bis zur Hauptstadt N'Djaména vorgedrungenen Kolonnen der »Vereinigten Front für den Wandel und die Demokratie (FUC) entgangen. Dass es danach zunächst relativ ruhig wurde, war nicht nur der Regenzeit geschuldet, sondern auch internen Auseinandersetzungen im Parteienbündnis der FUC.

Déby hat sich daraufhin möglicherweise Hoffnungen gemacht, er könne nunmehr seine dritte Amtszeit als Präsident in aller Ruhe genießen. Spätestens seit Mitte September zeigte sich jedoch, dass dem keineswegs so ist. Es kam zu intensiven Kämpfen zwischen der Armee und verschiedenen Oppositionsgruppen an der Ostgrenze. Die bislang letzten Zusammenstöße fanden bei Hadj Méran Ende Oktober statt. Wenngleich das Regime in diesem Fall ebenso wie zuvor stets verlauten ließ, es habe die Einheiten der Rebellen aufgerieben, musste es nun doch zugeben, dass immerhin sein Generalstabschef Moussa Seugui gefallen war. Inzwischen sprechen afrikanische Beobachter, so die kenianische Zeitung »The Nation«, davon, dass Déby angesichts der wachsenden Opposition vielleicht schon bald das Weite suchen müsse.

Débys Einmischung in alle möglichen afrikanischen Konflikte, vor allem aber seine inzwischen aktenkundige Unterstützung für die sudanische Rebellenorganisation JEM in Darfur, die sich in erster Linie auf das Volk der Zaghawa stützt, trägt derzeit offensichtlich massiv dazu bei, seine Position in Afrika zu untergraben. Aus der Ethnie der Zaghawa rekrutieren sich auch die Führer des Déby-Regimes.

Die Opposition allerdings ist nicht zuletzt auf ethnischer Basis gespalten. In den vergangenen Monaten hat sie jedoch deutliche Fortschritte auf dem Weg der Vereinigung gemacht. So kämpften im September Einheiten der FUC sowie der »Nationalen Tschadischen Eintracht/Sammlung der Demokratischen Kräfte« (CNT/RaFD) gemeinsam. Die jüngste Offensive wurde von Einheiten des »Demokratischen Revolutionären Rates« (CDR), der »Union der Kräfte für Fortschritt und Demokratie« (UFPD) des ehemaligen Verteidigungsministers Mahamat Nouri und der FUC vorgetragen.

Ende Oktober hat zudem die lang erwartete und zunächst bereits für September angesetzte »Konferenz der pluralen tschadischen Opposition« in Paris stattgefunden. An ihr nahmen auch die wichtigsten politisch-militärischen Gruppen teil. Sie wählte einen »Vorläufigen Rat der Opposition für die Organisierung des Übergangs« und eine Kommission, die sich demnächst an die Ostgrenze des Landes begeben soll, um die Aktionseinheit der Rebellenorganisationen zu erleichtern. Aufgerufen wurde zu einer nationalen Friedenskonferenz. An Frankreich ging die Aufforderung, seine Einmischung zu beenden. Das Treffen verurteilte Débys Einmischung in Darfur und appellierte an die politisch-militärischen Bewegungen, ihre Querelen zu beenden.

Der Aufruf zu einer Konferenz in Addis Abeba zielt natürlich darauf, die bis dato fast völlige Isolierung der tschadischen Opposition zu durchbrechen. Diese hat sicher weniger mit ihrem demokratische Forderungen nicht überschreitendem Programm zu tun als mit ihrer Zersplitterung – in einem Land mit nicht einmal zehn Millionen Einwohnern gibt es Dutzende »Parteien« und Bewegungen.

Die Konferenz vom 28. und 29. Oktober war die zweite nach der von 2005, deren Beschlüsse allerdings auf dem Papier geblieben sind. Die Entwicklung in diesem Jahr lässt jedoch erwarten, dass die Chancen dieses Mal besser stehen. Oppositionskräfte sehen zudem in der Auswechslung des französischen Botschafters in Tschad ein Zeichen für eine möglichen Neuorientierung Frankreichs.

* Aus: Neues Deutschland, 13. November 2006


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