Tschads Friedensabkommen ist Geschichte
Neue Kämpfe an allen Fronten lassen die EU-Mission Eufor in weite Ferne rücken
Von Anton Holberg *
Tschad erlebte in den letzten Wochen die heftigsten bewaffneten Kämpfe seit Monaten. Kontrahenten sind die tschadische Armee und verschiedene Oppositionskräfte.
Das Tschad-Friedensabkommen von Sirte hat nicht lange gehalten. Erst am 25. Oktober hatten die
Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung (UFDD) und die Versammlung der Kräfte für den
Wandel (RFC) unter Vermittlung von Muaamar al-Gaddafi ein Friedensabkommen mit der Regierung
von Präsident Idriss Déby Itno unterzeichnet.
Zuerst bekriegte sich die Armee mit der UFDD, Anfang Dezember kam es auch zu
Zusammenstößen mit der RFC. Eine dritte Gruppierung, die Volksfront für Nationale Wiedergeburt
(FPRN), die sich dem Siirte-Abkommen nicht angeschlossen hatte, behauptete inzwischen, sie habe
am 6. Dezember die Stadt Haraz im Südosten erobert. Die Kämpfe haben wahrscheinlich weit über
tausend Opfer, Tote und Verwundete, auf beiden Seiten gefordert.
Mit der vierten Organisation, der Vereinigten Front für den Wandel (FUC), hatte Präsident Déby –
ebenfalls mit libyscher Unterstützung – schon vorher ein Abkommen geschlossen. FUC-Chef
Mahamat Nour wurde daraufhin zum Verteidigungsminister ernannt. Die FUC war im April 2006
vermutlich nur durch den Einsatz der französischen Luftwaffe daran gehindert worden, Tschads
Hauptstadt N'Djamena einzunehmen. Ende November aber entließ der Präsident Nour, und der
Sultan des Tama-Volkes, das die Basis der FUC bildet, wurde verhaftet. Vorausgegangen waren
Zusammenstöße zwischen FUC-Kämpfern und der Armee. Die Streitkräfte – behaupet die FUC –
hätten ihre Kämpfer nicht wie vereinbart in die nationale Armee eingegliedert, sondern sie
zwangsweise entwaffnen wollen.
Tschads Regierung beschuldigt nun Sudan, die »Rebellen« von UFDD und RFC nicht wie
vorgesehen ent-, sondern bewaffnet und dann nach Tschad geschickt zu haben, wo sie
Regierungskräfte angegriffen hätten. Umgekehrt behaupten die Regierungsgegner, sie seien von
der Armee angegriffen worden, als sie ihre Stützpunkte in Westsudan hätten verlassen müssen.
Auffällig ist, dass die Kämpfe zu einem Zeitpunkt aufgeflammt sind, da die Entsendung einer so
genannten Friedenskraft unter dem Namen »Eufor Tschad« bevorsteht. Offizieller Auftrag der EUSoldaten
ist der Schutz von Flüchtlingen aus dem sudanesischen Darfur. Ursprünglich sollten sie
schon Mitte November eingesetzt werden. Doch mangelt es angeblich an Transportflugzeugen, so
dass die Mission nun erst im Januar beginnen soll.
Bezüglich des internen Konfliktes in Tschad ist Eufor offiziell neutral. Die Hälfte der Soldaten soll
indes von Frankreich gestellt werden, das in Tschad ohnehin 1200 Mann zum Schutz des Déby-
Regimes unterhält. Frankreichs Luftwaffe greift zumindest zum Zweck der Aufklärung regelmäßig in
die Kämpfe ein. Deshalb haben UFDD und RFC nach den jüngsten Zusammenstößen erklärt, sie
befänden sich fortan mit der »französischen Armee und jeder anderen ausländischen Streitmacht
auf nationalem Territorium im Kriegszustand«.
Österreichs Verteidigungsminister Norbert Darabos, dessen Land am Eufor-Projekt beteiligt ist,
gestand daraufhin, dass die französische Teilnahme die »Gefahr eines direkten Engagements der
Eufor in bewaffnete Konflikte« mit sich bringe. Doch weder Frankreich noch Österreich wollen sich
einer Beteiligung an der Mission enthalten. Das weist auf den wichtigeren Grund für die Mission hin:
die Stärkung der militärischen EU-Präsenz in einer erdölreichen Region.
Tschad selbst verfügt über Erdölvorkommen und grenzt an die ölreichen Regionen Sudans, die zum
Missvergnügen des Westens inzwischen wirtschaftlich weitgehend von China dominiert werden.
Sudans Regierung, die kein Interesse am Zugriff westlicher Staaten auf die Region hat, kann die
neue Entwicklung durchaus gelegen kommen, wenn sie dazu beiträgt, den Eufor-Einsatz noch zu
hintertreiben. Ob die Kämpfe andererseits der erste Schritt zum Sturz Debys sind, hängt vor allem
davon ab, ob es der Opposition gelingt, die Widersprüche zwischen ihren Führern und den
unterschiedlichen Ethnien zu überwinden.
* Aus: Neues Deutschland, 10. Dezember 2007
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