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Kein Patt in Trinidad und Tobago

Premierminister Manning erhält im dritten Anlauf stabile Mehrheit

Von Martin Ling *

Nach den Parlamentswahlen im ölreichen Karibikstaat Trinidad und Tobago hat der seit 2001 amtierende Regierungschef Patrick Manning seine Nationale Volksbewegung (PNM) zur Siegerin erklärt.

Für die Verhältnisse des Inselstaates ist es ein komfortabler Sieg: Die regierende Partei Nationale Volksbewegung (PNM) errang nach vorläufigen Ergebnissen immerhin 24 der 41 Parlamentssitze.

»Die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes«, sagte Premierminister Patrick Manning pathetisch am Dienstag vor seinen Anhängern in der Hauptstadt Port-of-Spain. Die PNM-Mehrheit ist deutlich, auch wenn Manning eigentlich nach einer Zweidrittelmehrheit gestrebt hatte. Damit wäre der Weg zur Errichtung einer Präsidialdemokratie – wie Manning sie sich wünscht – frei gewesen.

Immerhin scheinen sich die Zwillingsinseln politisch stabilisiert zu haben. Die Zeiten des parlamentarischen Patts, die den Karibikstaat lange in Atem hielten, sind vorerst vorbei. Seit 1995 lagen die afro-trinidadische PNM und der indo-trinidadische Vereinte Nationalkongress (UNC) fast immer gleichauf. Mehrere Verfassungskrisen und mehrfache vorzeitige Neuwahlen – allein drei Parlamentswahlen zwischen 2000 und 2002 – lähmten das Land. Denn noch immer wählen die beiden größten Bevölkerungsgruppen Trinidads vorwiegend entsprechend ihrer ethnischen Herkunft: die afrikanischstämmigen Einwohner stimmen für die PNM, die indischstämmigen Nachkommen der nach Abschaffung der Sklaverei 1834 angeworbenen Vertragsarbeiter wählen den UNC. Und da beide Gruppen rund 40 Prozent der Bevölkerung stellen, war ein Patt oder Beinahe-Patt im Parlament die Regel. Oft gaben die zwei Vertreter der kleineren Insel Tobago den Ausschlag, denn dort konnte der UNC nie punkten, weil es unter den 50 000 Insulanern kaum indischstämmige gibt. Die Erweiterung des Parlaments von 36 auf 41 Sitze und ein neuer Zuschnitt der Wahlkreise sollten die Situation ab 2007 dauerhaft entspannen.

Der UNC mit Basdeo Panday an der Spitze, der von 1995 bis 2001 als erster und bisher einziger indotrinidadischer Premier amtierte, kam diesmal nur zu 17 Sitzen. Der Kongress des Volkes (COP), der sich nach den Wahlen vor fünf Jahren vom UNC abgespalten hatte, fischt inzwischen im selben Wählerreservoir. Was umso schwerer ins Gewicht fällt, da Trinidad von der einstigen Kolonialmacht das Mehrheitswahlrecht und das Prinzip »Der Gewinner bekommt alles« übernommen hat. Schon der Zweitplatzierte im Wahlkreis geht also leer aus. Der COP erlangte zwar keinen eigenen Sitz, aber die Stimmen für ihn gingen dem UNC gerade in Wahlkreisen mit knappen Unterschieden verloren. Der COP-Vorsitzende Winston Dookeran räumte seine Niederlage ein. »Das Land ist noch nicht bereit für den Wandel, aber wir glauben, dass er eines Tages kommen wird«, sagte der ehemalige Direktor der Zentralbank des Karibikstaates. – Eine gewagte These, wenn man sich die Erfahrungen von Parteineugründungen in der englischsprachigen Karibik ansieht. Selbst der neue Premier Jamaikas, Bruce Golding, kehrte reumütig zu seiner Arbeitspartei zurück, nachdem er mit einer Neugründung wegen des Mehrheitswahlrechts bei zwei Wahlen totalen Schiffbruch erlitten hatte. Dookeran selbst hatte noch 2002 auf dem UNC-Ticket eben den Wahlkreis gewonnen, in dem er jetzt dem UNC-Kandidaten unterlag. Parteitradition geht für die Wähler über Persönlichkeit.

Dass die PNM die Wahlen relativ sicher gewann, hängt auch mit der guten wirtschaftlichen Lage zusammen. Fast die ganze Ökonomie basiert auf Erdöl- und Gasförderung und -verarbeitung. Bei den derzeitigen Weltmarktpreisen ist das ein Selbstläufer.

Zu kämpfen hat Manning trotzdem mit zunehmenden sozialen Spannungen. Der Drogenhandel bringt Geld ins Land, das die Drogenbanden zum Waffenkauf nutzen, um ihre Claims zu verteidigen. Fast 400 Morde kommen inzwischen jährlich auf die 1,3-Millionen-Bevölkerung. Die Polizei mischt mit außergerichtlichen Hinrichtungen kräftig mit. Die Gewaltspirale zu stoppen, ist die große Herausforderung für Manning und alles andere als ein Selbstläufer.

* Aus: Neues Deutschland, 7. November 2007


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