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Militär übernahm Macht in Thailand – für "Normalität"

Sprecher der Demonstranten beider Lager von Soldaten festgesetzt *

In Thailand hat das Militär geputscht. In einer Rede an die Nation verkündete Armeechef Prayuth Chan-ocha am Donnerstag im Fernsehen, die »bewaffneten Streitkräfte, die Königliche Luftwaffe und die Polizei« hätten am Nachmittag die Macht übernehmen müssen. Dies sei nötig geworden, damit das Land »rasch zur Normalität zurückfindet«. Die Thailänder rief er zur Zurückhaltung auf. Am Dienstag hatte die Armee nach monatelangen gewalttätigen Proteste mit fast 30 Toten das Kriegsrecht über das Land verhängt. Am Mittwoch gab es unter Vermittlung der Armee einen Runden Tisch mit Vertretern der Opposition und der Regierung, der eigentlich zu einer Lösung des Konflikts führen sollte. Auch die Anführer der rivalisierenden Protestlager nahmen teil. Trotz Kriegsrechts hatten Anhänger und Gegner der Regierung angekündigt, ihre Proteste fortzusetzen. Wie Augenzeugen berichteten, wurden die Protestanführer bei dem Treffen von Armeeangehörigen abgeführt.

Am Abend verhängte die Armee eine nächtliche Ausgangssperre. Das »Nationale Friedenskomitee« verbiete jedem Bürger, »zwischen 22 und 5 Uhr das Haus zu verlassen«, sagte ein Armeesprecher im Fernsehen. Dem Komitee gehören die Streitkräfte, die Königliche Luftwaffe und die Polizei an. Das Militär wies außerdem alle Fernseh- und Radiosender an, ihr normales Programm zu unterbrechen.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 23. Mai 2014


Nun doch Militärputsch in Thailand

Regierung gestürzt. Soldaten räumen Protestcamps. Führende Politiker festgenommen **

Zwei Tage nach der Verhängung des Kriegsrechts hat das Militär am Donnerstag in Thailand die Macht übernommen. Die Streitkräfte wollten »die politischen Institutionen reformieren und unserem Land wieder Einigkeit bringen«, erklärte Armeechef Prayuth Chan-ocha in einer Fernsehansprache. Die Verfassung wurde außer Kraft gesetzt und im ganzen Land eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Internationale Fernsehsender wurden blockiert.

Hintergrund des Staatsstreichs ist ein seit Monaten anhaltender Machtkampf. Das oppositionelle »Volksdemokratische Reformkomitee« (PDRC) hatte seit November versucht, die Regierung mit Massendemonstrationen in die Knie zu zwingen (jW berichtete). Dabei waren bislang 28 Menschen getötet und 700 verletzt worden. Noch am Mittwoch zwang die Armee die rivalisierenden Parteien an einen Tisch, um nach Möglichkeiten für einen Ausweg zu beraten. Die Gespräche brachten nach Angaben der Generäle keine Fortschritte und wurden am Donnerstag zunächst fortgesetzt, bis der Armeechef die Machtübernahme verkündete. Soldaten führten den Anführer der Proteste gegen die Regierung, Suthep Thaug­suban, ab.

Nach dem Putsch räumten Oppositionelle und Anhänger der Regierung ihre Protestlager in Bangkok. Die Anführer der rivalisierenden Gruppen wurden dem Vernehmen nach ebenfalls vom Militär in Gewahrsam genommen. Zuvor hatten Soldaten am westlichen Stadtrand von Bangkok in die Luft gefeuert, um eine Kundgebung der regierungstreuen »Rothemden« zu zerstreuen. Deren Anführer Jatuporn Prompan kündigte gleichwohl eine Fortsetzung der Proteste an.

In Berlin verurteilte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier die Machtübernahme des Militärs. »Die Verantwortlichen müssen umgehend zu einem politischen Prozeß zurückkehren«, betonte der SPD-Politiker und forderte rasche Neuwahlen.

** Aus: junge Welt, Freitag, 23. Mai 2014


Oberlehrer

Von Roland Etzel

Wer seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, muss nachsitzen. Ist das die einfache Logik von General Prayuth Chan-ocha, dem Armeechef des Königreichs Thailand? Nach der Verhängung des Kriegsrechts hatte der Oberkommandierende der in Thailand traditionell politisch ambitionierten Militärs am Mittwoch die Köpfe der beiden verfeindeten Lager des Landes zum Dialog unter seiner Aufsicht befohlen. Da das Treffen erwartungsgemäß im Streit endete, »ermahnte« Prayuth die Rivalen. Sie hätten ahnen können, dass dies schon die letzte Warnung war, denn ein Armeesprecher hatte dazu erklärt, der General habe den Teilnehmern »Hausaufgaben mit auf den Weg gegeben«. Sie sollten am Donnerstag mit Vorschlägen für eine Kompromisslösung zurückzukehren. Das Ergebnis ist bekannt: Die Parteiführer verließen des Tagungsort nicht mehr als freie Menschen.

Eine Einigung war tatsächlich um keinen Millimeter nähergerückt, was die Maßnahme Prayuths, sich zum Lehrer der Nation aufzuschwingen, aber keinesfalls legitimiert; zumal er alles andere als ein gelernter Pädagoge ist. Vielmehr hat der heute 60-Jährige während seines gesamten Berufslebens stets Uniform getragen. Ein Putsch ist ein Putsch ist ein Putsch – daran ändert wenig, dass Prayuth behauptete, keinen anderen Ausweg mehr aus der Staatskrise gesehen zu haben. Dieser Griff nach der Macht begann schon mit der Verhängung des Kriegsrechts, auch wenn die Generale gebetsmühlenartig erklärten, es handele sich bei der Verhängung des Kriegsrechts überhaupt nicht um einen Putsch.

Prayuth studierte an der Militärakademie und war in jungen Jahren in der Leibwache der Königin. Das Königshaus ist Thailand sakrosankt, thront turmhoch über den politischen Parteiniederungen, verhält sich neutral. Der General war das in der Vergangenheit nicht. Er zählt zu den erklärten Gegnern des 2006 gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra – und ist damit wohl auch kein Freund des jetzt amtsenthobenen Ministerpräsidenten aus Thaksins politischem Lager.

(nd, 23.05.2014)




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