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Lage spitzt sich zu

Verhärtete Fronten in Thailand. Keine Verschiebung der Wahlen

Von Thomas Berger *

Beim Machtkampf in Bangkok verhärten sich die Fronten. Trotz massiver Straßenproteste in Bangkok hält Thailands Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra an den geplanten Wahlen am 2. Februar fest. »Die Regierung und die Wahlkommission können die Wahl nach dem Gesetz nicht verschieben«, sagte Yingluck nach Beratungen mit Ministern und Experten am Mittwoch. Die Kommissionsmitglieder fehlten in der Runde aber ebenso wie Abhisit Vejjajiva für die DP, Suthep Thaugsuban oder andere einflußreiche Oppositionelle. Mit diesen prominenten Lücken war das Treffen damit gewissermaßen von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Eine radikale Studentenorganisation drohte am Mittwoch, die Börse und die Flugsicherung zu blockieren, falls Yingluck nicht bis zum Abend zurücktrete. Ein Sprecher des »Studenten- und Volksnetzwerks für Reformen in Thailand» (STR) bekräftigte die Pläne gegenüber der Zeitung Nation. Das würde den gesamten Flugverkehr im Luftraum über Thailand beeinträchtigen.

Der Anführer der Opposition, Suthep, führte am Mittwoch einen neuen Marsch mit Tausenden Anhängern an. Die Truppe zog über die Haupteinkaufs- und Hotelstraße der Innenstadt und legte stundenlang den Verkehr lahm. Für Suthep geht es nicht um Wahlen, wie er noch einmal betonte. Einziges Ziel bleibt für ihn und seine Getreuen ein Rücktritt der gesamten Regierung, um diese auf unbestimmte Zeit durch einen nichtgewählten »Volksrat« zu ersetzen, der Thailands politisches System »reformieren« soll. »Wir werden nicht mit leeren Händen nach Hause gehen«, drohte Suthep, »wir werden diesen Kampf bis zum Ende führen.« In seiner Unversöhnlichkeit gegenüber der Familie von Premierministerin Yingluck Shinawatra und ihrem im Exil lebenden Bruder Thaksin hat er bisher alle Kompromißangebote von Regierung oder dritter Seite abprallen lassen. Ex-Premier Thaksin soll Medienberichten zufolge seine Schwester am Sonntag zum Ausharren ermuntert haben.

Suthep drohte jetzt Regierungsmitgliedern offen, sie in ihren Büros oder Privathäusern festzusetzen – die Minister seien gut beraten, Ehepartner und Kinder in Sicherheit zu bringen. Daß dies keine leeren Worte sind, ist allen bewußt. Speziell rund um Yingluck wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Reporter dürfen ihr nicht mehr direkt folgen, die wöchentliche Kabinettssitzung am Dienstag war kurzerhand abgesagt worden.

Am Rande der bis dahin weitgehend friedlichen Massendemonstrationen sind in Bangkok in der Nacht zu Mittwoch Sprengkörper geflogen. Einer landete auf dem Anwesen von Oppositionsführer Abhisit in Bangkok, wie die Polizei berichtete. Niemand sei zu Schaden gekommen. Bei einem weiteren Zwischenfall seien zwei Menschen an einem Protestlager der Demonstranten bei einer Explosion verletzt worden. An anderer Stelle seien vier Polizeibeamte angegriffen worden, berichtete die Polizei.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 16. Januar 2014


Eskalation durch Sprengsatz

30 Verletzte nach Explosion bei Protesten in Thailand. Angst vor Gewalt **

Ein Sprengsatz hat am fünften Tag der Massenproteste gegen die thailändische Regierung mindestens 30 Menschen verletzt. Das Geschoß explodierte am Freitag bei einem Protestmarsch in der Innenstadt. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden erlitten die Menschen leichte Verletzungen an den Beinen. Protestanführer Suthep Thaugsuban war nur 100 Meter entfernt, blieb aber unverletzt, wie der Fernsehsender BlueSky berichtete.

Andernorts in Bangkok formierten sich Dutzende Anhänger der Regierung. Sie wollten Demonstranten angreifen, die einen Regierungskomplex belagern, berichtete die Zeitung Nation. Sicherheitskräfte trennten beide Lager. Die seit Wochen andauernden Proteste mit anfangs mehr als 100000 Teilnehmern waren bislang weitgehend friedlich verlaufen. Polizei und Armee hatten mehrfach die Sorge geäußert, es könne zu Gewaltausbrüchen kommen, entweder durch Zusammenstöße mit Regierungsanhängern oder durch Provokateure, die Chaos schaffen und einen Militärputsch provozieren wollen. Mehr als 15000 Polizisten und Soldaten sind im Einsatz.

Bei Massenprotesten gegen die liberal-konservative Vorgängerregierung von Abhisit Vejjajiva waren 2010 mehr als 90 Menschen ums Leben gekommen. Suthep war damals Vizeregierungs­chef. Er ordnete die blutige Niederschlagung der Demonstrationen an und ist deshalb inzwischen wegen Mordes angeklagt. Der mit Haftbefehl gesuchte heutige Oppositionsführer wirft derweil der Familie von Premierministerin Yingluck Shinawatra, die seit 2001 jede Wahl gewonnen hat, Korruption vor. Die Neuwahlen am 2. Februar, die Yingluck nach Umfragen wieder gewinnen würde, will Suthep verhindern und statt dessen einen lediglich ernannten Technokratenrat auf unbestimmte Zeit mit der Regierungsführung betrauen.

Yingluck lehnte die Verschiebung der Wahlen erneut ab. Das Gesetz lasse das nicht zu. Ihre Familie ziehe sich auch nicht aus der Politik zurück. »Wir machen nur unsere Arbeit, und wenn man uns loswerden will, kann man das nur durch Wahlen tun.« Yingluck dementierte, daß ihr 2006 als Regierungschef gestürzter Bruder Thaksin die Regierungspolitik beeinflusse. Sie konsultiere ihr »Kabinett und die Spitzenbeamten«. Thaksin lebt im Exil. Regierungsmitglieder hatten in Interviews berichtet, daß er schon über Skype an Kabinettssitzungen teilgenommen habe und die Politik der Regierungspartei Pheu Thai bestimme.

** Aus: junge Welt, Samstag, 18. Januar 2014


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