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Signale der Hoffnung

Thailand-Krise: Rothemden nehmen Vermittlungsangebot an

Von Thomas Berger *

In Bangkok gibt es einen neuen Anlauf, die innenpolitische Krise beizulegen. Die oppositionellen Rothemden haben am Dienstag ein Vermittlungsangebot von Senatspräsident Prasopsuk Boondej angenommen. Ziel sind neue Gespräche mit der Regierung, deren Rücktritt die Aktivisten der Vereinten Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD) fordern. Die UDD stellt diesmal keine Vorbedingungen und überlasse es Prasopsuk und seinen Kollegen, die notwendigen Schritte einzuleiten, hieß es. Ein Regierungssprecher schloß allerdings am frühen Abend (Ortszeit) neue Verhandlungen aus, solange die Rothemden nicht das seit Wochen belagerte Zentrum Bangkoks räumen.

Das teilweise Einlenken der UDD hat einen Grund: Generalmajor Khattiya Sawasdipol alias Seh Daeng war am Vortag gestorben. Der hochrangige Militär hatte vergangenen Donnerstag einen Kopfschuß erhalten. Damit wurde er das vorerst prominenteste Opfer von Scharfschützen, die die Sicherheitskräfte offenbar eingesetzt haben, um Anführer der in einem Geschäftsviertel verschanzten Rothemden außer Gefecht zu setzen. Das Areal ist weiter abgeriegelt.

Seh Daeng war der ranghöchste Offizier, der ins Lager der außerparlamentarischen Opposition übergelaufen war, und deren militärisch-strategischer Kopf. Ohne ihn wird es für die UDD-Aktivisten in der Hauptstadt schwierig, den Sicherheitskräften bei deren Schritten Paroli zu bieten. Der General hatte auch Verbindungen zu Thaksin Shinawatra gehalten, dem 2006 gestürzten Expremier, dessen Rückkehr und Amnestie zumindest ein Teil der Rothemden als eines der Kernziele anstrebt.

Quasi zeitgleich mit der Mitteilung der UDD-Führung zur positiven Reaktion auf das Vermittlungsangebot aus dem Senat gab am Dienstag mittag das Sicherheitszentrum CRES die Festnahme von Pichet Sukjindathong bekannt. Der Verhaftete war die rechte Hand des getöteten Generals gewesen, hatte offenbar für die Umsetzung der von Seh Daeng geplanten Gegenattacken gesorgt und wird deshalb wie andere Rothemden von Regierungsseite als »Terrorist« eingestuft. Das CRES, welches die militärischen Maßnahmen in Bangkok koordiniert, forderte Medien und Bürger auf, Bilder von Gewalttaten der Protestierer zur Verfügung zu stellen, um Schuldige zur Verantwortung zu ziehen. So wurde ein Zwölfjähriger verhaftet, der mehrere Gebäude in Brand gesetzt haben soll.

Die Zahl der Todesopfer ist inzwischen auf 37, die der Verletzten auf mindestens 282 gestiegen, so das zentrale Nothilfezentrum Erawan. Auf beiden Seiten entwickeln sich sichtbare Differenzen zwischen Hardlinern und Moderaten. Bei der UDD scheinen längst nicht alle zwei Dutzend Mitglieder des Führungszirkels dialogbereit, und die anhaltend sture Position von Premier Abhisit Vejjajiva und einigen Getreuen kommt auch bei Verbündeten in die Kritik. Banharn Silpa-Archa, ein früherer Regierungschef und graue Eminenz eines kleineren Partners der tonangebenden Demokraten, forderte eine Lösung binnen zwei Tagen und drohte andernfalls einen Austritt aus der Regierungskoalition an.

* Aus: junge Welt, 19. Mai 2010


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