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The Winner is: Thaksin Shinawatra

Porträt des Milliardärs und Wahlsiegers von Thailand

Er ist einer, der nicht zögert, sondern zupackt. Einer, der schnell schafft, was er sich vornimmt und dabei wenig Skrupel an den Tag legt. Schon längst ist Thaksin Shinawatra einer der Reichsten im Land. Nun will er der Mächtigste werden. Nach dem Wahlsieg seiner Partei, die den programmatischen Namen „Thailänder lieben Thailänder“ trägt, steuert er mit aller Kraft das Amt des Ministerpräsidenten an.

Fast die Hälfte aller Mandate fiel bei der Parlamentswahl seiner erst vor zwei Jahren gegründeten Partei zu. Das nennt man einen Erdrutsch-Sieg, und sein Erfolg liegt vor allem in seinem Erfolg begründet. Denn als Wirtschaftsmagnat mit Milliardenvermögen – und das in Dollar und nicht in schwächelnden Baht – verkörpert Thaksin die ungeduldige Hoffnung der Thailänder auf den Anbruch besserer Zeiten nach der immer noch schmerzenden Asienkrise.

Im Wahlkampf wucherte der 51-Jährige also mit diesem Kapital, und er wütete gegen die alte Regierung. Dem nun geschlagenen Ministerpräsidenten Chuan Leekpai warf er Versagen in der Wirtschaftspolitik und Hörigkeit gegenüber dem Internationalen Währungsfonds vor. Er wetterte gegen den Ausverkauf der heimischen Industrie und versprach Schutz vor zu starker ausländischer Konkurrenz – was eine innere Logik hat. Denn erstens hält er Anteile an Thailands Untenehmen wohl am liebsten nicht nur im eigenen Land, sondern in der eigenen Hand, und zweitens schätzt er selbst gewiss auch keine ausländische Konkurrenz für sein Medien- und Telekommunikationsunternehmen Shin.

Thaksin, der als Polizist angefangen hatte und in den neunziger Jahren schon einmal Außenminister und Vize-Premier war, betreibt Populismus für Fortgeschrittene. Den Wahlsieg verdankt er zuvörderst seiner Bauernfängerei. Dem verarmten und verschuldeten Landvolk stellte er eine Aussetzung der Zinszahlung in Aussicht, und über den thailändischen Dörfern will er einen Geldregen von jeweils einer Million Baht, das sind etwa 50 000 Mark, niedergehen lassen. Wie das bei 70 000 Dörfern zu finanzieren ist, ließ er unerwähnt.

Thaksin könnte argumentieren, dass diese Art des kollektiven Stimmenkaufes aus purer Not heraus geboren wurde. Denn durch Thailands neue Verfassung sollte bei dieser Wahl erstmals dem sonst üblichen direkten Stimmenkauf ein Riegel vorgeschoben werden. Dies aber gelang nicht. Die unabhängige Wahlbehörde jedenfalls spricht von der „schmutzigsten Wahl aller Zeiten“. In einigen Bezirken muss sie wiederholt werden, doch der Sieg ist Thaksin nicht zu nehmen.

Oder vielleicht doch? Das letzte Wort in dieser Erfolgsgeschichte könnten Thailands Oberste Richter sprechen. Sie müssen darüber urteilen, ob Thaksin in früheren Minister-Jahren unrechtmäßig sein Vermögen verschleiert hatte. Wenn dies bestätigt wird, darf er fünf Jahre lang kein öffentliches Amt bekleiden. Die Entscheidung soll in den nächsten sechs Monaten fallen. Solange aber will Thaksin nicht warten. Er wird nicht zögern, sondern zupacken und den Premiersposten besetzen. Doch vielleicht muss er auch bald wieder einpacken.
Peter Münch Aus: Süddeutsche Zeitung, 9. Januar 2001

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