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Dauerproteste gegen Thailands Premier

Volksallianz fürchtet Thaksins Rückkehr - Putschgerüchte in Bangkok

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Thailand durchlebt sechs Monate nach den Parlamentswahlen im Dezember schon wieder eine schwere innenpolitische Krise. Schon die zweite Woche fordern Regierungsgegner mit einer Protestaktion in Bangkok den Rücktritt von Premier Samak Sundaravej.

Man fühlt sich an das Jahr 2006 erinnert. »Wir bleiben hier, bis die Regierung weg ist«, versicherte jetzt Somsak Kosaisuk, einer der Führer der Volksallianz für Demokratie (PAD), deren Massenproteste vor zwei Jahren den damaligen Regierungschef Thaksin Shinawatra in die Knie gezwungen hatten. Am Wochenende war in letzter Minute ein blutige Konfrontation zwischen PADAnhängern und Polizeieinheiten abgewendet werden. Die Demonstranten fordern den Rücktritt der Regierung unter Premier Samak Sundaravej. Es handle sich um eine bloße Marionettenregierung, die kein anderes Ziel verfolge, als die Verfassung umzuschreiben, um eine Generalamnestie für Thaksin und seine Freunde herauszuholen.

Die Regierung bestreitet die Vorwürfe energisch. Dennoch brachte sie am Freitag in aller Stille einfach einen neuen Antrag ein, um die alte Verfassung zu überholen. Am Sonnabend wurde in Bangkok schon mit einem neuen Blutbad gerechnet. Überraschend hatte der Premier seine sonntägliche Fernsehansprache um einen Tag vorverlegt und den Demonstranten mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste gedroht. Am Nachmittag ging Bereitschaftspolizei in Stellung.

Es war schon Nacht, als Innenminister Chalerm Yoobamrung die Polizeikräfte zurückzog und erklärte, die »demokratisch gewählte Regierung« werde »nicht auf ihr eigenes Volk schießen« und den Protest keinesfalls gewaltsam auflösen. Der PAD wurde vorgeschlagen, ihren Protest statt an einer stark befahrenen Straße in einem Park fortzuführen, was die PAD-Führung ablehnte.

Der Versammlungsort bei der Makawan-Brücke hat sich innerhalb einer Woche zu einem Treffpunkt von Künstlern, Aktivisten, Revolutionären und auch etablierten Politikern gewandelt, wo bei Karnevalsatmosphäre Politik debattiert wird. Das Gelände wird rund um die Uhr von PADAnhängern gehalten.

Thailands Medien spekulierten nach Chalerms Kehrtwendung, dass Thaksin verärgert gewesen sei über die Gewaltandrohung seines Stellvertreterpremiers Samak und interveniert habe. Gegen den schwerreichen Thaksin läuft eine Reihe von Korruptionsverfahren, er hält sich deshalb im Hintergrund. Dabei weiß die ganze Nation, wer die Regierung steuert, weshalb die regierende Volksmachtpartei (PPP) auch gleich »Thaksin-Partei« genannt wird. Insoweit glänzt diese PPP durch einen grandiosen Popularitätsschwund. Samak hat wenigstens seine Kochshow im Fernsehen gestoppt, um nicht den Eindruck zu vermitteln, er habe noch immer Zeit für sein Lieblingshobby.

Die neue Unruhe im Land macht auch die Militärs nervös, die unter General Sonthi Boonyaratglin gegen Thaksin geputscht hatten. Sonthis Nachfolger General Anupong Paochinda schloss einen neuerlichen Coup aber aus. Alle Augen bleiben auf die PAD gerichtet. 2006 hatten sich die anfänglich kleinen PAD-Proteste zu einer Massenbewegung ausgeweitet. Noch herrscht im Volk nicht der gleiche Zorn wie damals gegen Thaksin. Doch die Protestführer haben klargestellt, dass sie wie vor zwei Jahren nicht aufgeben, bis die Regierung weg ist.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Juni 2008


Bangkoker Putschgerücht

Anhaltende Straßenkämpfe in Thailands Hauptstadt: Premier Samak in wachsender Bedrängnis

Von Marwan Macan-Markar (IPS), Bangkok und Thomas Berger **


Die Bangkoker Straßenproteste der außerparlamentarischen Opposition gegen die Regierung hielten auch am Dienstag an. Hunderte Aktivisten der ultranationalistischen People's Alliance for Democracy (PAD) harren seit über einer Woche an einer Hauptstraße im Zentrum der Zehn-Millionen-Metropole aus, fordern den Rücktritt von Premier Samak Sunda­ravej sowie vorgezogene Wahlen. Mittlerweile kursieren Gerüchte um einen drohenden Militärputsch. Die Armee stände kurz vor einem gewaltsamen Eingreifen -- zum 19. Mal in der Geschichte des südostasiatischen Landes.

Samak und seine People's Power Party (PPP) stehen im Zentrum der Angriffe durch die Regierungsgegner von der PAD, an deren Spitze der Medienmogul Sondhi Limthongkul steht. Er war schon der Motor der Unruhen von Anfang 2006, die im September des Jahres zum Putsch und zur Absetzung des damaligen Regierungschefs Thaksin Shinawatra führten. Vorgeworfen wurden Thaksin und seiner Partei Thai Rak Thai (»Thais lieben Thai« -- TRT) Korruption, Machtmißbrauch und Nepotismus.

Im Endeffekt richten sich auch die jüngsten Straßenkämpfe gegen Thaksin. Der milliardenschwere Telecommann gilt als die graue Eminenz im Hintergrund der PPP, der Nachfolgepartei seiner TRT. Die TRT selbst wurde Mitte 2007 von einem von der Militärjunta zusammengestellten Tribunal wegen Wahlmanipulation aufgelöst und 111 ihrer führenden Mitglieder -- unter ihnen Thaksin -- für fünf Jahre aus der Politik verbannt. Das Urteil fand großen Anklang bei der PAD und den Thaksin-Gegnern in der Bürokratie, dem Militär und der Geldelite. Das Gros der thailändischen Wähler und insbesondere die Armen aber gaben der TRT-Nachfolgerin PPP bei den Parlamentswahlen von Dezember ihre Stimme, was zur Bildung einer Koalitionsregierung unter deren Führung führte .

Diese Entwicklung mißfällt der PAD und deren Hinterleuten. Hinzu kommt, daß Samak eine Änderung der Verfassung von 2007 anstrebt. Das erst seit dem Vorjahr bestehende Grundgesetz, von den Putschführern des Herbstes 2006 auf den Weg gebracht, steht in mehreren wichtigen Artikeln zur Disposition. Das betrifft einerseits die Amnestie für die Coupbeteiligten, andererseits die juristischen Ermittlungen gegen Thaksin. Dessen politische Erben wollen unter anderem die Antikorruptionsbehörde auflösen. Allein solche Gedankenspiele sind für die Aktivisten der PAD endgültiger Beweis, daß Samak und seine Getreuen das politische Comeback des einst mächtigsten Mannes vorbereiten.

»Die PAD wittert hinter diesem Versuch das Bestreben, das Thaksin-Regime wiederzubeleben«, erläutert Thitinan Pongsudhirak, Politikwissenschaftler an der Chulalongkorn-Universität in Bangkok. Die PAD habe sich die totale Ausrottung der Thaksin-Kräfte auf ihre Fahnen geschrieben. Mittlerweile spielten sich die Nationalisten um Sondhi auch als Hüter der Monarchie und Religion auf und griffen so nach weiteren heißen Eisen.

Beobachter warnen angesichts der aufgeheizten Stimmung vor der aktuellen Putschgefahr. Nach ihrer Auffassung würde ein neuer Coup keinesfalls so »friedlich« ablaufen wie der vor zwei Jahren.

** Aus: junge Welt, 4. Juni 2008


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