Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Thailands Linke sehen eine Chance

Neue Parteien und Allianzen formieren sich

Von Mark Teufel und Carla Lee, Bangkok *

Nach den politischen Unruhen der jüngsten Vergangenheit scheint Thailands Geschichte reif zu sein für ein neues Kapitel. Neue politische Parteien und Allianzen bilden sich -- auch auf der Linken.

Die fanatische Bewegung der Gelbhemden mit dem irreführenden Namen Volksallianz für Demokratie (PAD), die im vergangenen Jahr Bangkoks Flughäfen lahm legte, um die damalige Regierung zu Fall zu bringen, hat Anfang Juni eine Partei namens »Die Neue Politik« (Karn Muang Mai) gegründet. Auf der anderen Seite gibt es bereits seit April eine neue Partei: Sympathisanten der Rothemden gründeten die »Sozialistische Partei«. Zu ihren Aktivisten gehören der Historiker Suthachai Yimprasert und der ehemalige Abgeordnete Insorn Buakiew. Sie beginnen mit einem Dutzend Mitglieder und setzen darauf, junge Leute zu gewinnen.

Bereits am 3. Mai allerdings lehnte die Wahlkommission den Namen der neuen Partei ab. Eine Sprecherin der Kommission begründete dies so: »Eine Sozialistische Partei könnte als kommunistische Partei identifiziert werden. Und der Name könnte die Demokratie verletzen.« Sie rief die Sicherheitsbehörden sogar auf, die Aktivitäten der Mitglieder zu überwachen.

Thailand hat durchaus Erfahrungen mit sozialistischen und kommunistischen Parteien. Jahrzehntelange bewaffnete Auseinandersetzungen mit Kommunisten wurden erst in den 80er Jahren beendet. In den 70er Jahren hatte eine Sozialistische Partei dutzende Sitze im Parlament gewonnen. Zusammen mit allen linken und studentischen Bewegungen, die von den 68ern in Europa, der Bewegung gegen den Vietnamkrieg und Erfolgen kommunistischer Parteien in den Nachbarländern inspiriert worden waren, wurde sie jedoch faktisch ausgelöscht. Höhepunkt der Repression war das Massaker an der Thammasat-Universität in Bangkok 1976, bei dem hunderte studentische Aktivisten starben.

Danach flohen tausende Studenten und städtische Arbeiter zu den Einheiten der Kommunistischen Partei Thailands (CPT) in den Dschungel und schlossen sich dem bewaffneten Widerstand an. Die CPT stand durch diesen Zustrom kritischer Studenten allerdings vor einer Herausforderung, der sie nicht gewachsen war. »Die führenden Köpfe der CPT waren Maoisten, deren Ideen den Studenten fremd waren, die wiederum den geforderten 'chinesischen Lebensstil' nicht akzeptierten. Und Auseinandersetzungen zwischen den Kommunisten Vietnams und Chinas schwächten die Partei zusätzlich«, erinnert sich eine der wenigen weiblichen CPT-Funktionäre von damals, Cholthira Satyawadhna, heute Anthropologin an der Ranjit-Universität.

Die CPT scheiterte nicht zuletzt an internen Auseinandersetzungen. Viele Studenten nahmen ein Amnestieangebot der Militärs an, heute sieht man etliche ehemalige Guerilleros als Akademiker oder Politiker verschiedener Parteien, einschließlich der jetzt regierenden Demokratischen Partei. Viele haben sich sogar der ultranationalistischen »gelben« PAD angeschlossen, eine kleinere Zahl wurde in der Rothemdenbewegung aktiv.

Vielleicht ist auch das Fehlen eines eigenständigen ideologischen Erbes der thailändischen Linken der Grund, warum die Gesellschaft explizit-linke Politik ablehnt. Parteiaktivist Suthachai Yimprasert aber hält die Ablehnung des Namens »Sozialistische Partei« durch die Wahlkommission für dumm. »Die verstehen offenbar nicht, dass viele demokratische Staaten sozialistische und sogar kommunistische Parteien haben, selbst Japan.« Er will notfalls vor Gericht ziehen.

Suthachai war einer der wenigen Akademiker unter den Rothemden. Und er ist ein Kritiker Thaksin Shinawatras, des vom Militär im September 2006 entmachteten populären Premierministers, der in bürgerlichen Medien als Idol der Rothemden dargestellt wird. »In Thailand brauchen wir dringend eine alternative Politik. Die Ungleichheit zwischen Reichen und Armen ist zu groß. Die Mehrheit der Thailänder sind arm, und ich glaube nicht, dass Thaksins populistische Politik auf Dauer die Probleme des Landes lösen wird«, sagt der Professor.

Die neue Partei sieht sich in einer Parallele zu europäischen Parteien. »Auch wenn viele sozialistische Parteien in Europa den Weg ins rechte Lager eingeschlagen und den Neoliberalismus akzeptiert haben, gewährleisten sie doch ein gewisses Niveau des Wohlfahrtsstaates. Es wäre wesentlich besser, wenn wir so etwas in der Art in Thailand hätten. Unsere prinzipielle Ideologie ist jedoch der Marxismus.«

Diese »prinzipielle Ideologie« dürfte indes den meisten Thailändern, die sich für einen eigenen »Thai-Stil« einsetzen, fremd sein. Und die Idee der »Wohlfahrtsstaat-Politik« müsste genauer bestimmt werden. Aber solange die Rothemdenbewegung, die sich von einer »Thai-Stil«-Ideologie abzuwenden beginnt, im Wachsen begriffen ist, gibt es Raum für eine neue Sozialistische Partei in Thailand.

* Aus: Neues Deutschland, 22. Juni 2009


Zurück zur Thailand-Seite

Zurück zur Homepage