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Das Zündeln der Nationalisten

Internationaler Gerichtshof in Den Haag will Urteile im Grenzstreit Thailand – Kambodscha fällen

Von Thomas Berger *

Die Nachbarschaftsbeziehungen zwischen Thailand und Kambodscha dürften demnächst erneut einer Belastungsprobe ausgesetzt werden. Für April hat der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag eine weitere Anhörung im Grenzstreit angesetzt. Im Oktober wird dann ein Urteil über die genaue Zuordnung des historischen Preah-Vihear-Tempels erwartet. Eigentlich ist die Sachlage seit einem halben Jahrhundert klar: 1962 bereits sprach der IGH das Monument, das quasi direkt auf der nicht überall genau verifizierten Grenzlinie liegt, den Kambodschanern zu. Das Urteil seinerzeit betraf aber nur den aus der Zeit des Khmer-Großreiches zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert stammenden Tempelbau im engeren Sinne. Das umliegende Areal blieb in der Zuordnung weiter umstritten – bis heute.

Entsprechend mußte ein erster Vorstoß Kambodschas, Preah Vihear als architektonisches Zeugnis jener Epoche, zu der auch Angkor Wat gehört, auf die UNESCO-Welterbeliste setzen zu lassen, abgeblasen werden. 2008 war Thailands Regierung kurz davor, dieses Anliegen nicht zu behindern, ruderte aber aufgrund des enormen Drucks nationalistischer Kreise zurück. Inzwischen hat Kambodscha nun abermals den IGH eingeschaltet. Die Richter werden um eine Klarstellung zum damaligen Urteil ersucht.

Je näher die Anhörung im April rückt, desto mehr drängt das nationalistische Lager, das »keinen Quadratzentimeter thailändischen Bodens« preisgeben will, wieder in die Öffentlichkeit. Ganz vorn stehen die »Gelbhemden« der Volksallianz für Demokratie (PAD). Die monarchistisch-konservative Vereinigung, angeführt von Sondhi Limthongkul und Chamlong Srimuang, spricht dem IGH sogar jegliche Autorität ab, in dem Territorialkonflikt Urteile zu fällen. Damit reagiert die PAD insbesondere auf das Eingeständnis der Regierung, daß Thailands Aussichten bei der Anhörung nicht sonderlich gut stehen. Vor allem Außenminister ­Surapong Tovichakchaikul steht in der Kritik, nachdem er seine Landsleute gemahnt hat, auf jede Art von Resultat gefaßt zu sein. Auch Armeechef Prayuth Chanocha mahnte, jedes Ergebnis zu akzeptieren. Doch von einer eventuellen Niederlage im Grenzstreit wollen selbst die oppositionellen Demokraten nichts wissen.

In den Regierungen beider Länder ist man unterdessen bemüht, den Konflikt – bei dem es in den vergangenen Jahren sogar zu Schußwechseln zwischen den Grenztruppen kam – nicht wieder hochkochen zu lassen. In diesem Sinne ist auch die Entscheidung des kambodschanischen Premiers Hun Sen zu werten, zwei in Haft sitzende PAD-Aktivisten zu amnestieren bzw. die Strafe zu verkürzen. Während Veera Somkwamkid zunächst sechs Monate seiner acht Jahre Haft erlassen bekommt, kann Mitstreiterin Ratree Pipattanapaiboon in Kürze die Heimreise antreten – die Amnestie soll am 4. Februar bei der Trauerfeier für den verstorbenen Exkönig Prinz Norodom Sihanouk in Kraft treten. Beide waren gemeinsam mit fünf weiteren PAD-Mitgliedern, darunter einem damaligen DP-Abgeordneten, im Dezember 2010 bei einer »Inspektionstour« im Grenzgebiet festgenommen worden. Die Mitstreiter bekamen ihre Haftstrafe wegen illegaler Einreise erlassen, gegen die beiden noch Inhaftierten kam aber der Vorwurf der Spionage hinzu.

* Aus: junge Welt, Freitag, 18. Januar 2013


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