Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Jeder andere wäre schon im Krieg"

Thailand und Kambodscha streiten weiter

Von Thomas Berger *

Die südostasiatischen Nachbarn Thailand und Kambodscha sind einer Lösung ihres Grenzkonflikts noch keinen Schritt näher gekommen. In den letzten Tagen hat sich der »Tempelstreit« sogar ausgeweitet.

Khieu Kanharith, Kambodschas Informationsminister, verkündete zu Wochenbeginn, nach den Parlamentswahlen Ende Juli müsse zunächst eine neue Regierung gebildet werden. Erst danach könnten die Verhandlungen über eine Beilegung des Streits um das Gebiet am Tempel Preah Viihear wieder aufgenommen werden. Eine friedliche Lösung bleibe das erklärte Ziel beider Seiten.

Niemand in den politischen Führungskreisen habe Interesse an einer weiteren Verschärfung der Spannungen, verlautete auch aus der Spitze des thailändischen Militärs. Oberbefehlshaber General Boonsrang Niumpradit gab sich auf Reporterfragen zugeknöpft. Keineswegs werde er die Debatte anheizen, sagte Boonsrang.

Die Auseinandersetzungen um den Grenzverlauf zwischen Kambodscha und Thailand reichen bis ins Jahr 1962 zurück, doch lange Zeit war es darum still. Umso größer fiel die Überraschung im Ausland aus, als der Konflikt Mitte Juli wieder aufflammte. Es war die Zeit, als die UNESCO weitere Stätten in ihre Welterbeliste aufnahm -- darunter auf Antrag Kambodschas den aus dem 11. Jahrhundert stammenden Tempel Preah Vihear. Das Heiligtum liegt auf kambodschanischem Territorium, knapp fünf Quadratkilometer der Außenanlage sind jedoch umstritten. Politikerkreise in Thailand hatten dem Welterbe-Antrag der Nachbarn deshalb jegliche Unterstützung verweigert. Als Bangkoks Außenminister auf der Suche nach einer diplomatischen Einigung Zugeständnisse machte, musste er sogar seinen Hut nehmen.

Beide Seiten entsandten Einheiten ihrer Armeen in das Grenzgebiet. Kambodschas Regierungschef Hun Sen erklärte jetzt in einer Rundfunkansprache: »Ich möchte den König von Thailand respektvoll darauf hinweisen, dass jeder andere als Hun Sen als Premierminister bereits seit dem 15. Juli mit Thailand im Krieg wäre... Aber eben nicht ich.«

In Bangkok gibt sich die außerparlamentarische Opposition noch unnachgiebiger als die Regierung. 20 000 Teilnehmer einer Demonstration der Volksallianz für Demokratie (PAD) reklamierten Preah Vihear am vergangenen Wochenende lautstark für ihr Land und warnten vor einem »Ausverkauf nationaler Interessen«.

Inzwischen hat sich der Streit auf einen weiteren Tempel namens Ta Moan Thom ausgedehnt. Dabei hätten die Unterhändler beider Seiten eigentlich den Grenzverlauf an anderer Stelle klären sollen -- im Golf von Thailand. An der Seegrenze werden nämlich ergiebige Lagerstätten von Erdöl und Erdgas verortet, die angesichts der Rekordpreise für Rohöl jeder gern für sich ausbeuten würde.

Entgegen der Ankündigung Khieu Kanhariths hieß es zuletzt, die Außenminister würden sich bereits am 18. August wieder treffen. Die Aussichten auf eine bilaterale Einigung sind gleichwohl gedämpft. Offen wird in Phnom Penh und Bangkok schon davon gesprochen, den Streitfall dem UN-Sicherheitsrat vorzulegen. Ein UN-Vermittler hätte allerdings in gleicher Weise mit dem wachsenden Nationalismus zu kämpfen, der jeglichen Kompromiss erschwert, weil Zugeständnisse umgehend als »Verrat« gebrandmarkt würden. Die ohnehin angeschlagene Regierung von Thailands Premier Samak Sundaravej will ihren Gegnern möglichst keinen weiteren Zündstoff liefern. Anders als Hun Sen kann sich Samak durch den Streit nicht profilieren, jeder Fehlgriff brächte ihn unter noch größeren Druck. Eine gerade erfolgte Regierungsumbildung hat ihm wegen einiger umstrittener Personalien keine Atempause verschaffen können.

* Aus: Neues Deutschland, 7. August 2008


Zurück zur Thailand-Seite

Zur Kambodscha-Seite

Zurück zur Homepage