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Erwünschte Absetzung

Saudischer Exgeheimdienstchef unterlief US-Pläne bei Waffenlieferung an syrische Aufständische

Von Karin Leukefeld *

Der internationale Sondervermittler für Syrien, Lakhdar Brahimi, hat den Abbruch von Verhandlungen um die weitere Evakuierung von Zivilisten aus der umkämpften Altstadt von Homs bedauert. Verhandlungen zwischen der Regierung und einem lokalen Versöhnungskomitee seien »brutal gestoppt« worden, hieß es in einer Erklärung des Diplomaten vom vergangenen Donnerstag. »Große Hoffnungen in ganz Syrien, der Region und weltweit« hätten die Gespräche begleitet, nun sei Homs erneut zum »Schauplatz von Tod und Zerstörung« geworden. Alle Parteien müßten »an den Verhandlungs­tisch zurückkehren und die Vereinbarung, die kurz vor der Unterzeichnung gestanden habe, beschließen«.

Zwei Monate nach Verabschiedung der UN-Resolution über humanitäre Hilfe in Syrien hatte sich der Sicherheitsrat erneut mit der Lage in Syrien befaßt. Man unterstütze den Aufruf von Lakhdar Brahimi an alle Seiten, weiter zu verhandeln, erklärte die derzeitige Vorsitzende des Gremiums Joy Ogwu, die Botschafterin Nigerias bei der UN. Der syrische Vertreter dort, Botschafter Baschar Al-Jaafari, wies darauf hin, das noch etwa 170 Zivilisten in der Altstadt seien, die ihre Wohnungen verlassen wollten. Das bestätigte gegenüber jW kürzlich auch Pater Michel Naaman in Homs. Als Gründe nannte er Krankheit, Alter und Armut der Personen. Vor einer Woche war einer der stärksten Fürsprecher der Zivilbevölkerung in der Altstadt von Homs, der Jesuitenpater Francis, in deren Konvent in der Altstadt von Unbekannten mit zwei Kopfschüssen ermordet worden.

Aufständische planen offenbar erneut gezielte Angriffe auf Lagerstätten syrischer Chemiewaffen in der Provinz Homs. Al-Jaafari legte dem UN-Sicherheitsrat eine entsprechende Videoaufnahme vor, wie der Radiosender Stimme Rußlands mitteilte. Dieser überreichte außerdem Mitschnitte eines abgehörten Gesprächs, in dem offenbar der Angriff mit chemischen Substanzen auf Jobar besprochen wird, einen Vorort von Damaskus. Die Attacke im August 2013 war den syrischen Streitkräften angelastet worden. Diese hatten jedoch jede Verantwortung zurückgewiesen. Al-Jaafari beschuldigte erneut Saudi-Arabien, Katar und die Türkei, die bewaffneten Gruppen zu unterstützen. Zuletzt hätten Kämpfer das US-Raketenabwehrsystem BGM-71 (TOW) erhalten, wie die Washington Post am vergangenen Mittwoch berichtet hatte. Die Vereinigten Staaten hat sowohl die Türkei als auch Saudi-Arabien mit diesem Waffensystem beliefert.

Offiziell warnt die US-Administration vor der Belieferung von bewaffneten Gruppen in Syrien mit diesen Waffen, weil sie in die Hände von »Extremisten« der Al-Qaida gelangen könnten. Der US-Geheimdienst ist allerdings seit Ende 2011 in Waffenlieferungen an diese Gruppen involviert und kooperiert dabei auch mit dem saudischen Geheimdienst. Weil aus Riad aber sowohl »moderate« als auch »extreme« Kampfverbände in Syrien ausgerüstet wurden, hat sich Washington seit Ende 2013 für einen Wechsel an der Spitze des saudischen Geheimdienstes stark gemacht. Der bisherige saudische Geheimdienstchef Prinz Bandar Bin Sultan wurde nun offiziell per königlichem Dekret seines Amtes entbunden. Mit seiner freizügigen Aufrüstung auch der Al-Qaida nahen Kampfgruppen in Syrien habe der Prinz die Pläne Washingtons unterlaufen, die eher die »moderaten« Verbände aufrüsten wollten, berichtete das Onlineportal Middle East Online.

Der saudische Oberspion war bis 2012 saudischer Botschafter in Washington und pflegte engste Beziehungen zu den Familien der früheren US-Präsidenten George und George W. Bush. Der Prinz habe sich überschätzt, analysierte nun der Sicherheitsexperte Emile Hokayem. Die Widersprüche mit seinen westlichen und regionalen Partnern, insbesondere Katar und Türkei, hätten das Königreich überfordert. Prinz Bandar war bereits im Februar zu einer medizinischen Behandlung in die USA geschickt worden. Sein bisheriger Stellvertreter, Yusef Al-Idrissi soll nun übergangsweise den Geheimdienst führen, bis ein Mitglied der königlichen Familie den Job übernimmt.

* Aus: junge Welt, Samstag 19. April 2014


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