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PKK-Verbot mit allen Schikanen

Kobanis Verteidiger werden gefeiert. Mit ihnen solidarische Kurden in der BRD oft kriminalisiert

Von Katrin Küfer *

Die Verteidigungskräfte der von Einheiten der Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS) belagerten Stadt Kobani in Nordsyrien hatten in den letzten Wochen eine gute Presse. Entsprechende Solidaritätsaktionen in Deutschland waren aber Gegenstand von Kriminalisierungsversuchen, die mit dem 1993 erlassenen Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begründet werden. Während Kobani überwiegend von syrischen Kurdinnen und Kurden bewohnt wird, leben in Deutschland mehr Menschen aus den kurdischen Gebieten der Türkei, wo die PKK für ein ähnliches Gesellschaftsmodell kämpft, wie es in den selbstverwalteten Gebieten Syriens die prokurdische PYD maßgeblich gestaltet.

Bei Massendemonstrationen in der BRD werden Auflagen im Zusammenhang mit dem PKK-Verbot nicht immer gewaltsam durchgesetzt, dafür sind Polizeikräfte bei kleineren Aktionen teils umso strenger. Die prominenteste Betroffene dürfte die Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke (Die Linke) sein, die am 18. Oktober bei einer Kundgebung in München gegen das PKK-Verbot protestierte, indem sie als Akt des zivilen Ungehorsams eine solche Fahne hochhielt. Wie das Büro der Politikerin am Montag gegenüber junge Welt bestätigte, ist im Bundestag nun die Aufhebung ihrer Immunität beantragt worden.

Vor solchen Schikanen, die ausländische Staatsbürger noch viel empfindlicher treffen können, hat unlängst auch die hessische Landtagsabgeordnete Barbara Cárdenas (Die Linke) gewarnt. »Während Menschen in Kobane ihr Leben zur Verteidigung gegen den terroristischen IS einsetzen, werden in Wiesbaden, Göttingen, Mainz und anderswo kurdische Aktivisten kriminalisiert und unter Androhung von strafrechtlichen Konsequenzen aufgefordert, bestimmte Parolen nicht zu skandieren und keine Fahnen von PKK-Führer Abdullah Öcalan zu zeigen«, so die flüchtlingspolitische Sprecherin ihrer Fraktion.

So sei bei einer Mahnwache in Wiesbaden eine Frau offenbar allein aufgrund des Rufens der Parole »Biji Serok Apo« - »Lang lebe der Vorsitzende Apo«, so Öcalans Spitzname - von vier Polizisten angehalten und erkennungsdienstlich behandelt worden. Dabei habe der Bundesgerichtshof schon im November 2002 (3 StR 299/02) entschieden, dass das Verbieten dieser Parole gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verstoße.

Die Linke solidarisiere sich mit den Menschen in Kobani und ihren Selbstverteidigungseinheiten und rufe die Menschen in der BRD auf, sich von Polizeimaßnahmen nicht einschüchtern zu lassen, betont Cárdenas. Es sei »absurd«, wenn einerseits Waffenlieferungen an die Kurden gefordert und die PKK-nahen Volksverteidigungskräfte (YPG) als mutige Verteidiger von Kobani gefeiert würden, andererseits aber die Akteure von Mahnwachen aufgrund ihrer solidarischen Haltung kriminalisiert. Die Forderungen nach der Freilassung Öcalans und der Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland seien legitim.

»Das Tragen von Transparenten strafbaren Inhaltes (sowohl in der Bundesrepublik als auch im Ausland) und die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sind untersagt«, hatten die Behörden dem Leiter einer Kobani-Mahnwache in Wiesbaden mitgeteilt. Detaillierter waren die seitenlangen Auflagen des Mainzer Ordnungsamtes für eine lokale Mahnwache. Untersagt wurde hier auch das Tragen von Symbolen kurdischer Organisationen, die nicht verboten sind – wie etwa des Studierendenverbands YXK und der YPG. Wer deren Embleme mitführe, verstoße gegen das Vereinsgesetz, weil dann »strafbare Handlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten wären«, behauptete die Behörde im SPD-geführten Mainz.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 4. November 2014


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