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Terrormilizen richten in Syrien Blutbad an

Viele Soldaten bei Sturm auf Stützpunkt getötet *

Die Terrormiliz Islamischer Staat hat nach der Erstürmung eines Militärstützpunktes in Syrien ein Blutbad angerichtet. Ein wichtiges Gasfeld nahmen Regierungstruppen wieder ein.

Bei der Einnahme eines syrischen Armeestützpunktes hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mindestens 85 Soldaten getötet. Die Zahl könnte noch steigen, denn das Schicksal von etwa 200 Militärs war am Wochenende weiter unklar, wie die oppositionsnahe Beobachtungsgruppe für Menschenrechte erklärte. Bei den Kämpfen seien auch 28 militante Islamisten getötet worden. Staatliche syrische Medien bestätigten die Zahl der Toten nicht, berichteten aber über eine Offensive gegen »Terroristen« in Rakka.

Nach Angaben der Aktivisten hatten die bewaffneten sunnitischen Extremisten die Militärbasis in der Provinz Rakka – eine Hochburg der Dschihadisten – überfallen und dort auch Selbstmordanschläge verübt. Die Kämpfe hätten zwei Tage gedauert. Dabei hätten IS-Kämpfer auch Soldaten hingerichtet und enthauptet, die sich auf dem Rückzug befunden hätten. Dutzende Leichen – zum Teil ohne Kopf – seien dann in die Straßen der Stadt Rakka gelegt worden, hieß es. Die Organisation IS hatte am Freitag bereits erklärt, sie habe den Armeestützpunkt übernommen.

Den Aktivisten zufolge haben nun die Regierungstruppen Luftangriffe auf die Region verstärkt. Bei einem solchen Militärschlag in der Nähe eines Krankenhauses in Rakka seien fünf Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen ein Kind.

Die syrische Armee brachte unterdessen ein von der IS-Miliz erobertes Gasfeld nach einwöchigen Kämpfen wieder unter ihre Kontrolle. Das berichteten syrische Staatsmedien und die oppositionsnahen Menschenrechtsbeobachter übereinstimmend.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete am Sonntag, eine große Zahl IS-Kämpfer sei bei den Gefechten im Osten der Stadt Homs getötet worden. Derzeit arbeiteten Armeeeinheiten daran, Minen und andere Sprengfallen auf dem Gelände aufzuspüren und zu entsorgen.

IS-Kämpfer hatten das Gasfeld Schaar am 18. Juli erobert und dabei nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte etwa 300 Anhänger der Regierung von Präsident Baschar al-Assad getötet. Die extremistischen IS-Kämpfer kontrollieren vor allem im Norden und Osten Syriens mittlerweile ein Gebiet, das fünfmal so groß ist wie der Nachbarstaat Libanon.

Auch in Irak haben sie große Teile im Norden und Westen des Landes erobert. Die Terrorgruppe hatte vor einem Monat in den beiden Ländern ein »Islamisches Kalifat« ausgerufen.

Der im März 2011 zunächst friedlich begonnene Aufstand gegen Assad hat Schätzungen zufolge inzwischen mehr als 170 000 Menschen das Leben gekostet. Millionen Menschen sind auf der Flucht.

* Aus: neues deutschland. Montag, 28. Juli 2014


Gasfeld zurückerobert

Syrien: Armee und Islamisten melden militärische Erfolge. Rußland plant Ausbau von Marinestützpunkt Tartus **

In Syrien vermeldeten am Wochenende sowohl die Armee des Landes als auch die Gruppe »Islamischer Staat« (IS) militärische Erfolge. Die Streitkräfte haben offenbar ein strategisch bedeutsames Gasfeld in der Provinz Homs von den Dschihadisten zurückerobert, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Dies bestätigte sowohl die in London ansässige oppositionelle »Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte« als auch die syrische Armee selbst. Diese hatte nach eigener Darstellung mehrere IS-Kämpfer getötet und das gesamte Feld Al-Schaar erfolgreich unter ihre Kontrolle gebracht. Die größte Gasförderanlage Syriens war erst vor einer Woche von den Dschihadisten erobert worden.

IS-Kämpfer nahmen Medien zufolge einen wichtigen Stützpunkt bei der Stadt Raqqa im Osten Syriens ein. Dem russischen Fernsehsender Russia Today zufolge veröffentlichten die Islamisten am Freitag abend Fotos aus der Kaserne und erklärten, die Regierungstruppen hätten das Quartier der 17. Division verlassen und sich in nahegelegenen Dörfern verstreut. »Unsere Brüder stürmten das Gebäude, in dem sich Dutzende Soldaten befanden. Wir haben 13 Märtyrer in den Kämpfen verloren«, erklärte demnach ein IS-Kämpfer gegenüber der New York Times. Zuvor hatte es stundenlange Gefechte gegeben. Während die IS-Miliz vom Boden aus angriff, attackierten Regierungstruppen per Helikopter aus der Luft. Syrischen Regierungsangaben zufolge wurde der Stützpunkt nicht eingenommen, die Soldaten hätten sich nur zurückgezogen, um auf Verstärkung für einen Gegenangriff zu warten.

Wie Russia Today berichtete, wurden die Soldaten, die von IS-Leuten gefaßt wurden, geköpft. Die Gruppe veröffentlichte Fotos davon, eines zeigte die Köpfe von zwei Offizieren in der Mitte des zentralen Platzes in Raqqa. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von 50 Hinrichtungen. Demnach sollen außerdem binnen 48 Stunden 16 Soldaten bei Kämpfen getötet worden sein, 19 weitere seien bei zwei Selbstmordanschlägen ums Leben gekommen. Das Schicksal von etwa 200 Militärs sei weiter unklar. Auch in der Provinz Aleppo lieferten sich Armee und IS-Kämpfer in der Nacht zum Samstag Gefechte.

Die IS-Gruppen kontrollieren vor allem einen großen Teil des Nordens und Ostens von Syrien, auch im Irak haben sie große Gebiete im Norden und Westen erobert. Die sunnitische Miliz hatte vor einem Monat in den beiden Ländern ein »Islamisches Kalifat« ausgerufen. In der nordirakischen Stadt Mossul sprengten IS-Kämpfer am Samstag ein schiitisches Heiligtum. Sie hätten den Schrein von Nabi Schit (»Prophet Seth«) am Samstag abgesperrt und danach unter den Augen der Anwohner in die Luft gejagt, berichtete ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur AFP. Seth wird im Islam ebenso wie im Juden- und Christentum als dritter Sohn von Adam und Eva verehrt. Bereits am Freitag hatten IS-Milizen ein als Grabmal von Nabi Junus (»Prophet Jonas«) bekanntes Heiligtum zerstört.

Aus Rußland hieß es unterdessen, das Land wolle seinen Marinestützpunkt in der syrischen Hafenstadt Tartus von 2015 an gründlich modernisieren. Die Basis solle dann künftig russische Kriegsschiffe höherer Klassen aufnehmen können, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf den Generalstab in Moskau am Sonntag. Tartus werde nicht nur erhalten, sondern »bedeutend erneuert mit Blick auf die politische Situation in Syrien und die militärische Lage in der Mittelmeerregion«, hieß es. Die gesamte Infrastruktur der aus den 1970er Jahren stammenden Basis solle modernisiert werden. Verstärkt werden sollten zudem die Verteidigungsanlagen des Stützpunkts – unter anderem mit einer Luftabwehr.

** Aus: junge Welt. Montag, 28. Juli 2014


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