Kampf gegen denselben Feind
Syriens Präsident Assad, der UN-Sicherheitsrat und die US-geführte Koalition gegen den IS stehen mit einem Mal in einer Front – Partner wollen sie nicht sein
Von Karin Leukefeld *
Präsident Baschar Al-Assad muss »Teil der Lösung« des Konflikts in Syrien sein. Dies erklärte der UN-Sondervermittler für Syrien, Staffan de Mistura, nach Gesprächen mit der politischen Führung in Damaskus in dieser Woche. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem österreichischen Außenminister Sebastian Kurz betonte de Mistura am Freitag in Wien, dass der einzige Ausweg für Syrien »nur eine politische Lösung« sein könne. Wenn das nicht gelinge, wäre »der einzige Nutznießer Daesh«, wie der »Islamische Staat« (IS) auch genannt wird. Außenminister Kurz beeilte sich derweil um eine Distanzierung von Assad. »Im Kampf gegen IS kann es notwendig sein, auf der gleichen Seite zu kämpfen«, sagte der Österreicher; aber auch: »Assad wird nie ein Freund oder gar ein Partner sein.« De Mistura wird am 17. Februar in New York den UN-Sicherheitsrat informieren.
Das 15köpfige Gremium der Vereinten Nationen hatte vor wenigen Tagen einstimmig einer von Russland vorgelegten Resolution zugestimmt, die jeglichen Handel mit Al-Qaida-Gruppen, etwa der Nusra-Front, und dem »Islamischen Staat« verbietet. Ausdrücklich wird der Handel mit Öl und mit geplünderten antiken Gütern aus Syrien und aus dem Irak genannt. Verstöße gegen die Resolution, die sich an alle 193 UN-Mitgliedsstaaten richtet, können mit Wirtschaftssanktionen bestraft werden. Ein militärisches Eingreifen wurde nicht beschlossen. Die meisten illegalen Geschäfte der genannten Gruppen laufen über die Türkei und den Libanon.
Die UN-Resolution spricht sich außerdem gegen Lösegeldzahlungen für entführte Staatsbürger aus. Europäische Staaten, aber auch das Golfemirat Katar haben direkt oder indirekt in der Vergangenheit Millionensummen aufgebracht, um Verschleppte freizukaufen. Die Türkei hatte im Oktober 2014 gefangene Gotteskrieger freigelassen, um im Gegenzug die Freilassung türkischer Geiseln aus der Hand des IS in Mossul zu erwirken.
Jordanien könnte derweil die Führung der arabischen Staaten innerhalb der US-Koalition im Kampf gegen den »Islamischen Staat« übernehmen. Nach Bekanntwerden der Ermordung eines jordanischen Piloten hatte Ammans Luftwaffe ihre Angriffe auf Stellungen der Gruppen in Syrien und Irak drastisch ausgeweitet. Unterstützt wird Jordanien von Kampfjets der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die nach dem Abschuss des jordanischen Piloten im Dezember vergangenen Jahres ihre Angriffe ausgesetzt hatten. Mittlerweile sind Kampfjets der VAE nach Amman verlegt worden. In der kommenden Woche soll in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad ein Treffen von hochrangigen Militärs der US-geführten Koalition gegen den IS stattfinden.
Die syrische Armee verschärft derweil ihre Attacken auf Stellungen der Nusra- und der »Islamischen Front« im Süden des Landes. Unterstützt wird sie dabei nach Angaben eines Militärsprechers von der libanesischen Hisbollah und von iranischen Militärberatern. Ziel ist, die Nachschublinien für die Kampfverbände in der entmilitarisierten Zone auf dem Golan abzuschneiden. Dort hatte die Nusra-Front im September 2014 den Abzug der UN-Blauhelmmission (UNDOF) erzwungen. Auch im Umland von Damaskus hat die Armee erneut schwere Angriffe auf Stellungen von Kampfverbänden gestartet. Ausgelöst wurde die Operation durch massiven Raketen- und Mörserbeschuss der Hauptstadt vor einer Woche, bei dem mindestens neun Personen getötet worden waren. Die Attacke auf Damaskus ging auf das Konto der »Islamischen Armee« unter Führung von Zahran Aloush, der Saudi-Arabien nahe steht. Dieser will einen Waffenstillstand anderer Kampfgruppen mit der syrischen Armee verhindern und hat – im Gespräch mit dem Fernsehsender Al-Dschasira – weitere Angriffe auf Damaskus angekündigt. In Zukunft werde er keine Vorwarnung mehr geben, so Aloush, sondern »600 bis 1.000 Raketen auf einmal abschießen« als »Vergeltung für die barbarischen Angriffe des Regimes auf Duma, wo vor allem Zivilisten getroffen werden«. Vor wenigen Wochen waren mit Hilfe des syrischen Roten Halbmondes knapp 4.000 Zivilisten aus Duma evakuiert worden.
* Aus: junge Welt, Samstag, 14. Februar 2015
Assad in der BBC: »Außerordentlich höflich«
Drei Jahre soll Jeremy Bowen auf diesen Tag gewartet haben. Dann war es endlich soweit. Anfang Februar stellte sich der syrische Präsident Baschar Al-Assad den Fragen des BBC-Reporters, der bei dem britischen Sender für den Nahen Osten verantwortlich ist. BBC strahlte das in Englisch geführte Gespräch am 10. Februar in einer Länge von knapp 27 Minuten aus. Laut Bowen soll es fast eine Stunde gedauert haben. Die syrische Nachrichtenagentur SANA lieferte am gleichen Tag eine ungekürzte Mitschrift, aus der hervorging, dass Bowen insgesamt 67mal das Wort ergriff, wobei er seinen Interviewpartner mehrmals unterbrach. 66mal stellte der Reporter Fragen oder Nachfragen, und am Ende bedankte er sich für das Gespräch. Der syrische Präsident sei stets ruhig und »außerordentlich höflich« gewesen, so Bowen. »Und er lächelt ziemlich viel.«
Bowen konfrontierte den syrischen Präsidenten mit Fragen zur politischen und militärischen Situation in Syrien: Ob die Regierung Fehler einräume gegenüber den Demonstranten, warum sie humanitäre Hilfslieferungen in von Kämpfern gehaltenen Gebiete unterbinde. Er fragte, warum die Armee »Fassbomben« abwerfe und ob Assads Militär Fehler gemacht habe. Dann wollte er wissen, ob es eine Koordination mit den USA bei den Luftangriffen auf den »Islamischen Staat im Irak und in der Levante« gebe: »Sprechen Sie mit den Amerikanern? Koordinieren Sie sich?« »Nein«, antwortet der syrische Präsident: »Denn sie sprechen mit niemandem außer mit ihren Marionetten. Und sie trampeln problemlos das Völkerrecht nieder und damit auch unsere Souveränität.« Bowen fragt nach: »Aber ich bin doch neugierig, da fliegt das amerikanische Militär im Himmel über Syrien und auch Ihre Luftwaffe ist in der Luft, aber bisher hat es nicht einmal einen Kampf zwischen Ihnen gegeben. Keiner hat auf den anderen geschossen, kein Kampfjet wurde abgeschossen. Alles sieht danach aus, dass es Leute geben muss, die miteinander reden.« Das sei »korrekt«, so die Antwort von Assad, es gäbe aber »keine direkte Kooperation«. Also über den Irak, will Bowen wissen. »Durch dritte Parteien, mehr als eine Partei«, antwortet Assad. »Irak und andere Länder, sie vermitteln Botschaften.« Es gebe keine taktische Zusammenarbeit. »Wenn wir etwas in unserem Territorium tun, dann fragen wir niemanden und wir sagen niemandem Bescheid. Wir tun es einfach.« (kl)
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