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Empörung über "Cowboy-Politik"

US-Angriff auf Syrien international verurteilt / LINKE: Bundesregierung muss aktiv werden *

Die USA haben einen Hubschrauberangriff in Syrien bestätigt, bei dem nach syrischen Angaben acht Menschen ums Leben kamen.

Washington/Berlin (Agenturen/ ND). US-Streitkräfte seien am Sonntag (26. Okt.) in syrisches Gebiet vorgedrungen, sagte ein US-Regierungsvertreter am Montag in Washington. Der Einsatz gegen ausländische Kämpfer sei »erfolgreich« gewesen. Zuvor hatte die irakische Regierung mitgeteilt, der Angriff auf ein syrisches Dorf sei gegen Aufständische und Terroristen gerichtet gewesen. Syrien protestierte gegen den Einsatz und bestellte die diplomatischen Vertreter der USA und Iraks ein.

Offiziellen syrischen Angaben zufolge waren US-Soldaten am Sonntag mit Hubschraubern in einem Dorf an der Grenze zu Irak gelandet und hatten dort acht Menschen getötet. Die Soldaten hätten ein im Bau befindliches ziviles Gebäude angegriffen und auf die Bauarbeiter geschossen. Anschließend hätten die Helikopter Syrien in Richtung Irak verlassen.

Der Regierungsvertreter in Washington war der erste US-Offizielle, der sich zu dem Vorfall äußerte. Die US-geführten Koalitionstruppen in Irak hatten zuvor auf Anfrage erklärt, sie hätten »keinerlei Informationen« über den Vorfall.

Iraks Regierungssprecher Ali al-Dabagh sagte in Bagdad, in dem angegriffenen Gebiet seien Aufständische aktiv, die Syrien als Basis für Aktionen gegen Irak nutzten. Die irakische Regierung habe wegen des Angriffs mit den USA in Verbindung gestanden.

Der syrische Außenminister Walid al-Muallim sagte am Montag (27. Okt.) am Rande eines Besuchs in London: »Das nennen wir bei uns Cowboy-Politik.« Die syrische Regierung werde im Falle eines erneuten Angriffs von ihrem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch machen, betonte er.

Die staatliche syrische Zeitung »Tischrin« bezeichnete den Angriff als »Kriegsverbrechen« und »kaltblütigen Mord« und machte die US-Regierung unter Präsident George W. Bush für den Überfall verantwortlich. Das syrische Außenministerium forderte Bagdad auf, den Vorfall zu untersuchen und zu verhindern, dass Irak als Ausgangspunkt für Angriffe gegen Syrien genutzt werde.

Der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora verurteilte den Angriff als gefährliche und inakzeptable »Verletzung der syrischen Souveränität«. Die Palästinenserorganisation Hamas sprach von einem »barbarischen Angriff«.

Auch Russland verurteilte den US-Angriff in Syrien scharf. Unter dem »Motto des Anti-Terror-Kampfes« dürften keine Territorien souveräner Staaten angegriffen werden, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Andrej Nesterenko, am Montag (27. Oktober). Moskau habe den Angriff mit »großer Besorgnis« zur Kenntnis genommen. Solche einseitigen Gewaltakte würden die Spannungen in der Region gefährlich schüren.

Unterdessen erwartet die LINKE von der Bundesregierung, »dass sie von den USA eine vollständige Aufklärung über die Hintergründe des Angriffs einschließlich der zu beklagenden Opfer einfordert«. Die Bundesregierung müsse den USA »eindeutig klar machen, dass die völkerrechtswidrigen Übergriffe der USA auf andere Staaten von der deutschen Politik nicht toleriert werden«, erklärte Wolfgang Gehrcke, Sprecher der Linksfraktion für internationale Beziehungen. »Völkerrechtswidrig haben die USA Ziele in Syrien angegriffen. Völkerrechtswidrig bombardieren die USA Ziele auf pakistanischem Territorium. Überall muss der Krieg gegen den Terror als Begründung herhalten.«

* Aus: Neues Deutschland, 28. Oktober 2008

Irak: Gefechte und Anschläge

Christen von Gewaltwelle betroffen

US-Soldaten haben am Montag (27. Okt.) bei Razzien in der Umgebung der nordirakischen Städte Mossul und Tikrit nach eigenen Angaben vier mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen getötet.

Bagdad (dpa/epd/ND). In Bagdad erschossen US-Soldaten nach Angaben des Militärkommandos fünf »Kriminelle«, die sie an einer Straßensperre attackiert hatten. Ebenfalls in der Hauptstadt starben drei Zivilisten durch einen Sprengstoffanschlag. Die Nachrichtenagentur Aswat al-Irak meldete, fünf weitere Menschen seien verletzt worden, als der Sprengsatz im Amin-Viertel im Osten der Stadt neben einem Auto explodierte. Eine Bombe, die an einem Fahrzeug befestigt war, tötete im Stadtzentrum einen Zivilisten und verletzte sieben Menschen.

Ein irakischer Soldat kam in der Ortschaft Tus Chormato ums Leben, als ein Sprengsatz in seinem Auto explodierte. Das US-Militär berichtete weiter, ein US-amerikanischer Soldat sei bereits vergangene Woche in einer Klinik in den USA an seinen Verletzungen gestorben, die ihm Aufständische am 16. Oktober in der irakischen Stadt Bakuba zugefügt hatten.

Unterdessen bezichtigte der chaldäische Bischof von Erbil, Rabban al-Kas, die irakische Regierung, der Gewalt gegen die christliche Minderheit tatenlos zuzusehen. »Was in diesen Tagen geschieht, ist das Ergebnis eines langen Schweigens des Ministerpräsidenten«, sagte er am Montag dem katholischen Nachrichtendienst Asianews zufolge. Mitverantwortung für die zunehmenden Übergriffe gegen Christen vor allem in der nordirakischen Stadt Mossul trügen auch das US-Militär sowie in Irak tätige Vertreter der Vereinten Nationen.

Der chaldäische Bischof verglich die derzeitige Lage mit den Christenverfolgungen der frühen Jahrhunderte. Selbst gemäßigte Muslime wagten aus Angst vor Racheakten nicht mehr, christlichen Nachbarn und Bekannten Schutz zu gewähren. In den vergangenen Wochen wurden laut Asianews allein in Mossul 14 Christen getötet. Tausende Christen befinden sich auf der Flucht vor der Gewalt.

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, sich für verfolgte Christen in Irak einzusetzen. Die Kanzlerin solle ihren politischen Einfluss geltend machen, damit irakische Flüchtlinge einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland und anderen EU-Ländern erhielten, erklärte die ACK.

(Neues Deutschland, 28.10.2008)




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