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Scud Raketen, Waffenlieferungen und als Sorge um den Frieden getarnte Kriegsdrohungen

Der Ton wir eindeutiger und rauer: Israel fordert von USA mehr Engagement gegen Iran

Die folgenden Artikel und Kommentare machen vor allem eines deutlich: Alle gelenkten oder bestellten Gerüchte über Waffenlieferungen an Syrien und Libanon resp. die dortige Hisbollah sollen einen möglichen Militärschlag Israels gegen den Iran plausibel erscheinen lassen. Der Artikel von Ari Shavit aus der israelischen Zeitung "Haaretz" ist eine einzige Aufforderung an die Adresse des US-Präsidenten Obama, die politischen Daumenschrauben gegen Iran weiter anzuziehen und auch Gewaltmaßnahmen ins Auge zu fassen. Das Ziel ist klar: "Um einen Krieg im Nahen Osten zu verhindern, müssen die USA und Israel Stärke und Großzügigkeit zeigen; Abschreckung und Mäßigung. Sie müssen gemeinsam einen behutsamen und graduellen politischen Prozess in Gang setzen, der die Extremisten in der Region schwächt, die Gemäßigten stärkt und den Iran eindämmt." Und die Methode zur Eindämmung Irans ist nicht den Frieden vorzubereiten, sondern Härte (bis zum Krieg?) zu zeigen. Ari Shavit schreibt: Die entscheidende Aufgabe heute im Nahen Osten ist die Verhinderung eines Krieges. Eine solche ist nicht identisch mit dem Streben nach Frieden. Manchmal heizt gerade der Versuch, einen nicht erreichbaren Frieden zu erlangen, einen Krieg an. Mit anderen Worten: Wer den großen Krieg im Nahen Osten verhindern will, muss bereit sein zum "kleinen" Krieg.


USA: Immer mehr Waffen an Hisbollah

Syrien und Iran rüsten die libanesische Hisbollah-Miliz nach Erkenntnissen der USA mit immer leistungsfähigeren Raketen aus. »Inzwischen ist die Hisbollah mit mehr Waffen und Raketen ausgestattet als so manche Regierung, was unweigerlich zu einer Destabilisierung der Region führt«, sagte Verteidigungsminister Robert Gates im Beisein seines israelischen Kollegen Ehud Barak in Washington.

Gates nannte Syrien und Iran explizit als die Lieferanten und bekräftigte damit einen von der israelischen Regierung erhobenen Vorwurf. Dass es sich um Scud-Raketen handele, wie Israels Präsident Schimon Peres vor knapp zwei Wochen sagte, bestätigte er allerdings nicht. Israel sieht sich besonders durch diese Raketen bedroht, die mit einer Reichweite von etwa 300 Kilometern große israelische Städte erreichen könnten.

Der Hisbollah-Abgeordnete Hassan Fadlallah sagte der dieser Bewegung nahestehenden Zeitung »As Safir«: »Unsere Wahl ist und bleibt es, so viele Waffen des Widerstands zu sichern wie möglich.« Die Waffen der Hisbollah seien nichts im Vergleich zu denen der USA und ihres Verbündeten Israel.

* Aus: Neues Deutschland, 29. April 2010


Ein schwelender Vulkan

Von Ari Shavit *

Wird im Sommer ein Krieg ausbrechen? In Israel möchte man noch immer glauben, dass die die Ordnung im Nahen Osten stabilisierenden Kräfte stärker sind als die sie destabilisierenden. Man glaubt an die Abschreckung, wie sie im Norden und im Süden im zweiten Libanonkrieg und in der Operation „Gegossenes Blei“ erzielt worden ist. König Abdallah ist jedoch nicht der Einzige, der vor einem Krieg im Sommer warnt. Auch andere internationale Akteure, die die Region gut kennen, fürchten eine plötzliche militärische Eskalation. Man kann nicht wissen, wann der nächste Krieg ausbrechen wird, warnen sie. Auch kann man nicht wissen wo, aber der Nahe Osten ist zu einem Pulverfass geworden. Zwischen dem Sommer 2010 und dem Sommer 2011 könnte sich das Pulver entzünden.

Das primäre Kriegsszenario ist ein Konflikt mit dem Iran. Sollten die Vereinigten Staaten oder Israel im kommenden Jahr mit Gewalt gegen den Iran vorgehen, würde der Iran zurückschlagen. Der iranische Gegenschlag würde direkt und indirekt erfolgen. Der indirekte Gegenschlag wäre ein Schlag der Hisbollah. Bei einer Reaktion Israels könnte Syrien womöglich nicht untätig bleiben. Ein Krieg zwischen Israel und Iran, Syrien sowie der Hisbollah würde keinem Krieg gleichen, den wir in der Vergangenheit gekannt haben. Hunderte von Raketen würden in Tel Aviv niedergehen. Tausende Bürger würden getötet werden. Hunderte von Raketen würden Luftwaffenbasen und Kommandozentralen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) treffen. Hunderte von Soldaten würden getötet werden. Die harte israelische Reaktion würde Beirut und Damaskus niederzwingen. Israel würde siegen. Aber der Sieg wäre schmerzhaft und teuer.

Das zweite Kriegsszenario ist das der Beschwichtigung Irans. Sollte Obama sich im kommenden Jahr gegenüber Iran so verhalten wie Bush gegenüber Nordkorea, würde der Iran atomar werden. Sollte Obama Israel davon abhalten, gegen den Iran vorzugehen, und selbst von einem Vorgehen gegen den Iran abgehalten werden, würde der Iran zur Führungsmacht im Nahen Osten werden. Das Ergebnis wäre ein Ansehensverlust für die USA innerhalb der sunnitischen Welt und ein Verlust von Hemmungen gegenüber Israel in der schiitischen und radikalen Welt. In der Folge könnten schwere Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas, der Hisbollah und vielleicht auch Syrien ausbrechen. Danach könnte auch eine gewaltsame Verschlechterung zwischen Israel und anderen Nachbarn eintreten.

Ein Verlust der strategischen Hegemonie der USA würde dazu führen, dass die Feinde des Westens den Nahen Osten durcheinander bringen. Ein Verlust des strategischen Monopols Israels würde dazu führen, dass es von alten und neuen Feinden angegriffen wird. Die Zeit der relativen Ruhe, die das Verhältnis zwischen Israel und der arabischen Welt in den vergangenen 35 Jahren charakterisiert hat, wäre unwiederbringlich dahin.

Die Schlussfolgerung ist klar: Die entscheidende Aufgabe heute im Nahen Osten ist die Verhinderung eines Krieges. Eine solche ist nicht identisch mit dem Streben nach Frieden. Manchmal heizt gerade der Versuch, einen nicht erreichbaren Frieden zu erlangen, einen Krieg an. In der sensiblen Situation heute ist kein Platz für Illusionen und für Fehler. Der Political Correctness darf nicht gestattet werden, ein historisches Unglück herbeizuführen. Wenn man die Brille der Political Correctness abnimmt, sieht man ein klareres Bild. Um einen Krieg im Nahen Osten zu verhindern, müssen die USA und Israel Stärke und Großzügigkeit zeigen; Abschreckung und Mäßigung. Sie müssen gemeinsam einen behutsamen und graduellen politischen Prozess in Gang setzen, der die Extremisten in der Region schwächt, die Gemäßigten stärkt und den Iran eindämmt. Sie müssen die Allianz der Demokratien aufrechterhalten, die seit zwei Generationen das westliche Asien stabilisiert hat.

Die Hauptverantwortung liegt heute bei den Vereinigten Staaten. Die Regierung Netanyahu hat im vergangenen Jahr Fehler gemacht, aber auch die Obama-Administration. 15 kostbare Monate hat die US-Administration für den Dialog ohne Sanktionen mit dem Iran verschwendet; für die Illusion eine sofortigen israelisch-palästinensischen Friedens. Der offene und einseitige Druck, den Washington auf Jerusalem ausgeübt hat, hat den Frieden in weitere Entfernung gerückt und den Krieg näher gebracht. Wenn die Obama-Administration nicht will, das der nächste Krieg auf ihren Namen eingetragen wird, muss sie schleunigst ihre Politik ändern; von Israel das Mögliche und nicht das Fantastische fordern; vom Iran das Notwendige fordern. Sie muss klare und nüchterne Führungskraft beweisen, die heute einen Krieg verhindern und morgen zum Frieden führen wird.

Der Vulkan, der vergangene Woche in Island ausbrach, ist gar nichts gegen den Vulkan, der in naher Zukunft im Nahen Osten ausbrechen könnte. Der hiesige Vulkan ist allerdings ein menschlicher Vulkan. Menschen schüren ihn, und Menschen können ihn löschen. Das Leben hunderter Millionen hängt gegenwärtig von der Vernunft und Bedachtheit eines Mannes ab: Barack Obama.

(Haaretz, 22.04.10)

Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin, 22. April 2010


Netanyahu: Israel plant keine Aktion gegen Syrien

Israels Ministerpräsident Binyamin Netanyahu hat am Montag Gerüchten widersprochen, wonach Israel ein militärisches Vorgehen gegen Syrien ins Auge fasse.

„Es ist nichts Wahres an dem Hinweis, dass Israel einen militärischen Schritt gegen Syrien plant“, sagte Netanyahu auf dem Parteitag seines Likud, wobei er hinzufügte, die entsprechenden Gerüchte würden aller Wahrscheinlichkeit nach vom Iran und der Hisbollah gestreut, um die internationale Gemeinschaft vom iranischen Atomprogramm abzulenken.

„Der Iran eilt weiter auf Atomwaffen zu“, sagte der Ministerpräsident. „Die internationale Gemeinschaft arbeitet eine Übereinkunft zur Verhängung von Sanktionen gegen den Iran aus, aber ich denke nicht, dass dies im kommenden Monat passiert.“

(Haaretz, 26.04.10)




Scheinheilige Sorgen

Von Roland Etzel **

Die israelische Auffassung davon, was man von einem angrenzenden Land verlangen und wie man mit ihm darüber reden darf, ist häufig kaum vereinbar mit international üblichen Normen. Im Moment sieht sich der nördliche Nachbar Libanon in dieser Weise unter Druck gesetzt. Es geht um vermeintliche Raketenlieferungen Irans oder/und Syriens an die Hisbollah, die stärkste Partei der größten Religionsgruppe Libanons. Die Frage ist mit einer Kriegsdrohung unterlegt, daran lässt Israels Verteidigungsminister, der Sozialdemokrat Barak, keine Zweifel.

Im Großraum Libanon befinden sich - auch wegen des letzten israelischen Krieges gegen Libanon im Jahre 2006 - UNO-Truppen, NATO-Streitkräfte und in diesem Verbund auch Schiffe der Deutschen Marine, von denen dazu bisher überhaupt nichts verlautete. Das ist mindestens merkwürdig, geht es doch hier nicht um Kleinwaffen. Aber selbst wenn alles so wäre, wie von Israel behauptet, ist die Aufregung scheinheilig. Die UNO-Resolution 1706, die dem Krieg von 2006 folgte, legt fest, dass keinerlei Waffen gegen den Willen der Beiruter Regierung ins Land gebracht werden dürfen. Da der Vorwurf Israels aber von eben jener Regierung zurückgewiesen wird, braucht sich in Israel auch keiner um sie zu sorgen.

Das tut man wohl auch nicht. Eher treibt Barak, Peres und alle, die sich so erregt über diesen Vorgang zeigen, der Gedanke um die vorsichtige amerikanisch-syrische Annäherung um. Nach der Wiederernennung von Botschaftern gab es zuletzt weitere Kontakte. Eine Denunziation Syriens als illegaler Waffenlieferant könnte diesen Israel sehr unangenehmen Prozess einer Entdämonisierung des Landes bremsen.

* Aus: Neues Deutschland vom 29. April 2010 (Kommentar)


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