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Moskau bleibt argwöhnisch

Russland wird an Lieferungen von Verteidigungswaffen an Syrien festhalten

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Russland wird Syrien auf der Basis von Verträgen aus dem Jahre 2010 auch weiter mit Raketenwerfen des Typs S-300 beliefern. Das berichtete die Moskauer Tageszeitung »Kommersant« am Montag.

»Kommersant« will erfahren haben, dass die Waffenexporte Russlands an Syrien bei den Besuchen von Außenminister Sergej Lawrow in Deutschland und Polen am vergangenen Freitag eine herausragende Rolle gespielt haben. Bundesaußenminister Guido Westerwelle haben seinen russischen Kollegen gewarnt: Bemühungen um eine friedliche Beilegung des Konflikts hätten nur dann Erfolgschancen, wenn Moskau die Lieferungen einstellt.

Lawrow, so schreibt das Blatt unter Berufung auf Kreise der russischen Delegation, habe daraufhin erklärt, Moskau werde mit Damaskus keine neuen Abkommen zu Rüstungslieferungen schließen, bereits rechtskräftige jedoch erfüllen. Ein Teil der Militärtechnik - insgesamt soll es sich um sechs Startrampen und 144 Boden-Luft-Kurzstreckenraketen im Wert von 900 Millionen US-Dollar handeln - sei bereits ausgeliefert, der Rest versandfertig. Es gehe dabei um Defensivwaffen, die ausschließlich der Abwehr von Luftangriffen dienten. Lawrow verwies in diesem Zusammenhang auf die Bombenschläge der israelischen Luftwaffe in der Nacht zum vorvergangenen Sonntag. Deren Ziel war nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters die Vernichtung von Waffen für die libanesische Hisbollah. Nach Darstellung der syrischen Nachrichtenagentur SANA dagegen galt der Angriff einem Forschungszentrum bei Damaskus. Wie RIA Nowosti schreibt, sehen Moskau und Damaskus in dieser Aktion einen Testlauf für eine bevorstehende militärische Intervention in Syrien.

Die Waffenlieferungen, berichtet »Kommersant« weiter, seien auch Schlüsselthema bei den Konsultationen von Präsident Wladimir Putin mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu diese Woche in Sotschi. Beide Politiker hatten am 6. Mai in einem Telefongespräch die Lage in und um Syrien besprochen. Der russische Präsident hatte den israelischen Premier vor »unerwünschten Folgen« bei einem militärischen Eingriff in Syrien gewarnt. Zugleich soll er ein persönliches Treffen angeregt haben, wie sein Pressesprecher Dmitri Peskow sagte. Russische und ausländische Medien vermuten, Netanjahu werde Putin in Sotschi nochmals bitten, keine Luftabwehr an Syrien zu liefern. Putin hatte sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, Waffenlieferungen an alle syrischen Konfliktparteien zu stoppen.

Beobachter in Moskau erklären den Widerstand des Westens gegen russische Raketenlieferungen an Syrien nicht nur mit Rücksichtnahme auf Israel, sondern vor allem damit, dass moderne russische Luftabwehrwaffen die Einführung einer Flugverbotszone wie 2011 in Libyen - sie hatte entscheidende Bedeutung für den Sturz Muammar Gaddafis - erheblich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen würde. In Berlin wie in Warschau, so »Kommersant« unter Berufung auf einen Teilnehmer der Konsultationen, habe man Lawrow jedoch versichert, dass es derartige Pläne für Syrien nicht gäbe.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 14. Mai 2013


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