Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Reden statt schießen

Syrien: Vertreter von Regierung und Opposition bekunden Gesprächsbereitschaft

Von Karin Leukefeld *

Der Präsident der oppositionellen Syrischen Nationalen Koalition, Mouaz Al-Khatib, hat seine Gesprächsbereitschaft mit Vertretern der syrischen Regierung erneuert. Über seine Facebook-Seite schlug er vor, sich in einem von bewaffneten Aufständischen in Nordsyrien kontrollierten Gebiet zu treffen, Al-Khatib spricht von »befreiten Gebieten in Nordsyrien«. Ziel sei es, einen Weg zu finden, wie Präsident Baschar Al-Assad »mit einem Minimum an Blut und Zerstörung« zum Rücktritt bewegt werden könne. Vor wenigen Tagen hatte er – ebenfalls per Facebook – vorgeschlagen, sich mit dem stellvertretenden syrischen Präsidenten Faruk Al-Scharaa zu treffen. In Kairo sagte Al-Khatib am Montag, er habe bisher keine Rückmeldung aus Damaskus, dieses sei »seine letzte Botschaft an das Regime«. Die Koalition wolle »keinen Krieg, aber wir haben auch nichts dagegen, bis zum Tod weiterzukämpfen, um Syrien von diesem Regime zu befreien«.

Die Nationale Koalition unterstützt die bewaffneten Kämpfer in Syrien und teilweise auch eine ausländische Intervention. Die von Al-Khatib geäußerte Gesprächsbereitschaft ist in der Koalition umstritten. Insbesondere der Syrische Nationalrat (SNR) und die Muslimbruderschaft lehnen jeden Dialog mit der Regierung ab. Der UNO-Sondervermittler Lakhdar Brahimi traf sich am Sonntag in Kairo mit verschiedenen Vertretern der syrischen Opposition. In einer UNO-Stellungnahme hieß es anschließend, Brahimi habe die Opposition »ermutigt, den Weg des Dialogs mit der syrischen Regierung weiter zu verfolgen«.

Weil sie das westliche Vorgehen gegen Syrien ebenso wenig richtig finden wie das Vorgehen bewaffneter Aufständischer in Syrien, hat eine Konferenz von syrischen Oppositionellen in Genf Ende Januar in westlichen Medien kaum Aufmerksamkeit erhalten. Auf Einladung der Schwedischen Gesellschaft für Menschenrechte, der Arabischen Menschenrechtskommission und des Horan-Bürgerforums waren am 29. Januar rund 150 Oppositionelle aus Syrien und aus dem Ausland zusammengetroffen, um friedliche Wege zu einem politischen Übergangsprozeß in Syrien zu finden. Angesichts der Gefahr, daß die nationale Einheit Syriens zerstört werden könne halte man »das Internationale Genfer Abkommen für eine gültige Grundlage« für Gespräche, heißt es in der Abschlußerklärung. Mit »politischen Verhandlungen zwischen der Opposition und den Behörden« solle eine »Verfassungserklärung« ausgearbeitet werden, die die rechtliche Grundlage für eine Übergangsregierung mit allen Vollmachten bildet und Parlaments- und Präsidentenwahlen unter internationaler Aufsicht organisiert.« Die Stellungnahme enthält keinerlei Vorbedingungen für Gespräche.

Der syrische Informationsminister Omran Aal-Zoubi hatte am vergangenen Freitag abend in einem Interview mit dem Syrischen Fernsehen erklärt, Syrien sei zu einem ernsthaften Dialog »ohne Vorbedingungen« bereit. Die Tür sei »offen, der Verhandlungstisch ist da, willkommen allen Syrern, die mit uns einen Dialog führen wollen«, sagte Al-Zoubi. Niemand werde ausgeschlossen, der sich ernsthaft um eine Lösung bemühe und bereit sei, die Waffen niederzulegen. Wenn Staaten in der Region sich verpflichten würden, den Schmuggel von Waffen und Kämpfern nach Syrien zu unterbinden, werde das helfen, den politischen Prozeß in Syrien zu beschleunigen. Das Innenministerium erklärte, daß Oppositionelle, die zu einem nationalen Dialog nach Syrien einreisen wollten, nicht mit Strafverfolgung zu rechnen hätten.

In Syrien finden inzwischen fast täglich sogenannte »Treffen der nationalen Versöhnung« statt, die vom gleichnamigen Ministerium mit örtlichen Gemeindevertretern abgehalten werden. Anfang Februar hatte ein solches Treffen in Deraa, im Süden Syriens stattgefunden, am vergangenen Wochenende gab es ein Versöhnungstreffen in Homs unter dem Titel »Toleranz in Syrien«. In einer Zehn-Punkte-Erklärung verpflichteten sich die Teilnehmer, den Dialog fortzuführen, die Rückkehr Vertriebener und die Freilassung von Gefangenen zu erwirken. Kämpfe und Entführungen müßten gestoppt werden.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 12. Februar 2013


Zurück zur Syrien-Seite

Zurück zur Homepage