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Tausende Tonnen Waffen

Katar und Saudi-Arabien bestehen auf Ausrüstung der Aufständischen in Syrien. Vorstoß von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gescheitert

Von Karin Leukefeld *

Für Syrien »gibt es nur eine Lösung: ernsthaft zu helfen, diesen Krieg zu beenden«. Das sagte der Sondervermittler für das arabische Land, Lakhdar Brahimi, am Freitag am Sitz der Vereinten Nationen in New York zu Journalisten. Zuvor hatte er die 15 Staaten des UN-Sicherheitsrates über die »schwerste Krise« informiert, die es in der Welt derzeit gebe. Immerhin habe er den Eindruck gewonnen, daß man im Sicherheitsrat nun verstanden habe, daß man diese in Syrien vor sich habe, so Brahimi.

Brahimi ist in einer schwierigen Lage. Während der eine seiner Auftraggeber, der UN-Sicherheitsrat, sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen in Syrien einigen kann, torpediert der andere Auftraggeber, die Arabische Liga, die Mission durch Parteinahme für die Aufständischen. Schließlich hat sich Brahimi durch einseitige Äußerungen gegen den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad selbst ins Abseits manövriert, so daß seine Einflußmöglichkeiten als »neutraler Vermittler« erheblich gesunken sind.

Seinem Vorgänger, dem früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan, war es gelungen, im April 2012 einen Waffenstillstand und anschließend die Stationierung einer UN-Beobachtermission in Syrien zu erreichen. Als politisches Instrument zur Beendigung des Krieges schuf er im Juni desselben Jahres die »Genfer Vereinbarung«, die von allen Vetomächten im Sicherheitsrat unterzeichnet worden war. Dieses Abkommen sieht die Bildung einer Übergangsregierung aus Vertretern des jetzigen Kabinetts und der Opposition vor, die Parlamentswahlen sowie die Einleitung eines verfassunggebenden Prozesses vorbereiten sollte. Die Rolle des amtierenden Präsidenten Assad war nicht erwähnt worden. Damaskus stimmte damals mit Vorbehalten zu, US-Außenministerin Hillary Clinton forderte jedoch noch am gleichen Tag, der syrische Staatschef müsse »verstehen, daß seine Zeit abgelaufen ist«. Kofi Annan quittierte den Job.

Lakhdar Brahimi konzentrierte sich auf die drei Ebenen des Konflikts. Auf der nationalen Ebene versuchte er ohne Erfolg, die vom Westen anerkannte Opposition und die syrische Führung an einen Tisch zu bringen. Auf regionaler Ebene sollten die Unterstützerstaaten der jeweiligen Kriegsparteien – Iran, Türkei, Ägypten und Saudi-Arabien – verhandeln. Doch schon beim zweiten Treffen in Kairo erschienen Vertreter des saudischen Königshauses nicht mehr. Immerhin habe es Gespräche zwischen Rußland und den USA gegeben, sagte Brahimi, doch die Ergebnisse seien »nicht ausreichend«.

Am Montag traf sich Lakhdar Brahimi mit den Generalsekretären seiner beiden Auftraggeber: der UNO und der Arabischen Liga. Außer einem Foto kam nicht viel dabei heraus, denn auf eines hatten sich Ban Ki Moon und Nabil Al-Arabi nicht einigen können: die Einstellung von Waffenlieferungen.

Das war bei einem früheren Treffen am Montag deutlich geworden, bei dem beide Generalsekretäre sich mit dem Ministerpräsidenten und Außenminister von Katar, Scheich Hamad bin Dschassim bin Dschabr Al-Thani, getroffen hatten. Das Emirat hat Anfang 2013 den Vorsitz der Arabischen Liga übernommen und fungiert somit als Auftraggeber von Al-Arabi. Ban Ki Moon hatte auf ein Ende der Waffenlieferungen und auf »einen Dialog zwischen den Parteien« gedrängt. Katar hingegen hatte beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga am 26. März Waffenlieferungen an die Aufständischen als »rechtmäßig« durchgesetzt. Entsprechend wies Al-Arabi den Vorstoß des UN-Generalsekretärs zurück. Wenn es eine »politische Einigung« gebe, könne man darüber reden, »jetzt aber ist das nicht möglich«, erklärte er nach Angaben des saudischen Fernsehsenders Al-Arabija. Die New York Times hatte kürzlich berichtet, daß Katar und Saudi-Arabien seit Januar 2012 über Jordanien und die Türkei mehr als 3500 Tonnen Waffen an die Aufständischen geliefert haben.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 24. April 2013


NATO braucht Russland für Botschaft an Syrien

Damaskus beklagt Informationskrieg des Westens **

Die NATO zeigt sich besorgt über die Lage in Syrien. »Wir brauchen zweifellos eine starke und einheitliche Botschaft der internationalen Gemeinschaft, eine Botschaft, die das Regime in Damaskus nicht missverstehen kann«, sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Dienstag auf einem Treffen der Außenminister des Bündnisses in Brüssel. Die Minister der 28 NATO-Staaten wollten auch mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow über Syrien reden. Moskau unterstützt nach wie vor Staatspräsident Baschar al-Assad. Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte Russland auf, an einer politischen Lösung des Konflikts in Syrien mitzuwirken. Es müssten »Wege gefunden werden, wie Gespräche geführt werden können in Syrien selbst«, sagte Westerwelle. »Und da spielt natürlich Russland eine große Rolle.«

Derweil sieht sich Syrien einem vom Westen geführten Informationskrieg ausgesetzt und bittet Russland um Hilfe, um das internationale Publikum über den tatsächlichen Stand der Dinge im Land zu informieren. »Dutzende Nachrichtenagenturen und Fernsehsender nehmen an dem Krieg gegen uns teil«, sagte der syrische Informationsminister Omran al-Zoubi laut der Nachrichtenagentur Ria Novosti während seines Moskau-Besuchs am Dienstag. Die syrischen Sender hingegen seien von den Übertragungssatelliten abgeschnitten. »Saudi-Arabien verwehrt uns den Zugang (…) Sie haben wahrscheinlich Angst davor, dass die Welt das wahre Bild von den Ereignissen in Syrien sieht«, sagte der syrische Minister in der Staatsduma. »Ich bitte die russischen Kollegen um Hilfe, um über die Wahrheit zu informieren und diese nicht nur ans russische Publikum, sondern auch an das westliche heranzutragen. Wir sagen die Wahrheit, können diese jedoch nicht verbreiten«, betonte der Politiker aus Damaskus.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 24. April 2013


Unterm Raketenschild

Von Olaf Standke ***

Offiziell ist die NATO in Syrien nicht engagiert, aber wie die Außenminister der Mitgliedstaaten gestern in Brüssel erklärten, sei man überaus besorgt über die Entwicklung dort. Und die Allianz hofft auf Moskaus Unterstützung für eine »starke« Botschaft an das Regime in Damaskus. Auch beim Abzug aus Afghanistan setzt man im Nordatlantik-Pakt auf die logistische Hilfe Russlands, um die geschätzt 100 000 Container und 60 000 Fahrzeuge aus dem Kriegsgebiet herauszuholen. Es gibt zudem eine aus NATO-Sicht erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Ausbildung von Hubschraubertechnikern oder Drogenfahndern für Zentralasien und Afghanistan. Also Anzeichen für ein Tauwetter in den zuletzt stark unterkühlten bilateralen Beziehungen?

Vor zweieinhalb Jahren auf dem NATO-Gipfel in Lissabon habe man zwar angekündigt, die Partnerschaft wirklich strategisch zu machen. Davon aber, so Pakt-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf der Frühjahrstagung in Brüssel, könne noch längst keine Rede sein. Messlatte bleibt hier vor allem die geplante Raketenabwehr des Militärbündnisses. Die Gespräche über die vereinbarte Kooperation blieben bislang ohne Ergebnis, und auch der nach der Wiederwahl von Barack Obama verkündete Neustart der Verhandlungen zeigt keine Fortschritte: »Nicht erfreut« gab sich Moskau dieser Tage über die jüngsten Vorschläge des USA-Präsidenten, die weiter eine rechtverbindliche Sicherheitsgarantie für den Fall einer Stationierung des Raketenschildes ausschließen.

*** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 24. April 2013 (Kommentar)


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