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Streit um neue UN-Resolution: Syriens Opposition ruft nach Nato

Die Russische Nachrichtenenagentur RIA Novosti zu den internationalen Reaktionen auf das jüngste Massaker *

Die Syrien-Krise hält an - und zwar nicht nur in dem vom Bürgerkrieg erfassten Land, sondern auch im UN-Sicherheitsrat, schreibt die Zeitung "Rossijskaja Gaseta" in ihrer Freitagsausgabe.

Die westliche Diplomatie mit den USA an der Spitze will Russland und China zur Annahme einer UN-Resolution zwingen, die eine internationale Intervention in Syrien vorsieht. Für das Blutvergießen wird nach wie vor der syrische Präsident Baschar al-Assad verantwortlich gemacht.

Laut diesem Dokument, das dieser Tage in den Weltsicherheitsrat eingebracht wurde, sollen die syrischen Behörden binnen zehn Tagen die Kämpfe einstellen und die Truppen aus den Städten abziehen. Andernfalls muss Assads Regime mit wirtschaftlichen und diplomatischen Sanktionen rechnen. Die Autoren des Resolutionsentwurfs berufen sich dabei auf einen Antrag des UN-Beauftragten Kofi Annan, der angeblich darauf wartet, eine der Konfliktseiten für die Verletzung seines Friedensplans zur Verantwortung zu ziehen.

US-Außenamt hofft auf Einigung im Uno-Sicherheitsrat über Syrien-Resolution

WASHINGTON, 13. Juli (RIA Novosti). Das US-Außenamt schließt nicht aus, dass sich alle Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates zu einer Einigung über die Syrien-Resolution kommen können, obgleich Russland heute den von einigen Ländern des Westens vorgelegten Resolutionsentwurf ablehnt.

„Ich habe an vielen Sitzungen des Sicherheitsrates und an vielen Verhandlungen teilgenommen und kann mich an etliche Fälle erinnert, wo sich alle 15 Mitgliedsländer des Sicherheitsrates über weitere Schritte einigen, obgleich sie bis dahin öffentlich unterschiedliche Positionen geäußert haben“, sagte Patrick Ventrell, Sprecher des US-Außenamtes, am Donnerstag. Zugleich wich er der Frage aus, ob er sich an einen Fall erinnert, wo Russland trotz der angekündigten Absicht, von seinem Veto-Recht Gebrauch zu machen, später darauf verzichtet hätte.

(RIA Novosti, 13. Juli 2012; http://de.rian.ru



Annans jüngste Reisen nach Damaskus und Teheran haben aber bewiesen, dass die syrische Regierung sich an den Friedensplan hält, während die Opposition Annans Friedensinitiativen kritisiert, weil sie eine Militärintervention verhindern. Das bedeutet, dass nicht Assad, sondern seine Gegner und ihre Geldgeber zum Frieden gezwungen werden müssten. Der Westen mit den USA an der Spitze besteht jedoch weiterhin darauf, dass die Syrien-Resolution die Forderung enthält, dass nur die Assad-Truppen das Feuer einstellen müssen. De facto wird die Regierung in Damaskus zur Kapitulation gezwungen. Sollte sie es nicht tun, müsste sie mit Sanktionen rechnen. Dabei kommen diese Drohungen von Ländern, die die Oppositionellen offen unterstützen.

Russland sprach sich für einen Resolutionsentwurf aus, der die Vollmachten der UN-Beobachter in Syrien um drei Monate verlängern würde. Zudem lehnt Russland jegliche Sanktionen gegen Damaskus ab. Die Befürworter von scharfen Strafmaßnahmen gegen Assad widersprechen Moskaus Forderung, den Konfliktseiten eine Frist für Friedensverhandlungen einzuräumen. Washington stimmt der Verlängerung des Beobachtermandats grundsätzlich zu, aber nur um 45 Tage. Diese Zeit reicht allerdings offenbar nicht für einen vollwertigen politischen Dialog in Syrien, zumal die Oppositionellen für Assad inakzeptable Bedingungen stellen. Falls die Verhandlungen binnen 45 Tagen scheitern, wäre das ein Anlass für den Abzug der UN-Beobachter aus Syrien und den Start einer Nato-Offensive. Deshalb drängen die westlichen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats darauf, die Verhandlungszeit für die Konfliktseiten zu verkürzen.

Russland wird zweifelsohne wieder von seinem Vetorecht bei der Abstimmung des westlichen Resolutionsentwurfs Gebrauch machen, zumal er viele Vorschläge von US-Außenministerin Hillary Clinton enthält, die sie beim Treffen der so genannten „Syrien-Freunde“ in Genf zum Ausdruck brachte. Clintons Vorstoß stieß jedoch bei Moskau und Peking auf Ablehnung. Jetzt will sich Washington für diesen Misserfolg revanchieren.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass Syriens Botschafter im Irak, Nawaf Fares, zur Opposition übergelaufen ist. Seine Entscheidung gab er in einem Live-Interview mit dem TV-Sender „Al Jazeera“ bekannt. Zuvor hatten Medien über die Flucht des Brigadegenerals Mustafa Tlas nach Paris berichtet, der dem engsten Umfeld von Präsident Assad angehört hatte. Wenn man aber die Sache genauer betrachtet, dann versteht man, warum die beiden geflohen sind: sie sind Sunniten, und der Konflikt in Syrien brach ursprünglich zwischen den an der Macht stehenden Schiiten und Alawiten auf der einen Seite und den Sunniten auf der anderen Seite aus. Fares und Tlas mussten desertieren, weil sie sonst beschuldigt werden könnten, ihre Glaubensgenossen getötet zu haben. Deshalb hatte ihre Flucht keine ideologischen, sondern vor allem religiöse Gründe.

Wenn der Westen und die Ölmonarchien der Golfregion die syrische Opposition offen unterstützen, sehen sich Moskau und Peking ihrerseits berechtigt, auf der Seite der offiziellen Regierung in Damaskus zu stehen. Syrien ist ein neues Beispiel dafür, wie der Westen trotz Völkerrecht unliebsame Herrscher entmachtet. Es ist kein Zufall, dass das geistliche Oberhaupt der Iraner, Ajatollah Ali Chamenei, in dieser Woche seine Gleichgesinnten aufgefordert hat, sich auf das jüngste Gericht und einen neuen Krieg vorzubereiten: Nach Syrien könnte der schiitische Iran ins Visier der sunnitischen Golf-Monarchien geraten.

Aber wenn die syrischen Oppositionellen, von denen die meisten ihr gesamtes Leben im Auslandsexil verbracht haben, doch nicht an die Macht in ihrer Heimat kommen, wird das bedeuten, dass das westliche Rezept zur geopolitischen Wende ausgedient hat. Dann könnte der vorjährige Erfolg in Libyen der letzte dieser Art bleiben.

* Aus: RIA Novosti, Freitag, 13. Juli


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