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Kein Kriegsjubel in Jordanien

Das Königreich möchte bei einem Angriff auf Syrien keine Basis für die US-Bomberflotte sein

Von Oliver Eberhardt, Amman *

Vor einem möglichen Luftangriff gegen Syrien kommen aus Jordanien widersprüchliche Signale: Die Regierung erklärte, ihr Land werde nicht als Basis dienen; hochrangige Militärs widersprechen. Amerikanisch-jordanische Verbände wurden bereits an die Grenze verlegt. Wahrscheinlich ist das Vorgehen wohl kalkuliert.

Es hat Gründe, warum man so selten etwas über Jordanien hört: Inmitten einer Region der Konflikte, der Instabilität, scheint in dem Königreich nie etwas zu passieren. »Wir finden das auch gut so«, sagt Abdullah Ensur, der jordanische Regierungschef. »Wir haben viele Probleme, aber wir haben es geschafft, jahrzehntelang ohne Gewalt auszukommen.«

Doch der Schein, das gesteht der Premierminister offen ein, trügt. Jordanien hat eine bewegte Geschichte hinter sich, in deren Verlauf zunächst Hunderttausende palästinensische Flüchtlinge aufgenommen werden mussten, und dann 1951 König Abdullah I. aus Zorn über die Annektierung des Westjordanlandes durch Jordanien ermordet wurde. In den 70er Jahren lieferte sich das Militär zudem einen Krieg mit der PLO, die bis dahin zu einem Staat im Staat geworden war; mehrere Male marschierte Syriens Armee ein; sieben Mal entging König Hussein einem Mordanschlag.

Irgendwann kehrte dann Ruhe ein. Eine Ruhe, um die sich in Jordanien in diesen Tagen viele sorgen. Denn ein Angriff auf Syrien könnte Jordanien direkt betreffen, auf vielerlei Arten: von der syrischen Grenze bis nach Amman ist es nur ein Katzensprung; syrische Vergeltungsmaßnahmen wären verheerend. Denkbar ist aber auch, dass es zu Unruhen kommen könnte. Trotz der augenscheinlichen Ruhe im Lande ist die soziale Spaltung groß; zudem verurteilt zwar, wie in vielen anderen arabischen Ländern auch, ein Großteil der Öffentlichkeit den Giftgaseinsatz, lehnt aber ein militärisches Eingreifen durch den Westen strikt ab.

Vor allem der palästinensische Bevölkerungsanteil, der mittlerweile auf etwa 70 Prozent geschätzt wird, steht den Vereinigten Staaten wegen ihrer Nähe zu Israel kritisch gegenüber.

Jordaniens Königshaus und Regierung gelten ohnehin schon als extrem pro-westlich und werden dafür häufig in den Medien kritisiert. Aber das Land ist wirtschaftlich und militärisch von den Vereinigten Staaten und Europa abhängig. So unterstützen die USA, aber auch die einstige Mandatsmacht Großbritannien, die das haschemitische Königshaus Anfang der 1920er Jahre einsetzte, die jordanische Armee mit Ausbildung und schweren Waffen; außerdem unterhält Washington eine Militärbasis im Land, auf der auch Spezialeinheiten stationiert sein sollen. Diese Basis ist nun einer der Stützpunkte, die für die Luftangriffe gegen Syrien im Gespräch sind. Eine Aufmerksamkeit, die Premier Ensur zurzeit gar nicht schätzt. Zunächst ließ er vor einigen Tagen seinen Informationsminister Mohammad al-Momani, eine Art Regierungssprecher, erklären, Jordanien stehe nicht als Aufmarschgelände für einen Angriff zur Verfügung. Nun ergänzt Ensur selbst: »Der Westen hat eine Vielzahl von anderen Optionen; er ist nicht auf uns angewiesen.«

Doch ganz so klar, wie es auf den ersten Blick aussieht, sind die Dinge nicht. Ausländische Medien zitierten in den vergangenen Tagen hochrangige Vertreter des Militärs, die klarmachen, dass man fest damit rechnet, in einen Angriff gegen Syrien eingebunden zu werden. Bereits vor zwei Tagen wurden Truppenverbände an die Grenze verlegt – was allerdings in vielen Nachbarstaaten geschieht: Man will für den Ernstfall gegen ein Übergreifen des Konflikts auf das eigene Gebiet gewappnet sein.

Ausländische Diplomaten in Amman halten das alles für Kalkül. »Man zeigt dem Westen, dass man bereit ist mitzumachen, und hofft darauf, dass man in Ruhe gelassen wird«, sagt ein europäischer Diplomat. Das Treffen von westlichen Generalstabschefs habe wohl vor allem deshalb in Jordanien statt gefunden, um zu signalisieren, dass man das Land im Falle eines Angriffes nicht im Stich lassen wird.

* Aus: neues deutschland, Montag, 2. September 2013


Griechische Sorgen vor Syrienkrieg

Opposition ist dagegen, auch der Staatschef mahnt zu Zurückhaltung

Von Anke Stefan, Athen **


Die Möglichkeit eines Militärangriffs auf Syrien stand im Mittelpunkt einer Sondersitzung im griechischen Verteidigungsministerium.

Bei dem Treffen in Athen von Vertretern des Verteidigungsministeriums mit den Generalsekretären aus den Ministerien für Äußeres, Inneres, Bürgerschutz, Gesundheit und Marine sowie der Heeresleitung und den Spitzen von Polizei, Seewacht, Feuerwehr und Geheimdienst ging es weniger um eine mögliche griechische Beteiligung an einem Krieg gegen Syrien. Im Mittelpunkt stand vielmehr die Frage des Umgangs mit einer wahrscheinlichen Welle von Flüchtlingen aus Syrien im Falle einer militärischen Intervention.

Was den Beitrag Griechenlands zu einem Angriff der USA und ihrer Verbündeten auf das bürgerkriegsgeschüttelte Land im Nahen Osten angeht, so war diese bereits bei einem Treffen von Regierungschef Antonis Samaras (Nea Dimokratia) mit seinem Vizeministerpräsidenten und Außenminister Evangelos Venizelos (PASOK) zuvor festgelegt worden.

Wie nach der Begegnung bekannt gegeben wurde, drängt die griechische Regierung darauf, »alle Möglichkeiten für eine politische Lösung auszuschöpfen«. Für den Fall eines NATO-Beschlusses werde sich das Mitgliedsland im atlantischen Verteidigungsbündnis allerdings an seine Verpflichtungen halten. Die bedeutet im Klartext, dass Griechenland keine Einwände gegen die Nutzung der NATO-Basen, insbesondere der in Souda auf Kreta, erheben wird.

Eine darüber hinausgehende Beteiligung werde es auf keinen Fall geben. Zur Vorsicht hatte bereits auch Staatspräsident Karolos Papoulias gemahnt. »Ich hoffe, diejenigen, die die Entscheidung treffen, gehen vorsichtig an die Frage einer militärischen Intervention in Syrien heran«, erklärte der Republikspräsident.

Die griechischen Oppositionsparteien sind kategorisch gegen eine militärische Intervention und die Beteiligung Griechenlands auch durch die Nutzung der dortigen NATO-Basen. Seine Partei stehe für Friedensschaffung und nicht für das Rühren von Kriegstrommeln, erklärte der Fraktionssprecher der größten Oppositionspartei SYRIZA, Nikos Voutsis, in der entsprechenden Parlamentsdebatte. »Unser Volk wird einer Beteiligung an Kriegsplänen nicht zustimmen«, sagte der Sprecher der Linkspartei weiter. Bereits Mitte voriger Woche hatte die Partei einen möglichen Militärschlag der USA und ihrer Verbündeten als »imperialistische Intervention« bezeichnet. Die Vereinten Nationen seien als einzige internationale Organisation, berechtigt und verpflichtet, »auf vollständig objektive Weise die Ursache des barbarischen und nie da gewesenen Angriffs mit chemischen Waffen gegen unschuldige Bürger zu untersuchen«, heißt es in der Erklärung von SYRIZA.

Für die Kommunistische Partei Griechenlands, KKE, käme auch eine Beteiligung im Rahmen eines UNO-Mandates nicht in Frage. Ihre Anhänger demonstrierten vergangene Woche mit einem Marsch vom Parlament zur US-amerikanischen Botschaft in Athen zu Tausenden gegen einen möglichen militärischen Angriff.

»Zuständig für die Entscheidungen über die Entwicklungen in seinem Land ist allein das syrische Volk und selbstverständlich nicht die imperialistischen vielfältigen militärischen, politischen, ökonomischen Interventionen«, erklärte der Generalsekretär der KKE, Dimitris Koutsoubas auf der Protestdemonstration.

Auch anschließend protestierten Mitglieder der KKE in verschiedenen Städten des Landes gegen eine mögliche »imperialistische Intervention«.

Bereits am Mittwoch hatte Koutsoubas sich in dieser Angelegenheit mit den Botschaftern der Volksrepublik China und Russlands in Athen getroffen. Kommende Woche werden Gespräche mit dem Botschafter Irans, aber auch ein Treffen mit Regierungschef Antonis Samaras folgen.

Die kleine Mittelinkspartei DIMAR warnte ebenfalls vor einem weiteren militärischen Eingreifen in der Region.

»Der Beschluss auch einer beschränkten militärischen Intervention derzeit impliziert die Gefahr einer Zuspitzung und Ausweitung der Konfrontation auf syrischem Gebiet, mit allgemeinerer Brandgefahr im Nahen Osten und einer dauerhaften heißen Verwicklung des Westens in der Region«, heißt es in der Stellungnahme der DIMAR zum Thema. Demgegenüber seien die Vereinten Nationen und die Europäische Union verpflichtet, »auf der absoluten Priorität einer politischen Lösung zu bestehen, die dem kriminellen Regime von Assad und dem blutigen Bürgerkrieg ein Ende setzt – einen demokratischen Übergang zur Normalität in Syrien ermöglichend und die Gefahr für die internationale Sicherheit und Stabilität weitmöglichst begrenzend«.

** Aus: neues deutschland, Montag, 2. September 2013


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