Israel beschuldigt Syrien wegen Golan-Protest
23 Tote bei Demonstration gegen Besatzung / UNO-Generalsekretär ruft zur Zurückhaltung auf *
Nach dem Grenzsturm Hunderter Palästinenser auf den annektierten Golanhöhen legt Israel bei den
Vereinten Nationen offiziell Beschwerde gegen Syrien ein.
Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums in
Jerusalem bestätigte am Montag eine solche Beschwerde gegen Syrien. Israel wirft der Regierung in
Damaskus vor, sie missbrauche die palästinensischen Demonstranten, um von den Unruhen im
eigenen Land abzulenken. Am Montag blieb es an der Grenze zu Syrien weitgehend ruhig, obwohl
Demonstranten sich weiter in Grenznähe aufhielten.
Am Sonntag (5. Juni) waren nach syrischen Berichten an der Grenze 23 Menschen getötet und 350 weitere
verletzt worden. Bei den Toten handelt es sich nach Angaben der Aktivisten um 17 Palästinenser
und 6 syrische Sympathisanten, die zum Teil aus weit entfernten Ortschaften stammen. Darunter
waren auch eine Frau, ein zwölfjähriger Junge und ein Journalist. In mehreren palästinensischen
Flüchtlingslagern in Syrien wurden die Toten am Montag unter großer Anteilnahme der Bevölkerung
beigesetzt. Die israelische Armee bestritt diese Angaben. Die Armee habe Kenntnis von »zehn
Toten und Verletzten durch Brandsätze der Krawallmacher«, sagte eine Sprecherin.
Die Demonstranten hatten am sogenannten Naksa-Tag versucht, die Grenze zu den von Israel
besetzten Golanhöhen zu überrennen. Die israelische Armee blieb deswegen am Montag weiter in
erhöhter Alarmbereitschaft. Eine Armeesprecherin in Tel Aviv sagte, die Soldaten hätten Anweisung
erhalten, niemanden von Syrien aus über die Grenze zu lassen. Naksa bedeutet Rückschlag. Die
Palästinenser wollten mit den Protesten an die Eroberung des Westjordanlands, des Gaza-Streifens
und Ost-Jerusalems sowie der Golanhöhen durch Israel während des Sechstagekriegs von 1967
erinnern.
Erst am 15. Mai waren bei einer Kundgebung auf den Golanhöhen gegen die Gründung Israels 1948
vier Menschen durch israelische Sicherheitskräfte getötet worden.
Der israelische Vizeaußenminister Danny Ajalon warf dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad
vor, er setze die Demonstranten als »Kanonenfutter« gegen Israel ein. Israel habe das Recht und
die Pflicht, seine Souveränität zu verteidigen, sagte er dem israelischen Rundfunk am Montag. Das
syrische Staatsfernsehen strahlte am Sonntag eine Dokumentation mit dem Titel »Der Golan in
meinem Herzen« aus.
Nach Angaben der israelischen Armee hatte man die palästinensischen Demonstranten über
Lautsprecher in arabischer Sprache dazu aufgerufen, die Waffenstillstandslinie nicht zu
überschreiten.
Unterdessen hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon alle Beteiligten zu Zurückhaltung aufgerufen. Der
Generalsekretär bedauere »den Verlust von Leben« und verurteile »die Anwendung von Gewalt und
alle Handlungen, die Gewalt provozieren können«, erklärte ein Sprecher Bans am Montag in New
York. Es gelte, »höchste Zurückhaltung« zu wahren und das Völkerrecht zu achten, um Zivilisten zu
schützen.
Ban erklärte, die UN-Mission UNDOF auf den Golanhöhen werde die Ereignisse untersuchen und
helfen, die Lage zu beruhigen.
* Aus: Neues Deutschland, 7. Juni 2011
Massaker an Sicherheitskräften
Syrische Regierung spricht von Hinterhalt. Opposition vermutet Meuterei
Von Karin Leukefeld **
Etwa 120 Angehörige von Polizei- und Sicherheitskräften sollen im Norden Syriens bei Angriffen bewaffneter oppositioneller Gruppen getötet worden sein. Einige der Toten seien verstümmelt, andere in den Fluß Orontes geworfen worden, meldete die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA am Montag. Die Angriffe hätten sich am Sonntag in der Kleinstadt Dschisr Al-Schughur ereignet. Dutzende Sicherheitskräfte wurden auf dem Weg in die Stadt in einem Hinterhalt getötet. Bei der Explosion des örtlichen Postgebäudes starben weitere Polizisten, 37 Beamte wurden bei einem Angriff auf eine Polizeistation getötet. Innenminister Mohammad Ibrahim Al-Schaar erklärte im staatlichen syrischen Fernsehen, der Staat sei verantwortlich für die Sicherheit seiner Bürger, man werde »mit aller Härte« reagieren.
Gegenüber AFP widersprach ein nicht identifizierter Aktivist der Opposition der offiziellen Darstellung. Es habe eine Meuterei unter den syrischen Soldaten gegeben. Sie seien erschossen worden, weil sie sich geweigert hätten, auf Demonstranten zu schießen. Die Regierung bereite ein noch schärferes Vorgehen gegen die Opposition vor, die ausschließlich friedlich demonstriere. Im englischsprachigen arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira hieß es, daß es innerhalb der per Facebook und Internet kommunizierenden syrischen Opposition Streit über den Einsatz von Waffen gebe. Der US-Nachrichtensender CNN berichtete unter Berufung auf eine namentlich nicht genannte Quelle in Syrien, die bewaffneten Kräfte gehörten der Muslimbruderschaft an. Sie hätten ihre Waffen aus der Türkei erhalten. Die türkisch-syrische Grenze liegt nur knapp 20 Kilometer von Dschisr Al-Schughur entfernt.
Frankreich arbeitet derweil gemeinsam mit Großbritannien, Portugal und Deutschland an einer neuen Resolution gegen Syrien für den UN-Sicherheitsrat. Darin wird die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung verurteilt und Zugang für humanitäre Hilfe zu syrischen Städten gefordert.
Die Massenmigration der vergangenen Wochen aus dem syrisch-libanesischen Grenzgebiet in den Libanon ist inzwischen wieder rückläufig. Rund 50 Prozent der Flüchtlinge sind derweil nach Syrien zurückgekehrt, berichtete das UN-Informationsnetzwerk IRIN. Knapp 7000 Syrer hatten im Norden Libanons humanitäre Unterstützung erhalten
** Aus: junge Welt, 8. Juni 2011
Spekulationen um syrische Botschafterin in Paris
Im Zuge der gewaltsamen Niederschlagung der Demonstrationen in Syrien gibt es Spekulationen über den möglicherweise ersten Rücktritt einer syrischen Botschafterin seit Beginn der Protestbewegung. In einer im französischen Fernsehsender France 24 vorgetragenen Erklärung kündigte Syriens Botschafterin in Frankreich, Lamia Schakkur, ihren Rücktritt an. Das syrische Staatsfernsehen strahlte dagegen eine telefonische Erklärung aus, in der Schakkur dies offenbar dementiert und dem französischen Sender mit Klage droht.
Dem französischen Fernsehbericht zufolge bezeichnete Schakkur die Forderungen der syrischen Bevölkerung nach mehr Demokratie und Freiheit als legitim. "Ich kann die Gewaltspirale nicht unterstützen, ignorieren, dass Demonstranten gestorben sind, dass Familien in Schmerz leben", sagte Schakkur demnach. Die Reaktion der syrischen Regierung auf die Proteste sei nicht richtig gewesen. Sie fordere Präsident Baschar el Assad auf, mit den Oppositionsführern zusammenzukommen, um eine neue Regierung zu bilden. Sie habe Assads Privatsekretär über ihren beabsichtigten Rücktritt informiert, dieser trete sofort in Kraft. Im syrischen Staatsfernsehen dagegen hieß es, es handle sich um eine Täuschungskampagne gegen Syrien.
Nach: AFP, 8. Juni 2011
Und am 8. Juni meldete RIA Novosti:
Am Dienstagabend (7. Juni) strahlte der Sender France 24 ein Telefoninterview mit einer Frau aus, die als Syriens Botschafterin Lamia Chakkour vorgestellt wurde. Sie unterstütze die Forderungen des syrischen Volkes nach mehr Demokratie, verurteile die Gewaltaktionen in ihrem Land und verlasse ihren Posten als Botschafterin, sagte eine Frauenstimme.
„Ich werfe France 24 den Diebstahl der Persönlichkeit vor. Ich werde eine Klage für die Desinformation einreichen, die sich in die Verleumdungskampagne einpasst, die im März 2011 gegen Syrien gestartet wurde“, sagte – die echte - Chakkour dem Sender BFMTV.
France 24 sieht sich als Opfer einer Provokation und beteuert, dass der Kanal die Kontakte der Botschafterin in der Pressestelle der syrischen Botschaft bekommen habe und von der Zuverlässigkeit der Information überzeugt gewesen sei.
Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 8. Juni 2011
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