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Vorschlag zur Güte aus Iran

Teheran will vermitteln – vielleicht gibt es doch eine Syrien-Friedenskonferenz

Von Roland Etzel *

Die diplomatische Betriebsamkeit rund um Syrien hält an. Dabei ist nicht zu überhören, dass mit der momentan abgewendeten NATO-Intervention auch die Kriegsrhetorik abgenommen hat – Ausnahme Frankreich.

Die syrische Regierung hat am Freitag angedeutet, dass sie bereit ist, über neue Varianten nachzudenken, den seit zweieinhalb Jahren andauernden inneren Krieg zu beenden. Der stellvertretende Ministerpräsident Kadri Dschamil machte dazu im Londoner »Guardian« den Vorschlag eines Waffenstillstandes und eines anschließenden politischen Prozesses. Dies ist insofern bemerkenswert, als die reguläre syrische Armee seit Monaten in der Offensive ist und langsam, aber stetig in den bisher von Freischärlern kontrollierten Gebieten eine Stadt nach der anderen zurückerobert.

Dazu kommt eine veränderte Rhetorik. Die militanten Regierungsgegner werden nicht mehr als Terroristen bezeichnet, was bislang Verhandlungen von beiden Seiten ausschloss – ganz gleich auf welche der Rebellengruppen diese Bezeichnung zugetroffen haben mag. Zwei Bedingungen werden dafür genannt, die auch schon vom UN-Sonderbotschafter für Syrien, dem Algerier Lakhdar Brahimi, als Voraussetzungen für Friedensgespräche erwähnt worden waren. Das sind neben einer Waffenruhe die Akzeptanz der Repräsentanten und der Verhandlungsführer der jeweils anderen Seite sowie ein Ende der ausländischen Einmischung.

Letzteres würde bedeuten, dass von Syriens Nachbarn vor allem die Türkei dem mehr oder weniger ungehinderten Ein- und Austritt islamistischer Kampftrupps einen Riegel vorschiebt. Für Syriens Präsidenten Baschar al-Assad hieße es, auf die Schützenhilfe der im Stadtguerilla-Krieg erfahrenen Hisbollah-Brigaden aus Libanon zu verzichten, die bisher maßgeblich zur Rückeroberung von Städten beigetragen haben.

Dschamil hält diesen Dialog offenbar im Rahmen einer schon seit Monaten diskutierten Genf-II-Konferenz für möglich. Es dürfte kein Zufall sein, dass am Tag von Dschamils »Guardian«-Interview Teheran seine Vermittlung anbot. Der iranische Präsident Hassan Ruhani schrieb am Donnerstag in einem Beitrag für die »Washington Post«, sein Land wolle den Weg zu Gesprächen zwischen Assad und den Aufständischen ebnen. »Wir müssen uns zusammentun, um auf einen konstruktiven nationalen Dialog hinzuarbeiten, ob in Syrien oder in Bahrain.«

Allerdings kann Iran kaum für sich in Anspruch nehmen, neutraler Makler zu sein, da es in dem Krieg bisher eindeutig auf Seiten Assads stand und auch nicht angedeutet hat, dass es diese Position nun etwa aufgeben wolle. Es dürfte jetzt aber schwerer sein, bei einem künftigen Genf II an Teheran vorbeizusehen.

Auf jeden Fall mutet Ruhanis Wortmeldung konstruktiver an als die Frankreichs, des engsten Verbündeten der Assad-Gegner im Westen. Zu den Ruhani-Vorschlägen äußerte sich Präsident François Hollande nicht. Stattdessen versprach er laut AFP, dass sein Land im »kontrollierten Rahmen« und gemeinsam mit anderen Ländern Waffen an die aufständische Freie Syrische Armee (FSA) liefern wolle. Dabei müsse dafür gesorgt werden, dass die Waffen nicht in die Hände von Dschihadisten gerieten, sagte Hollande. Das aber geschieht gerade, ohne dass die FSA-Syrer den von den Kampfplätzen Afghanistan, Libyen oder Tschetschenien eingesickerten Extremisten nennenswerten Widerstand entgegensetzen können.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 21. September 2013


US-Signale nach Teheran

Kerry sieht Chance für Diplomatie im Atomstreit **

Im Atomstreit mit Iran sehen die USA nach den jüngsten Entspannungssignalen aus Teheran eine Chance für die Diplomatie. US-Außenminister John Kerry sagte am Donnerstag in Washington, die jüngsten Äußerungen des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani seien »sehr positiv«. Zugleich mahnte er, dass die neuen Töne der iranischen Führung noch auf die Probe gestellt werden müssten.

Ruhani hatte dem US-Sender NBC in einem Interview gesagt: »Wir haben niemals eine Atombombe begehrt oder nach ihr gestrebt und werden das auch nicht tun.« Iran wolle lediglich eine »friedliche nukleare Technologie«. Der Westen behauptet seit Jahren, Iran unterhalte ein militärisches Atomprogramm.

In Washington wird indes über ein mögliches Treffen von Ruhani mit US-Präsident Barack Obama am Rande der Generaldebatte der UN-Vollversammlung spekuliert, die am Dienstag in New York beginnt. Das Weiße Haus erklärte, dass derzeit »viele interessante Dinge« aus Iran zu vernehmen seien. Die Äußerungen Ruhanis seien »ermutigend«, so ein Sprecher Obamas. »Handeln ist aber wichtiger als Worte.«

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat angesichts der versöhnlichen Signale aus Teheran zur Vorsicht aufgefordert. Die Weltgemeinschaft dürfe sich »nicht von den unglaubwürdigen Erklärungen des iranischen Präsidenten täuschen lassen«, hieß es in einer am Donnerstag von Netanjahus Büro verbreiteten Erklärung mit Bezug auf Ruhani. Ruhani habe die internationale Gemeinschaft bereits in der Vergangenheit über das iranische Atomprogramm getäuscht. Ruhani war früher Chefunterhändler des iranischen Atomprogramms.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 21. September 2013


Militärisches Patt

Syrischer Minister kündigt Vorschlag für Waffenruhe an. Iran will vermitteln ***

Im Krieg in Syrien herrscht nach Regierungsangaben ein militärisches Patt zwischen den Truppen von Präsident Baschar Al-Assad und den Aufständischen. Weder die bewaffnete Opposition noch die Regierungstruppen seien derzeit imstande, »die andere Seite zu besiegen«, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Qadri Dschamil der britischen Zeitung Guardian vom Donnerstag. Wenn die schon mehrfach verschobene Syrien-Konferenz in Genf zustande komme, werde seine Regierung eine Waffenruhe vorschlagen, sagte Dschamil. Deren Einhaltung könnte von UN-Soldaten überwacht werden.

Der Iran hat sich für den Krieg in Syrien als Vermittler angeboten. ­Teheran sei bereit, konstruktive Gespräche zwischen der Regierung in Damaskus und der syrischen Opposition voranzutreiben, schrieb der iranische Präsident Hassan Rohani in einem Gastbeitrag für die Washington Post.

US-Außenminister John Kerry drängte derweil den UN-Sicherheitsrat zu einer schnellen und umfassenden Resolution. Das Assad-Regime müsse mit dem »stärkstmöglichen Mechanismus« der Vereinten Nationen zur Aufgabe seines Chemiewaffen-Arsenals gedrängt werden, sagte Kerry in Washington. »Die Zeit ist knapp.« Der Sicherheitsrat müsse bereit sein, kommende Woche zu handeln.

Der französische Präsident François Hollande signalisierte erstmals, daß seine Regierung die Aufständischen künftig mit Waffen ausstatten könnte. Die Rebellen würden zwischen den Regierungstruppen einerseits und radikalen Islamisten andererseits aufgerieben, sagte Hollande am Donnerstag bei einem Besuch in Mali.

Syrien hat Einzelheiten zu seinem C-Waffen-Arsenal an die Haager Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) gemeldet. Das teilte die OPCW am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters mit. In den kommenden Tagen würden weitere Informationen erwartet. Die syrischen Bestände an chemischen Kampfstoffen werden auf rund 1000 Tonnen geschätzt.

*** Aus: junge Welt, Samstag, 21. September 2013


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