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Gefährliches Grummeln am Golan

Der Syrienkonflikt sorgt auch an der Grenze zu Israel für militärische Spannungen

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

Eine Woche nach den ersten israelischen Luftangriffen auf Ziele in Syrien ist die Lage auf den Golanhöhen ruhig, aber sehr gespannt. Das Nachbarland und Iran haben gedroht, die Region zum Kriegsgebiet zu machen; Israels Regierung reagiert mit massiver Militärpräsenz und spielt die Sache ansonsten herunter: Es gebe keine Anzeichen für einen offenen Krieg.

Der Krieg ist zum Greifen nah. Dort, jenseits des hohen Zauns, in Syrien, sind vereinzelt Explosionen zu hören; Rauchsäulen steigen auf. Hier, auf den Golanhöhen: Ruhe, aber keine Normalität. Nach Jahrzehnten, in denen das einst heftig umkämpfte Gebiet zur Peripherie im Tiefstschlaf geworden war, ist das Militär zurückgekehrt. Misstrauisch beobachten Soldaten jede Bewegung diesseits und jenseits der Waffenstillstandslinie.

Stehen die Zeichen auf Krieg? Nein, heißt es im Verteidigungsministerium in Tel Aviv, im Moment gebe es keine Anzeichen dafür. Aber man werde die Bürger Israels mit allen Mitteln schützen – das eben, was man immer sagt. Routine. Das sind auch die Signale, die das Außenministerium und das Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu aussenden. Er ist so um Normalität bemüht, dass er am Sonntag zu einer fünftägigen Reise nach China aufbrach.

Zurück ließ er eine Regierung, deren Mitglieder zu einem erheblichen Teil wenig mehr als einen Monat im Amt sind. Und die sich nun mit der Vielzahl von Herausforderungen auseinandersetzen müssen, wobei es nach wie vor keine offizielle Bestätigung für die Angriffe gibt, genauso wenig wie für die Meldungen, dass Israel Nachrichten an Damaskus und Teheran hat übermitteln lassen, die besagen sollen, dass sich die Bombardements nicht gegen die Regierungen dort gerichtet haben. Letzten Endes ist die Frage der Urheberschaft allerdings eine für die Geschichtsschreiber. Denn die außenpolitische Situation ist nun so, wie sie ist, und sie ist, um ein Wort zu benutzen, dass immer wieder in den Medien benutzt wird, »eine Katastrophe«. Die USA und die Türkei sind sauer, weil sie von den Angriffen überrascht wurden. In Ankara sieht man nun auch das eigene Gebiet bedroht, nachdem man ausgerechnet am Freitag vergangener Woche, dem Tag der ersten Angriffe, die Vereinbarung über die Entschädigung der Opfer des Militäreinsatzes gegen die Gaza-Hilfsflotte im Mai 2010 und damit auch die Normalisierung der Beziehungen zu Israel unterzeichnet hatte.

Grund der Besorgnis sind nicht so sehr die Drohungen aus Teheran, Damaskus und Beirut. Es sind vielmehr die vielen militanten Gruppierungen, die sich im Schatten des Bürgerkriegs in Syrien gebildet haben und deren Beziehungen untereinander und die Abhängigkeiten von ausländischen Regierungen für die Geheimdienste Israels und der Türkei weitgehend ein Buch mit sieben Siegeln sind, wie in beiden Ländern immer wieder angemerkt wird – nicht nur, aber auch eine Folge des jahrelangen Ruhens der Sicherheitskooperation zwischen Israel und der Türkei.

Am Mittwoch meldete die der Hisbollah nahe stehende Zeitung »Al Manar«, Teheran habe die Erlaubnis erteilt, den Golan zu »Fatah- Land« zu machen, womit wahrscheinlich das arabische Wort »Fatah« (Befreiung) gemeint ist. Die palästinensische Fatah- Fraktion, die im Westjordanland regiert, wies jedenfalls umgehend zurück, dass sie irgend etwas mit der Sache zu tun habe. »Wir werden uns nicht in den syrischen Bürgerkrieg einmischen«, sagte Saeb Erekat, Chefunterhändler der Palästinenser. Über den palästinensischen Widerstand entschieden ganz allein die Palästinenser.

Dass man in Israel die Äußerungen aus Teheran, anders als die Politik zu vermitteln versucht, ernst nimmt, zeigt die massive Militärpräsenz am Golan – eine Präsenz, die nicht nur die Situation jenseits der Waffenstillstandslinie, sondern auch einen Teil der Bevölkerung des Golan beobachten soll. Denn neben 7000 Siedlern leben in dem 1150 Quadratkilometer großen Gebiet auch 7000 Drusen, die sich Syrien zugehörig fühlen und dabei gespalten sind: Die Älteren stehen überwiegend auf Seiten der Regierung, die Jüngeren unterstützen die Rebellen.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 11. Mai 2013


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