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Geiselringtausch Pilger gegen Piloten

Für neun Libanesen und zwei Türken, die ins Getriebe des Syrien-Krieges geraten waren, endete die Gefangenschaft

Von Karin Leukefeld *

Zwei im August in Libanon entführte türkische Piloten sind – im Gegenzug für in Syrien verschleppte Libanesen – am Wochenende freigekommen.

Nach 17 Monaten Geiselhaft in den Händen von Aufständischen in Syrien sind am Wochenende neun Libanesen zu ihren Familien zurückgekehrt. Im Gegenzug wurden in Libanon zwei türkische Piloten freigelassen, die vermutlich von Angehörigen der Geiseln im August unweit des Flughafens Beirut entführt worden waren. Der Austausch kam Berichten zufolge durch die Vermittlung von Katar, der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Türkei zustande. Libanesische Medien berichteten, dass Parlamentssprecher Nabih Berri und der Chef der Nationalen Sicherheit, Generalmajor Abbas Ibrahim seitens Libanons involviert waren.

Unbestätigten Medienberichten zufolge sieht ein dritter Teil der Vereinbarung vor, dass syrische Behörden rund 130 offenbar verhaftete weibliche Angehörige von Aufständischen freilassen sollen.

Einer der freigekommenen Libanesen sagte nach seiner Ankunft in Beirut, sie seien die ganze Zeit in der syrischen Stadt Azaz unmittelbar an der türkischen Grenze festgehalten worden. Vor etwa einer Woche habe man sie in ein Haus unweit der Grenze gebracht. Am Freitag wurden sie nach Istanbul transportiert und von dort nach Beirut ausgeflogen. Anschließend wurden die türkischen Piloten von Beirut nach Istanbul gebracht. Die neun Libanesen gehörten zu einer Gruppe, die im Mai 2012 auf der Rückfahrt von einer Pilgerreise zu schiitisch-muslimischen Heiligtümern in Iran war. Unmittelbar hinter der türkisch-syrischen Grenze waren die Busse von bewaffneten Gruppen gestoppt worden.

Während die mitreisenden Frauen mit einem Bus ins nahe gelegene Aleppo geschickt wurden, behielten die Entführer den Bus mit den Männern. Den Frauen hatten die Entführer eine Botschaft an die syrischen Behörden in Aleppo mitgegeben. Man fordere die Freilassung ihrer Gefangenen, dann werde man auch die Männer freilassen. Die syrischen Behörden nahmen daraufhin Verhandlungen mit den Aufständischen auf.

Als Entführer der Libanesen gelten Kämpfer der Nordsturmbrigade, die arabischen Medienberichten zufolge von westlichen Geheimdiensten unterstützt wird und Grenzgebiete zur Türkei in den syrischen Provinzen Aleppo und Idlib kontrolliert. Anfang September hatten Kämpfer der Gruppe »Islamischer Staat in Irak und Syrien« versucht, einen deutschen Arzt in Azaz zu entführen, was mit Unterstützung der Nordsturmbrigade verhindert werden konnte. Danach war ein erbitterter Kampf um Azaz ausgebrochen. Von hier wird der Zugang zum Grenzübergang Bab al-Salam kontrolliert.

Entführungen haben in Syrien in den letzten zwei Jahren erheblich zugenommen. Ausländische Journalisten, UN-Personal und humanitäre Helfer wurden wiederholt von Aufständischen verschleppt. Ziel ist es meist, Geld, militärische Vorteile oder die Freilassung von Gefangenen zu erpressen. Auch Kriminelle haben Entführungen zunehmend als Geschäft in Syrien entdeckt.

Der deutsche Reporter Armin Wertz war Anfang des Monats in Damaskus nach fünf Monaten Haft deutschen Beamten übergeben worden. Wertz war Anfang Mai in Aleppo festgenommen worden, weil er angeblich ohne Erlaubnis fotografiert habe. Nach eigenen Angaben war er ohne Visum von der Türkei nach Syrien eingereist.

* Aus: neues deutschland, Montag, 21. Oktober 2013


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