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Waffenembargo spielt "vor Ort keine Rolle" *

Die EU-Außenminister haben am 18. Februar die Sanktionen gegen Syrien um weitere drei Monate verlängert. Waffenlieferungen an die Aufständischen, wie von Großbritannien gefordert, wurden nicht bewilligt. Das allerdings hält Unterstützer nicht davon ab, ihre militärische Hilfe an die Aufständischen dennoch auszubauen. Frankreich, Großbritannien und Italien helfen der bewaffneten Opposition in Syrien, um sich Einfluß auf die geostrategisch wichtige Entwicklung in Syrien zu sichern. Neben den genannten Staaten sind auch die USA, Deutschland, Saudi-Arabien, Jordanien und Katar in die Kämpfe in Syrien involviert. Private Sicherheitsfirmen agieren in Absprache mit Geheimdiensten, die sich weder an Regierungserklärungen noch an EU-Sanktionen gebunden fühlen. Regierungen wahren darüber Stillschweigen.

Die libanesische Tageszeitung As-Safir berichtete unter Berufung auf eine namentlich nicht genannte Quelle »mit engen Beziehungen zu den Geheimdiensten« Frankreichs, Ziel dieses geheimdienstlichen Engagements »abseits der Medienberichterstattung« sei es, im Norden Syriens – an der Grenze zur Türkei – einen »Brückenkopf« zu festigen. Über den sollten die Kontrolle der bewaffneten syrischen Opposition erhalten bleiben und »qualitative militärische Operationen« ausgeführt werden können. Agenten des französischen Auslandsgeheimdienstes arbeiteten »ohne Unterbrechung in Syrien«, ihre Aufmarschgebiete seien die Bekaa-Ebene im Nordlibanon und – gemeinsam mit amerikanischen und britischen Geheimdiensten – die syrisch-türkische Grenzregion. Westliche Staaten würden vermeiden, den Aufständischen Waffen aus ihrem eigenen Arsenal zur Verfügung zu stellen, so die Quelle weiter. Die Franzosen nutzten einen »Geheimfonds für Auslandsoperationen«, um modernste Kommunikationstechnik und russische Waffen zu kaufen. Diese militärische Ausrüstung würde zumeist aus Libyen nach Syrien geschmuggelt, Empfänger seien die Nationale Koalition und die Nationalen Koordinationskomitees.

Eine Delegation des Ende 2012 in der Türkei gebildeten Militärrates der Aufständischen sei Mitte Februar unter Führung von General Salim Idriss in Paris gewesen und habe im französischen Verteidigungsministerium die Koordination weiterer Militäroperationen in Syrien abgesprochen. Der Besuch sei geheim gehalten worden. Die französische Quelle, die As-Safir zitiert, habe zudem bestätigt, daß französische und US-amerikanische Geheimdienste »eine wichtige Rolle bei der Koordination« von Angriffen auf strategische Flughäfen in Nordsyrien gespielt hätten. Ohne die »organisatorischen Fähigkeiten der französischen und amerikanischen Operationsgruppen, die in der Region arbeiten«, hätten die bewaffneten Aufständischen keinen Erfolg. Das Verbot der EU-Außenminister, Waffen an die Aufständischen zu liefern, sei »vor Ort ohne Bedeutung«. Westliche Sicherheitsdienste und Spezialkräfte bildeten die Aufständischen weiter aus.

Die Bundesregierung hält Informationen über das Engagement des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND (Bundesnachrichtendienst) in Syrien eisern zurück. Zwar hat sie in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag (BT Drucksache 17/10206) eingestanden, daß ihr Informationen über das Massaker in der syrischen Stadt Hula im Juli 2012 vorlägen, diese aber aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht mitgeteilt würden. Der BND helfe den Aufständischen »humanitär«, im Gegenzug bekomme man Informationen. Der Bundesnachrichtendienst selbst zeigte sich weniger bescheiden. Man liefere den Aufständischen die »besten Informationen« über Truppenbewegungen, brüstete sich ein anonymer BND-Mitarbeiter gegenüber Bild (19.8.2012). Modernste Spionagetechnik eines deutschen Flottendienstbootes vor der syrischen Küste unterstützt Aufklärung und Kommunikation. In »Operationsräumen« in der Türkei hören deutsche Geheimdienstoffiziere den syrischen Funk- und Telefonverkehr ab.

Im Dezember 2012 fragte die Linksfraktion nach (BT Drucksache 17/11798), ob »Militärangehörige aus Deutschland« an einer Konferenz in Riad teilgenommen hätten, um die Neustrukturierung der syrischen bewaffneten Opposition zu besprechen. Das hatte ein Teilnehmer des Treffens ebenfalls der libanesischen Zeitung As-Safir berichtet (siehe jW vom 11.12.2012). Die stereotype Antwort der Bundesregierung (BT Drucksache 17/11988) lautete, es lägen ihr »keine unabhängigen und belastbaren Erkenntnisse zu dem im Zeitungsbericht erwähnten Treffen in Riad vor«.

[Bericht: kurzlink.de/AlMonitor]

* Aus: junge Welt, Dienstag, 26. Februar 2013


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