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Uneinigkeit im Umgang mit Syrien

Außenminister der G8-Staaten treffen sich in London

Von Karin Leukefeld *

Ein zweitägiges Treffen der Außenminister der G8-Staaten (in alphabetischer Reihenfolge Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Russland und USA) hat am Donnerstag in London begonnen. Ganz oben auf der Tagesordnung standen die Lage auf der koreanischen Halbinsel und der Krieg in Syrien. Weitere Themen waren das iranische Nuklearprogramm, die Lage in Burma und Somalia, die „Internet-Sicherheit“ und die „Deauville-Partnerschaft mit arabischen Staaten im Übergang“.

Über die Lage in Nordkorea herrschte Einigkeit. Der russische Außenminister Sergeij Lawrow sagte, sollte es zu einem Krieg auf der koreanischen Halbinsel kommen, werde (der Reaktorunfall von) „Tschernobyl uns wie ein Kinderspiel vorkommen“. Alle Politiker warnten vor einer verbalen Eskalation, die leicht in einen Krieg entgleiten könnte. Die USA hat inzwischen zur Abwehr möglicher nordkoreanischer Raketen ein Hochleistungsradarsystem aufgebaut, Japan installierte Raketenabwehrsysteme um Tokio.

Im Umgang mit dem Krieg in Syrien herrschte weiter Uneinigkeit. Lawrow war vor Beginn des Treffens zu einem einstündigen Gespräch mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen John Kerry zusammengetroffen. Russland drängt auf einen Waffenstillstand in Syrien und fordert, dass die Unterstützerstaaten der Nationalen Koalition („Freunde Syriens“) diese dazu bringen, eine Delegation für Verhandlungen mit Damaskus zu bilden. Damaskus hatte zuvor seine Bereitschaft bekräftigt, mit einer bereits benannten Delegation auch mit den moderaten Kräften der bewaffneten Gruppen zu verhandeln.

Verschiedene Außenminister hatten am Mittwoch eine Delegation der oppositionellen Nationalen Koalition empfangen, darunter deren kürzlich gewählten Ministerpräsidenten Ghassan Hitto, George Sabra, Suhair Atassi und Mustafa Sabbagh. Hitto ist wie Sabbagh dem Block der Islamisten und der Muslim Bruderschaft zuzurechnen. Er war erst kürzlich auf Druck Katars hin in Istanbul gewählt worden. Der bisherige Präsident der Nationalen Koalition Mouaz al-Khatib und weitere Mitglieder der Koalition waren daraufhin aus Protest zurückgetreten.

Im Gespräch mit US-Außenminister John Kerry machte Hitto klar, dass seine Gruppe mehr und bessere Waffen, humanitäre Hilfe sowie finanzielle Unterstützung erwarte. Dafür soll ein Treuhandfonds der „Freunde Syriens“ geschaffen werden, über den am vergangenen Montag in Berlin Vertreter aus 30 Staaten beraten hatten. Anders als Mouaz al-Khatib hat Hitto bisher jede Gesprächsbereitschaft mit der amtierenden syrischen Regierung kategorisch abgelehnt. Ob er unter dem Druck von G8-Staaten dennoch Vorschläge für eine Verhandlungsdelegation vorgelegt hat, wurde nicht bekannt. Aus Kreisen der US-Delegation hieß es, dass sich die Führungsgruppe der „Freunde Syriens“ (Türkei, Katar, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien, Frankreich, USA, Großbritannien, Deutschland und Italien) am 20. April zu weiteren Beratungen in Istanbul treffen wird. Die Quelle gab an, dass Außenminister Kerry an dem Treffen teilnehmen werde.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte sich in London gegenüber den Forderungen nach Waffenlieferungen wenig begeistert. Nichts deute daraufhin, dass mehr Waffen mehr Menschenleben in Syrien retten könnten, sagte er. Die Waffen könnten vielmehr diejenigen stärken, für die „Damaskus nur eine Durchgangsstation auf dem Weg nach Jerusalem“ sei.

Al Khaida hatte kurz vor dem G8-Treffen angekündigt, man werde sich mit der in Syrien operierenden Al Nusra Front zusammenschließen, um einen Islamischen Staat aufzubauen. Die Nusra Front bestätigte den Zusammenschluss, zeigte sich gegenüber dem Aufbau eines Islamischen Staates aber zurückhaltend.

Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch legte zum G8-Treffen einen neuen Bericht vor, wonach in Syrien bisher 100.000 Menschen getötet worden sein sollen. Bisher wurde immer eine Zahl von 70.000 Toten genannt. Auf welchen Angaben die neuen Zahlen basieren ist unklar. Internationale Organisationen in Syrien erklären, dass die unübersichtliche Lage im Land keine seriöse Angabe zu Zahlen über Tote, Vertriebene, Verschwundene und Inhaftierte zulasse.

Einen möglichen Durchbruch in Sachen Syrien wird von vielen Syrern für den Juni erhofft. Dann könnten sich beim G8-Gipfeltreffen in Irland US-Präsident Barack Obama und Russlands Präsident Wladimir Putin auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Ginge es nach der syrischen Bevölkerung, sollten Obama und Putin beide Seiten auffordern, die Waffen niederzulegen und sich ernsthaft für einen Waffenstillstand und Verhandlungen einsetzen.

* Dieser Beitrag erschien gekürzt unter dem Titel "Heißen Krieg verhindern" in: neues deutschland, Freitag, 12. April 2013


Heißen Krieg verhindern

G8 beraten Korea-Krise Angebot aus Seoul **

Die acht wichtigsten Industriestaaten der Welt wollen gemeinsam den Druck auf Nordkorea erhöhen, um das Land zur Einstellung seiner Kriegsdrohungen zu bewegen. Beim Treffen der G8-Außenminister in London sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Donnerstag, die Kriegsrhetorik aus Pjöngjang müsse beendet werden. »Ausschlaggebend ist, dass aus der Rhetorik kein heißer Krieg wird«, sagte Westerwelle. »Das ist nicht nur eine Gefährdung für die Koreanische Halbinsel und für die Nachbarländer, sondern es ist auch eine Gefährdung der Stabilität, der Sicherheitsarchitektur global.«

Bei der Verurteilung Nordkoreas ist auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow im Boot. Er hatte sich am Mittwoch mit seinem US-Amtskollegen John Kerry in London getroffen. »Es gibt keine Meinungsverschiedenheiten mit den USA über Nordkorea«, sagte Lawrow nach dem Treffen, wie aus der US-Delegation verlautete.

Ungeachtet der Kriegsdrohungen aus Nordkorea hat Südkorea das Nachbarland zu Gesprächen über die Normalisierung des Betriebs des gemeinsamen Industrieparks Käsong aufgerufen. »Pjöngjang sollte sofort an den Verhandlungstisch kommen«, sagte Vereinigungsminister Ryoo Kihl Jae am Donnerstag vor Journalisten in Seoul. Beide Länder könnten dabei über den Industriepark in der grenznahen nordkoreanischen Stadt Käsong reden, wurde Ryoo von der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap zitiert. Die Produktion in dem Gewerbekomplex steht seit Dienstag still. Pjöngjang hatte zuvor alle rund 53 000 Landsleute abgezogen, die dort für 123 Unternehmen aus Südkorea gearbeitet hatten.

Die USA, Südkorea und Japan stellten sich weiter auf Raketentests in Nordkorea ein. Das Verteidigungsministerium in Seoul erklärte, eine nordkoreanische Rakete notfalls abzuschießen, sollte sie eine Gefahr für Südkorea darstellen. Nach Einschätzung des südkoreanischen Militärs bereitet sich Nordkorea auf den Start mehrerer Raketen vor, darunter Mittelstreckenraketen.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen traf derweil zu einem Besuch in Südkorea ein. Es stünden Diskussionen »über unsere wertvolle Partnerschaft« an, twitterte Rasmussen nach seiner Ankunft. Es ist der erste Besuch eines NATO-Generalsekretär in Südkorea. Der Besuch sei für die NATO eine Gelegenheit, »ihre feste Unterstützung für Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel« auszudrücken, erklärte das Außenministerium in Seoul.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 12. April 2013


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