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Nur lauer Rückenwind für Dialog

EU-Außenminister sind sich nicht einig, wie sie im Syrien-Konflikt verfahren sollen

Von Karin Leukefeld *

Die EU-Außenminister beklagen die Lage in Syrien. Eine gemeinsame Strategie haben sie allerdings nicht.

Bei einem Treffen in Brüssel hat Syrienvermittler Lakhdar Brahimi am Montag die europäischen Außenminister über die Lage in Syrien unterrichtet. Brahimi wirbt im Auftrag von UNO und Arabischer Liga um Unterstützung für eine friedliche Lösung des Krieges in Syrien. Grundlage dafür ist für Brahimi das Genfer Abkommen vom Juni, das sein Vorgänger Kofi Annan ausgearbeitet hatte. Das Abkommen sieht die Bildung einer Übergangsregierung in Syrien vor, der Opposition und Vertreter der amtierenden Regierung angehören sollen. Aufgabe der Übergangsregierung ist es, Parlamentsneuwahlen vorzubereiten und eine verfassunggebende Versammlung einzurichten.

Das Genfer Abkommen scheint mit dem neuen US-Außenminister John Kerry wieder an Bedeutung zu gewinnen. Bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow Anfang des Monats in Berlin hatte Kerry die Bedeutung einer politischen Lösung gegenüber einer militärischen Option deutlich hervorgehoben. Ähnlich äußerten sich die beiden stellvertretenden Außenminister Russlands und der USA, Michail Bogdanow und William Burns, die sich vor wenigen Tagen in London mit Brahimi trafen.

Moskau und Washington scheinen den im Genfer Abkommen vorgegebenen Weg zu bevorzugen, weil die von anderer Seite geforderte Bewaffnung der Aufständischen Al Qaida und andere islamistische Gruppen stärken könnte. Katar, Saudi Arabien und die Türkei wollen zusammen mit Frankreich und Großbritannien die Aufständischen militärisch stärken, damit diese den Norden Syriens einnehmen und dort eine Art Gegenregierung zu Damaskus installieren können. Der Oberkommandierende des Militärrates der »Freien Syrischen Armee«, General Salim Idris, forderte bei einem Besuch des Europäischen Parlaments am 6. März »zum Schutz der Zivilbevölkerung« die Aufhebung des EU-Waffenembargos, die Einrichtung einer Flugverbotszone und humanitäre Korridore aus der Türkei nach Syrien. Zur Unterstreichung seiner Forderung war der General in Uniform erschienen.

Die Außenminister der EU zeigten sich am Montag gespalten. Während einige Unterstützung für das Genfer Abkommen äußerten, wollen andere die geltenden EU-Waffensanktionen so lockern, dass sie Opposition und Zivilbevölkerung »besser schützen« können. Bundesaußenminister Guido Westerwelle will zwar keine Waffen liefern, rief aber dazu auf, den Aufbau zerstörter Gebiete unter der Kontrolle der Regierungsgegner voranzubringen.

Wer tatsächlich die Kontrolle in umkämpften Norden Syriens hat ist fraglich. Die Ausrufung einer Exilregierung durch die oppositionelle Nationale Koalition war am Wochenende erneut verschoben worden; wie zu hören war auf Wusch der USA.

Der syrische Außenminister Walid al-Mouallem hatte kürzlich in Moskau erklärt, Damaskus sei bereit, auch mit »moderaten bewaffneten Gruppen« zu verhandeln und diese in die regulären syrischen Streitkräfte aufzunehmen. Der Auslandssprecher des oppositionellen Nationalen Koordinierungsbüros für Demokratischen Wandel in Syrien, Haytham Manna, ist am Montag zu Gesprächen in Moskau eingetroffen. »Der Weg zu einer friedlichen politischen Lösung in Syrien geht durch Moskau«, sagte Manna nach seiner Ankunft. In Syrien werde noch immer um eine militärische Lösung gekämpft, »doch die überwiegende Mehrheit der Syrer ist davon überzeugt, dass eine politische Lösung uns rettet und eine wirkliche Chance hat«.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 12. März 2013


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