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Treffen von Oppositionellen in Damaskus

Vor allem die Teilnahme an einem nationalen Dialog ist unter den Regierungsgegnern umstritten

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Zum ersten Mal seit dem »Damaszener Frühling« 2001-2003 haben sich in Damaskus Oppositionelle aus Parteien, Kultur und Medien getroffen, um ihr Vorgehen zu koordinieren.

Ziel sei, eine »Vision« zu finden, wie »ein friedlicher und gesicherter Übergang für einen Staat der Freiheit, Demokratie und Gleichheit« gefunden werden könne, sagte einer der Organisatoren, der Schriftsteller Louay Hussein.

Rund 150 Personen hatten sich am Montag im Hotel »Semiramis« im Zentrum von Damaskus versammelt, belagert von mindestens ebenso vielen Journalisten und Kamerateams aus aller Welt. Unter den Teilnehmern waren neben Louay Hussein auch der Journalist Michel Kilo, der viele Jahre für seine oppositionelle Haltung im Gefängnis verbracht hat. Abdel Karim Rihawi von der Syrischen Menschenrechtsliga sagte, man wolle »eine nationale Strategie« diskutieren, »wie die aktuelle Krise in Syrien beendet werden« könne. Man habe nicht vor, mit den Treffen die »Proteste von der Straße« zu verdrängen. Offizielle Stellen seien von dem Treffen informiert worden, hieß es aus Kreisen der Veranstalter um Louay Hussein.

Regierungsvertreter nahmen nicht teil, begrüßten aber das Treffen. Kritiker hingegen sprachen von einer »Schauveranstaltung«, weil u. a. die in Syrien verbotene Muslimbruderschaft als Organisation nicht eingeladen worden war. Der Menschenrechtsaktivist Walid al-Bunni warnte, dass der Staat das Treffen ausnutzen könnte, um »weiter Festnahmen, brutale Morde und Folter zu vertuschen«. Bunni war offenbar nicht eingeladen worden, nach eigenen Worten, »weil die Behörden ihr Veto gegen einige Namen auf der Gästeliste eingelegt« hätten, wie er der Nachrichtenagentur AP sagte.

Unter den Oppositionellen ist besonders die Teilnahme an einem nationalen Dialog umstritten, wie er von Präsident Baschar al-Assad vorgeschlagen worden war. Kritiker lehnen eine Teilnahme ab, weil man mit einem Regime, das »Blut an den Händen« habe, nicht reden könne. Befürworter fordern als Voraussetzung für eine Teilnahme die Freilassung von politischen Gefangenen, ein Ende der Gewalt und Rückzug aller bewaffneten Kräfte. Während die Opposition innerhalb Syriens eine ausländische Einmischung in den Übergang ablehnt, reichen die Forderungen von Oppositionellen im Exil bis zum Eingreifen ausländischer Streitkräfte zum »Sturz des Regimes«.

Das Treffen begann mit dem Singen der Nationalhymne und einer Gedenkminute für alle Toten, Zivilisten ebenso wie Militär- und Sicherheitskräfte.

* Aus: Neues Deutschland, 28. Juni 2011


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