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Brandbeschleuniger USA

US-Parlamentarier erheben keinen Einspruch mehr gegen Waffenlieferungen an Aufständische in Syrien. Washington setzt auf Teilung des Landes

Von Arnold Schölzel *

Die beiden Geheimdienstausschüsse des US-Kongresses und des Senats haben ihre Einsprüche gegen die Belieferung der syrischen Opposition mit Waffen zurückgezogen. Der Vorsitzende des Kongreßkomitees, Mike Rogers, erklärte am Montag abend (Ortszeit) in Washington: Trotz weiterbestehender »sehr starker Bedenken in Bezug auf die Belastbarkeit der Regierungspläne in Syrien und ihre Aussichten auf Erfolg«, habe der Ausschuß »nach langer Diskussion und Prüfung« Konsens erreicht. Beide Gremien hätten bereits in der vergangenen Woche den Vorhaben zugestimmt. Das erlaubt es dem Geheimdienst CIA, finanzielle Mittel aus seinem Budget für die Operation in Syrien zu verwenden. Es handele sich um eine verdeckte Aktion, die von US-Präsident Barack Obama bereits Anfang Juli bestätigt worden sei. Die Infrastruktur – Training, Logistik und Geheimdienstunterstützung – sei bereits an Ort und Stelle – zumeist in Jordanien. Die Waffen sollen in den nächsten Wochen geliefert werden. Einige der Abgeordneten kritisierten laut Washington Post den Vorschlag als unzureichend. Sie forderten Unterstützung für belagerte Aufständische durch die US-Luftwaffe bzw. die Einrichtung einer Flugverbotszone. Andere Parlamentarier wandten sich gegen jede militärische Einmischung durch die USA. Die Gefahr sei zu hoch, in einen weiteren Bürgerkrieg verwickelt zu werden.

Die USA hatten im Juni angekündigt, die syrischen Aufständischen militärisch unterstützen zu wollen. Zur Begründung wurde der angebliche Einsatz von Chemiewaffen durch syrische Regierungstruppen angeführt. Beide im Kongreß vertretenen Parteien hatten sich gegen Waffenlieferungen ausgesprochen wegen des Risikos, daß Dschihadisten davon profitieren könnten. Darauf hin hatten Vizepräsident Joseph Biden, CIA-Chef John ­Brennan und Außenminister John Kerry in zahlreichen Gesprächen in den vergangenen Wochen versucht, die Abgeordneten umzustimmen. Die Mitglieder des Geheimdienstausschusses des Senats hatten bereits ihren Einspruch zurückgezogen, nun war der Kongreß an der Reihe.

Gleichzeitig wurde deutlich, daß in der US-Armee schwere Bedenken gegen ein militärisches Eingreifen in Syrien bestehen. In einem Brief an den Streitkräfteausschuß, der ebenfalls am Montag veröffentlicht wurde, äußerte sich US-Generalstabschef Martin Dempsey zu den Kosten von fünf Interventionsmöglichkeiten. Als billigste Variante nannte er Ausbildung und Unterstützung der Aufständischen außerhalb Syriens: 500 Millionen US-Dollar pro Jahr. Alles andere – »robusteres Eingreifen«, Einrichten einer Flugverbotszone oder einer Pufferzone sowie Sicherung der Chemiewaffen – bezifferte er auf jeweils eine Milliarde US-Dollar pro Monat. Laut Dempsey könnte »unbeabsichtigte Konsequenz« einer Intervention sein, daß Syrien zusammenbreche und chemische Waffen in die Hände von Extremisten fallen.

Hintergrund der Debatten ist offenbar eine veränderte Analyse der Situation in Syrien durch das Weiße Haus. Dessen Sprecher Jay Carney, schrieb die New York Times am Dienstag, habe zwei Jahre lang erklärt, die Tage von Syriens Präsident Baschar Al-Assad seien gezählt. Nun erklärte Carney am Montag: »Assad wird nie wieder ganz Syrien regieren.« Die Zeitung kommentierte dies als »subtile, aber wichtige Veränderung« in der offiziellen Sprachregelung: Assad werde auf absehbare Zeit an der Macht bleiben, allerdings in einem geteilten Syrien.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 24. Juli 2013


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