Konzertierter Kampf
BND sagt Ende des Assad-Regimes in Syrien voraus
Von Karin Leukefeld *
Wenige Tage vor der Bundestagsabstimmung über die Entsendung deutscher Bundeswehrverbände in das türkisch-syrische Grenzgebiet, hat das Auswärtige Amt »die Beziehungen zum Assad-Regime auf ein absolutes Minimum« reduziert und vier weitere Mitarbeiter der syrischen Botschaft in Berlin des Landes verwiesen. Die Ausweisung erfolgte auf »Veranlassung von Außenminister Westerwelle« und solle »ein klares Zeichen« setzen, hieß es in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes am »Tag der Menschenrechte«. Man setzte darauf, »daß die Nationale Koalition sich weiter verfestigt und so bald wie möglich handlungsfähige Übergangsinstitutionen aufbauen« könne, so das Auswärtige Amt. Der unfreundliche Akt der Bundesregierung gegenüber den syrischen Diplomaten kam zwei Tage vor Beginn eines weiteren Treffens der »Freunde Syriens« in Marokko, das am Mittwoch beginnt.
Die »Nationale Koalition« ist ein in Doha Anfang November 2012 auf Betreiben der USA und der Staatengruppe »Freunde Syriens« gegründeter Kreis von im Exil lebenden Syrern, die auf Wunsch Washingtons und seiner westlichen Verbündeten eine Exilregierung bilden und eingesetzt werden sollen, sollten der syrische Präsident und die amtierende Regierung in Damaskus von den Aufständischen gestürzt werden.
Integraler Bestandteil der »handlungsfähigen Übergangsinstitutionen« soll auch ein Militärrat sein, zu dem sich 260 Kommandeure verschiedener Kampfgruppen Ende letzter Woche in Antalya (Türkei) zusammengeschlossen haben. Vorbesprechungen zu der Bildung des Militärrates hatten Anfang November parallel zu der Bildung der »Nationalen Koalition« in der saudischen Hauptstadt Riad stattgefunden. Beraten wurden die Aufständischen dort von Offizieren aus den USA, Jordanien, Türkei, Katar, Saudi-Arabien, Ägypten, Frankreich und Großbritannien, der Führungsgruppe der »Freunde Syriens«. Nach Angaben eines Teilnehmers der »Freien Syrischen Armee« hatten auch deutsche Offiziere an dem Treffen teilgenommen. Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium erklärten auf jW-Anfrage, weder von dem Treffen noch von der Teilnahme deutscher Offiziere etwas zu wissen. Besser informiert zeigte sich derweil der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND, Gerhard Schindler. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte Schindler voraus, »das Regime Assad wird nicht überleben«. Offenbar basierend auf Informationen der scheinbar gut in Syrien plazierten BND-Agenten äußerte Schindler, daß »bei den Gruppen des bewaffneten Widerstands (…) die Koordination immer besser« würde. »Das macht den Kampf gegen Assad effektiver«.
Der nun in Antalya gebildete 30köpfige Militärrat soll der »Nationalen Koalition« unterstellt werden. Diese neue Gesamtstruktur war von Staaten der »Freunde Syriens« – unter anderem Großbritannien und Frankreich – zur Bedingung für die Lieferung moderner und schwerer Waffen an die Aufständischen genannt worden. Großbritannien bemüht sich weiterhin um die Aussetzung des EU-Waffenembargos für die Aufständischen in Syrien.
Nicht eingeladen zu dem Treffen in Antalya waren die islamistischen Kampfgruppen, die nach Einschätzung von Beobachtern führend im Kampf gegen die regulären syrischen Streitkräfte sind. Unterstützt von den Golfstaaten hat sich vor allem die Al-Nusra-Front mit Bombenanschlägen und dem Abschuß von Hubschraubern einen Namen bei Angriffen auf Damaskus, Homs, Aleppo und in den kurdischen Gebieten gemacht.
Mit überwältigender Mehrheit (90 pro, sechs contra) hat in der vergangenen Woche der US-Senat die Regierung in Washington aufgefordert, militärische Optionen für ein Eingreifen in Syrien auszuarbeiten, »um das Töten von Zivilisten« zu beenden. Das Pentagon hat nun 90 Tage Zeit, um Vorschläge zu formulieren, wie Bedingungen für einen »Übergang zu einem demokratischen, pluralistischen, politischen System in Syrien« militärisch durchgesetzt werden können. Die bisher auf dem Tisch liegenden Empfehlungen umfassen die Stationierung von »Patriot«-Raketen im türkisch-syrischen Grenzgebiet, die Bildung einer Flugverbotszone und gezielte Luftangriffe auf die Regierung und Luftwaffenstützpunkte.
* Aus: junge Welt, Dienstag, 11. Dezember 2012
Assads Chemiewaffen-Pläne unbestätigt
Berlin weist syrische Diplomaten aus / Gemeinsame Kommandostruktur der Opposition
Von Karin Leukefeld **
Bei einem Besuch des Zaatari-
Flüchtlingslagers in Jordanien hat
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon
jetzt eingeräumt, dass die »alarmierenden
Nachrichten« über angebliche
Vorbereitungen eines
Chemiewaffeneinsatzes durch syrische
Streitkräfte nicht bestätigt
werden könnten. Wie Damaskus
wies auch das russische Außenministerium
solche Berichte zurück.
Außenminister Sergei Lawrow erklärte,
man sei den Gerüchten
nachgegangen und habe sie in Damaskus
angesprochen. Nichts
deute daraufhin, dass irgendetwas
daran wahr sei. Das habe man den
USA- und EU-Kollegen mitgeteilt.
Auch Lawrence Wilkerson, der
ehemalige Stabschef des früheren
USA-Außenministers Colin Powell,
zeigte sich überzeugt, dass Syrien
»niemals chemische Waffen gegen
die eigene Bevölkerung einsetzen«
werde. Tatsache sei aber, dass die
USA »den Boden für eine Intervention
in Syrien bereiten«, sagte
der pensionierte Oberst. Man bereite
etwas vor, das zu einem Konflikt
führen werde, »der mindestens
ein Jahrzehnt braucht, um gelöst zu werden«. Am Ende werde
es keine Sieger, sondern »nur Verlierer« geben.
Der Senat hatte in der vergangenen
Woche das Pentagon nahezu
einstimmig aufgefordert, innerhalb
von drei Monaten militärische
Pläne vorzulegen, wie »das Töten
von Zivilisten in Syrien« beendet
werden könne. Das Pentagon soll
demnach drei »Optionen« für ein
Eingreifen der USA prüfen: die
Stationierung von Patriot-Raketen
im türkisch-syrischen Grenzgebiet,
die Einrichtung einer Flugverbotszone
und die gezielte Bombardierung
von Luftwaffenstützpunkten.
Nach Beratungen mit westlichen
Offizieren in der saudischen
Hauptstadt Riad Anfang November
(»nd« berichtete) haben sich dieser
Tage 260 Kommandeure bewaffneter
Gruppen in Syrien eine gemeinsame
Kommandostruktur gegeben. Bei dem dreitägigen
Treffen in Antalya (Türkei) wurde
ein 30-köpfiger Militärrat gewählt.
Er soll der »Nationalen Koalition«
unterstellt werden, die ebenfalls
auf Betreiben der USA und der
»Freunde Syriens« in Doha (Katar)
gebildet worden war und beim
Treffen der »Freunde« ab Mittwoch
in Marokko als legitime
Übergangsregierung anerkannt
werden soll. Während Oppositionsführer
Ahmed Muas al-Chatib
am Montag in Brüssel von den EUAußenministern
empfangen wurde,
haben Islamisten eine umkämpfte
Militärbasis im Norden
Syriens eingenommen.
Bundesaußenminister Guido
Westerwelle hat derweil am Montag
»die Beziehungen zum Assad-
Regime auf ein absolutes Minimum
« reduziert und vier weitere
Mitarbeiter der Botschaft in Berlin
des Landes verwiesen. Die Ausweisung
solle »ein klares Zeichen«
setzen, hieß es in einer Erklärung
des Auswärtigen Amtes. Man setze
darauf, »dass die Nationale Koalition
sich weiter verfestigt und so
bald wie möglich handlungsfähige
Übergangsinstitutionen« aufbaut.
Auf »nd«-Anfrage, ob die Diplomaten
sich etwas zu Schulden
kommen lassen hätten, hieß es im
Auswärtigen Amt, darauf könne
man »keine Antwort« geben.
Selbst wenn Syrien ein souveräner
Staat sei, könne man die Beziehungen
jederzeit beenden. Auch
bei der Revolution in Libyen habe
Berlin eine Übergangsregierung
anerkannt.
** Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. Dezember 2012
Zurück zur Syrien-Seite
Zur Geheimdienst-Seite
Zurück zur Homepage